Verfahrensinformation

Die Kläger - im Schichtdienst der beklagten Städte Cottbus, Oranienburg und Potsdam beschäftigte Feuerwehrbeamte - begehren Geldausgleich für freiwillig geleistete Mehrarbeit. Sie sind damit vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 32.15 u.a. -) erfolgreich gewesen. Das Berufungsgericht hat die geleistete Mehrarbeit als rechtswidrig beurteilt, weil das Land Brandenburg die entsprechende Öffnungsklausel (Art. 22 Unterabs. 1 der EU-Arbeitszeitrichtlinie) nicht rechtmäßig in das mitgliedstaatliche Recht umgesetzt habe.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen zur Klärung der Frage zugelassen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche „Opt-out-Regelung“ für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe der EU-Arbeitszeitrichtlinie zu stellen sind.


Pressemitteilung Nr. 53/2017 vom 21.07.2017

Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit von Feuerwehrbeamten in den Städten Potsdam, Oranienburg und Cottbus

Feuerwehrbeamte, die sich freiwillig bereit erklärt haben, über die unionsrechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Stunden in der Woche hinaus Dienst zu leisten, können hierfür von ihren Dienstherrn - den beklagten Städten - Freizeitausgleich verlangen. Kann der Dienstherr den primär auf Freizeitausgleich gerichteten Ausgleichsanspruch der Beamten nicht binnen Jahresfrist erfüllen, so besteht ab dem Folgemonat der Geltendmachung dieses Anspruchs ein Entschädigungsanspruch in Geld. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.


Das Bundesverwaltungsgericht hatte über Ausgleichsansprüche von kommunalen Feuerwehrbeamten im Land Brandenburg im Wesentlichen im Zeitraum zwischen 2007 und 2013 zu entscheiden. Während dieser Zeit verrichteten die Beamten auf eigenen Antrag Schichtdienst mit bis zu 56 Wochenstunden. 2010 und später machten sie geltend, die Dienstzeit, die über die unionsrechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden hinausgehe, sei infolge fehlerhafter Anwendung und Umsetzung von Unionsrecht als unionsrechtswidrige Zuvielarbeit finanziell abzugelten. Damit hatten sie in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg.


Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revisionen der beklagten Städte die auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch gestützten Klagen der Feuerwehrbeamten für die Zeiträume abgewiesen, die vor der erstmaligen Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit durch die Beamten lagen. Für die Zeiträume nach der Geltendmachung des Ausgleichs für die Zuvielarbeit hat das Bundesverwaltungsgericht jeweils das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.


Zur Begründung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt: Dem Grunde nach ist ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch der Kläger gegen ihre Dienstherren zu bejahen. Die unionsrechtlich fehlerhafte Umsetzung der nach der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglichen Ausnahmeregelung („Opt-Out“) von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden (mit Einverständnis der Beamten) ist zwar vom brandenburgischen Landesgesetzgeber zu verantworten. Die Anwendung des fehlerhaften Landesrechts - hier: von Rechtsverordnungen über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten aus den Jahren 2007 und 2009 - ist aber den beklagten Städten als Dienstherren der Feuerwehrbeamten anzulasten. Denn damit haben sie den Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht beachtet. Die Rechtsverordnungen verletzen offenkundig jedenfalls das in der EU-Arbeitszeitrichtlinie geregelte Nachteilsverbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten. Dieses Nachteilsverbot hat der brandenburgische Gesetzgeber erst in einer 2014 in Kraft getretenen Rechtsverordnung über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten normiert.


Auch auf der Grundlage des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs hat der Dienstherr aber nur die unionsrechtswidrige Zuvielarbeit auszugleichen, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet wird. Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich - anders als beamtenrechtliche Besoldungs- oder Versorgungsansprüche - nicht unmittelbar aus Gesetz ergeben, bedürfen einer vorherigen Geltendmachung. Für Ansprüche wegen rechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden.


Ab dem Monat nach einer berechtigten Rüge des Beamten hat der Dienstherr, kompensiert er die rechtswidrige Zuvielarbeit nicht mit Freizeitausgleich, diese Zuvielarbeit nach den Grundsätzen über die Mehrarbeitsvergütung auszugleichen. Der finanzielle Ausgleich erfolgt dabei nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden.


