Beschluss vom 22.05.2007 -
BVerwG 6 B 84.06ECLI:DE:BVerwG:2007:220507B6B84.06.0

Beschluss

BVerwG 6 B 84.06

  • VG Minden - 12.06.2006 - AZ: VG 10 K 803/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Mai 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge
und Dr. Graulich
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 12. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Klage weiterhin anhängig, weil ungeachtet der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache die Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers widersprochen hat. Deshalb kann auch noch über sie in einem Revisionsverfahren entschieden werden.

2 Die auf die Grundsatz- (1.) und die Verfahrensrüge (2.) gestützte Beschwerde ist aber unbegründet.

3 1. Eine den Anforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügende Darlegung setzt im Hinblick auf den Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlichen noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). An diesen Voraussetzungen fehlt es. Die von der Beklagten für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Senats bereits beantwortet worden.

4 a) Die Beklagte hält für klärungsbedürftig, ob der Entzug einer Möglichkeit der Übernahme von einem befristeten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis eine besondere Härte im Sinne der allgemeinen Härtemilderungsklausel des § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG ist. In seinem Urteil vom 13. November 2006 - BVerwG 6 C 22.05 - (NVwZ-RR 2007, 330 Rn. 20) hat der beschließende Senat die Anforderungen beschrieben, unter denen die Aussicht auf den Erhalt eines Dauerarbeitsplatzes im Anschluss an ein befristetes Arbeitsverhältnis ausnahmsweise von solcher Bedeutung sein kann, dass ihre Vereitelung durch Einberufung zum Grundwehrdienst als besondere Härte i.S.v. § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG anzusehen ist, deren Vermeidung eine Zurückstellung rechtfertigt. Demnach sieht der Gesetzgeber die Erlangung eines Ausbildungsplatzes, die unter den heutigen Bedingungen auf ähnliche Schwierigkeiten stößt wie die Erlangung eines Dauerarbeitsplatzes, als in besonderem Maße schutzwürdig an; gleichwohl begnügt er sich zur Annahme einer wehrdienstbedingten besonderen Härte nicht mit der bloßen Aussicht auf einen Ausbildungsplatz, sondern stellt den Wehrpflichtigen nur unter der Voraussetzung von der Wehrpflicht frei, dass ihm der Ausbildungsplatz nahezu gewiss ist. Demgemäß muss auch die Zurückstellung nach § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG ausscheiden, wenn der Wehrpflichtige lediglich eine Chance hat, von seinem Arbeitgeber im Anschluss an ein befristetes Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Zu verlangen ist vielmehr in Anlehnung an die Anforderungen in § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 a.E. WPflG, dass der Dauerarbeitsplatz dem Wehrpflichtigen unter der Voraussetzung, dass er seine Arbeitsleistung bis zum Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses planmäßig erbringt, rechtsverbindlich zugesagt ist oder dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ein ähnlich hoher Grad an Gewissheit für die erstrebte Dauerbeschäftigung besteht (vgl. zur Arbeitsplatzzusage im Anschluss an eine Weiterbildung: Beschluss vom 9. Oktober 2001 - BVerwG 6 B 57.01 - Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 204). Diese Anforderungen sind beispielsweise regelmäßig nicht erfüllt, wenn sich der Wehrpflichtige erst noch in einem Auswahlverfahren durchsetzen muss, weil die Zahl der zu vergebenden Arbeitsplätze die Bewerberzahl übersteigt.

5 Der vorliegende Fall des zur Einberufung am 1. Juli 2006 bestimmten Klägers enthält im Vergleich dazu keine Besonderheiten. Nach den Feststellungen im verwaltungsgerichtlichen Urteil hatte der zeugenschaftlich vernommene geschäftsführende Filialleiter seines Ausbildungsbetriebes dem Kläger „bereits mit hoher Verbindlichkeit zugesagt ..., dass er zum 1. Juli 2006 einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten wird, wenn er nicht zu diesem Termin zum Wehrdienst gezogen wird“. Dieser Sachverhalt erfüllt die voranstehend angeführten Anforderungen an einen besonderen Härtefall zunächst insoweit, als es um die verbindliche Zusage des Dauerarbeitsplatzes geht. Anders als in dem vom Senat entschiedenen Fall wurde hier jedoch das befristete Arbeitsverhältnis nicht durch den geplanten Beginn des Wehrdienstes unterbrochen; vielmehr fiel hier der Beginn des unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit demjenigen des Wehrdienstes zusammen. Dies begründet jedoch aus der maßgeblichen Sicht des Wehrpflichtigen keinen rechtserheblichen Unterschied. Denn in beiden Fällen droht ein sonst sicherer Dauerarbeitsplatz wehrdienstbedingt verloren zu gehen. Die Beklagte war auch nicht gehindert, bereits kurze Zeit nach Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages den Kläger einzuberufen, weil er von da an den uneingeschränkten Schutz des Arbeitsplatzschutzgesetzes genoss. Die allgemeine Altersgrenze nach § 5 Abs. 1 Satz 1 WPflG, die beim Kläger am 23. Januar 2007 eintrat, ließ der Beklagten am 1. Juli 2006, dem Beginn des unbefristeten Arbeitsverhältnisses, noch hinreichend Raum für eine rechtzeitige Einberufung. Weitergehende fallbezogene rechtliche Aufschlüsse zum Verständnis von § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG wären in einem Revisionsverfahren nicht zu erwarten.