BVerwG 2 C 31.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 31.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1376/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 32.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 19.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 2562/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 33.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 20.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1372/11 - Urteil vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 34.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 23.15 - Beschluss vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 2814/13 - Beschluss vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 35.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 22.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1956/12 - Urteil vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 36.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 32.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Cottbus, 5 K 914/11 - Urteil vom 28. Februar 2013 -

BVerwG 2 C 37.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 21.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 838/12 - Urteil vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 38.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 26.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1241/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 39.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 29.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1292/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 40.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 30.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1367/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 41.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 28.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1267/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 42.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 24.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1357/12 - Urteil vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 43.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 25.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1286/11 - Urteil vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 44.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 27.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1399/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -


Beschluss vom 22.07.2015 -
BVerwG 6 B 22.15ECLI:DE:BVerwG:2015:220715B6B22.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.07.2015 - 6 B 22.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:220715B6B22.15.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 22.15

  • VG Köln - 03.09.2014 - AZ: VG 21 K 4413/11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Juli 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller und Hahn
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 9. Juni 2015 - 6 B 59.14 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Senat ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in dem angegriffenen Beschluss vom 9. Juni 2015 in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 VwGO). Aus ihren Darlegungen ergibt sich nicht, dass der Senat bei seiner Beurteilung, ob ein Grund für die Zulassung der Revision in Gestalt eines Verfahrensfehlers vorliegt, entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin in deren Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision übergangen hat.

2 Letztlich legt die Klägerin ihrer Anhörungsrüge eine andere materiell-rechtliche Auffassung zugrunde, als der Senat sie in dem angefochtenen Beschluss für zutreffend gehalten hat, und beurteilt von ihr ausgehend ihren Vortrag in erster Instanz als entscheidungserheblich und damit für einen Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts relevant. Aus ihrer Anhörungsrüge ergibt sich aber nicht, dass der Senat zu seiner abweichenden Auffassung, von der aus dieser Vortrag gerade nicht entscheidungserheblich war, unter Verletzung rechtlichen Gehörs gekommen ist.

3 Die Klägerin hatte ihre Beschwerde unter anderem darauf gestützt, das Verwaltungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts sowie den Überzeugungsgrundsatz verletzt, indem es von ihr in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisanträge abgelehnt und Tatsachenvortrag nicht berücksichtigt habe. Diese Rügen und den darauf bezogenen Vortrag der Klägerin hat der Senat zur Kenntnis genommen, allerdings Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts nicht feststellen können. Maßgeblich dafür war im Kern, dass nach Auffassung des Senats die unter Beweis gestellten Tatsachen und weiterer von der Klägerin hervorgehobener Tatsachenvortrag nach der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts, die für die Feststellung eines Verfahrensfehlers maßgeblich ist, nicht entscheidungserheblich waren. Die Klägerin legt mit ihrer Anhörungsrüge insoweit nur dar, das Verwaltungsgericht sei von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen oder hätte doch von einer anderen Rechtsauffassung ausgehen müssen, als der Senat in seinem Beschluss zugrunde gelegt habe. Der Senat hat zwar zur Kenntnis genommen, wie die Klägerin das Urteil des Verwaltungsgerichts verstanden wissen wollte und welche materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts sie ihren Verfahrensrügen zugrunde gelegt hat. Der Senat hat diese Auffassung aber nicht geteilt, wie sich zum Teil im Näheren auch aus seinen Ausführungen zu den Grundsatz- und Divergenzrügen der Klägerin ergab. Gegen eine solche abweichende Beurteilung schützt der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht.

4 Ebenso wenig hat der Senat entscheidungserhebliches Beschwerdevorbringen der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen, soweit er den in der Vorinstanz gestellten Befangenheitsantrag der Klägerin in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht als rechtsmissbräuchlich beurteilt und deshalb nicht beanstandet hat, dass das Verwaltungsgericht über den Antrag in der Besetzung mit den abgelehnten Richtern entschieden hat. Dass der Senat der Bewertung nicht gefolgt ist, welche die Klägerin ihrem Befangenheitsantrag in ihrer Beschwerdebegründung beigemessen hat, lässt keinen Schluss darauf zu, der Senat habe diesen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen.

5 Hier - wie auch im Übrigen - war der Senat nicht gehalten, sich mit jeder Einzelheit ihres Vorbringens auseinanderzusetzen, sondern konnte sich damit begnügen, seine (abweichende) Auffassung mit den wesentlichen Kernaussagen zu begründen, wie es für eine Beschwerdeentscheidung geboten ist.

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.