6 b) Die Beklagte hält außerdem für klärungsbedürftig, ob beim Begriff der besonderen Härte in § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG auch die „angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt“ sowie die schlechte Konjunktur zu berücksichtigen ist. Auch diese Frage ist mit dem genannten Urteil vom 13. November 2006 (a.a.O. Rn. 20) beantwortet worden. Der Senat hat dort zum Ausdruck gebracht, dass eine der Heranziehung zum Wehrdienst entgegenstehende besondere Härte dann anzunehmen ist, wenn der Wehrpflichtige durch die Einberufung einen bereits sicher zugesagten Dauerarbeitsplatz verliert. Er hat insofern eine Parallelwertung zu der speziellen Regelung in § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 a.E. WPflG über die rechtsverbindlich zugesagte Berufsausbildung vorgenommen. In dieser Hinsicht verlangt der Gesetzgeber nicht die Prüfung, ob und inwieweit sich dem betroffenen Wehrpflichtigen auf dem Markt für Ausbildungsplätze anderweitige Chancen eröffnen. Hintergrund für diese typisierende Betrachtungsweise ist die seit langem angespannte Lage auf dem Arbeits- und Lehrstellenmarkt. Diese war es auch, die den Gesetzgeber bei der Abfassung der Regelungen zur Befristung von Arbeitsverhältnissen bewegt hat; darauf hat der Senat im Urteil vom 13. November 2006 (a.a.O. Rn. 19) ebenfalls bereits hingewiesen. Es ist daher auch im Falle fest zugesagter Dauerarbeitsplätze gerechtfertigt, auf eine gesonderte Prüfung der allgemeinen oder speziellen Arbeitsmarktlage zu verzichten. Davon ist der Senat im zitierten Urteil unausgesprochen mit Blick darauf ausgegangen, dass die von ihm gestellten strengen Anforderungen im Zusammenhang mit der Überleitung befristeter Arbeitsverhältnisse ohnehin nur selten gegeben sein werden.

7 2. Mit der Verfahrensrüge macht die Beklagte eine Verletzung der Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO geltend (a) sowie einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (b). Beide Rügen bleiben ohne Erfolg.

8 a) Eine etwaige Verletzung der Aufklärungspflicht durch das Verwaltungsgericht berührt das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht, weil es auf die von der Beklagten für wichtig gehaltene weitergehende Ausforschung der Verhältnisse am Arbeitsmarkt nach dem voranstehend erläuterten rechtlichen Verständnis von § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG nicht ankam.

9 b) Eine „offensichtlich sachwidrige und willkürliche Schlussfolgerung und Beweiswürdigung“ ist dem verwaltungsgerichtlichen Urteil nicht zu entnehmen. Das Verwaltungsgericht hat seine Schlussfolgerungen auf den Wortlaut der Zeugenaussage gestützt. Dagegen ist nichts einzuwenden. Die Beklagte versucht die Schlussfolgerung zu erschüttern, indem sie dem Zeugen widersprüchliche Hintergedanken unterstellt, die das Verwaltungsgericht für vordringlich hätte halten müssen. Damit legt die Beklagte keine „offensichtlich sachwidrige und willkürliche Schlussfolgerung und Beweiswürdigung“ dar, sondern setzt ihre eigene Beweiswürdigung an Stelle derjenigen des Verwaltungsgerichts. Dies genügt nicht den Anforderungen einer auf § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gestützten Verfahrensrüge.

10 3. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Der Streitwert bestimmt sich nach § 52 Abs. 2 GKG.