Beschluss vom 22.05.2007 -
BVerwG 6 B 17.07ECLI:DE:BVerwG:2007:220507B6B17.07.0

Beschluss

BVerwG 6 B 17.07

  • Bayerischer VGH München - 12.12.2006 - AZ: VGH 22 BV 06.1993

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Mai 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn
und Dr. Graulich
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger zeigte der Beklagten unter Beifügung des amtlichen Formulars gemäß § 14 GewO an, dass der Betrieb zur Vermittlung von Sportwetten im Stadtgebiet der Beklagten ausgeübt werde. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 8. August 2005: „Mit Schreiben vom 01.08.2005 zeigten Sie den Beginn der Tätigkeit ‚Vermittlung von Sportwetten’ ... an ... In Bayern sind Sportwetten ... nicht gestattet. Auch die Vermittlung von Wetten ... ist nicht erlaubt ... Die Anmeldung einer verbotenen Tätigkeit als Gewerbebetrieb ist nicht möglich und kann Ihnen daher auch nicht bestätigt werden“. Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, die Gewerbeanzeige des Klägers zur Tätigkeit der Vermittlung von Sportwetten entgegen zu nehmen und zu bestätigen, stattgegeben. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die Berufung der Landesanwaltschaft die Klage als unbegründet abgewiesen. Er hat die Revision nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.

3 a) Die Rechtssache hat nicht die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen verleihen der Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.

4 aa) Der Kläger wirft zur Begründung der von ihm angenommenen grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in verschiedenen Varianten die Fragen auf, ob es einen Anspruch auf eine Bestätigung des Empfangs einer eingereichten Gewerbeanzeige mit der angegebenen Tätigkeit zur Vermittlung von Sportwetten nach § 15 Abs. 1 GewO gebe, ob schon ein Ablehnungsschreiben einer Behörde ausreiche, um einen Anspruch auf Erteilung einer Gewerbebestätigung zu erfüllen, ob ein derartiges Schreiben geeignet sei, den Nachweis zu erbringen, dass der Anzeigepflicht genügt worden sei, und ob es von der Bußgeldstelle auch so eingeschätzt würde.

5 bb) Diese Fragen können nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs beruht allein auf der Erwägung, dass der Anspruch des Klägers aus § 15 Abs. 1 GewO, den das Berufungsgericht also anerkennt, durch Erfüllung erloschen sei. Es ist nicht fraglich und daher nicht klärungsbedürftig, dass ein Anspruch nach § 15 Abs. 1 GewO erloschen ist, wenn er „erfüllt“ ist, d.h. wenn die Behörde, wie es in § 15 Abs. 1 GewO vorgeschrieben ist, „den Empfang“ der Gewerbeanzeige „bescheinigt“ hat. Ebenso wenig bestehen Zweifel daran, dass die Behörde berechtigt ist, in demselben Schreiben, in dem sie die vorgeschriebene Empfangsbescheinigung ausstellt, den Gewerbetreibenden darauf hinzuweisen, dass sie das angezeigte Gewerbe für verboten hält. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Schreiben der Beklagten vom 8. August 2005, in dessen erstem Satz ausdrücklich auf die Gewerbeanzeige des Klägers vom 1. August 2005 Bezug genommen wird, im Sinne einer Empfangsbescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 GewO verstanden. Den dem ersten Satz nachfolgenden Ausführungen der Beklagten hat er keine gegenteilige Bedeutung beigemessen, sondern lediglich die Darlegung ihrer Rechtsauffassung zum gesetzlichen Verbot von Sportwetten entnommen. Die Richtigkeit des Berufungsurteils hängt demnach von der Frage ab, ob dieses Verständnis des Schreibens vom 8. August 2005 zutrifft. Bei dieser Frage, die von der Beschwerde sinngemäß verneint wird, handelt es sich nicht um eine das Revisionsverfahren eröffnende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Denn sie lässt sich nur aufgrund einer Auslegung des Schreibens unter Heranziehung der in §§ 133, 157 BGB niedergelegten Auslegungsregeln beantworten. Die Auslegung von Erklärungen obliegt jedoch in erster Linie dem Tatsachengericht, nicht dem Revisionsgericht (§ 137 Abs. 2 VwGO) und wird überdies durch die Umstände des jeweiligen Einzelfalls geprägt. Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, dass in dem angestrebten Revisionsverfahren Rechtserkenntnisse zu erwarten wären, die über das soeben Gesagte hinausführen würden und für eine Vielzahl von Fällen Gültigkeit hätten.

6 Die Landesanwaltschaft weist zudem darauf hin, dass die hier bestehende Konstellation auf besonderen Umständen beruhe und sich wahrscheinlich nicht wiederholen werde.

7 Ob das vom Verwaltungsgerichtshof dem Schreiben vom 8. August 2005 beigemessene Verständnis auch von der Bußgeldstelle geteilt wird, ist ebenfalls keine zu klärende Rechtsfrage, sondern eine Prognose der künftigen Auslegung des Verwaltungsakts durch diese Stelle. Darüber könnte ein Revisionsverfahren keinen Aufschluss geben.

8 b) Sollte der Kläger mit seinem beiläufigen Hinweis auf eine überraschende Rechtseinschätzung des Verwaltungsgerichtshofs einen Verfahrensfehler geltend machen wollen, so wäre auch dieser nicht hinreichend dargelegt. Ein Überraschungsurteil liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen war (Beschluss vom 25. Mai 2001 - BVerwG 4 B 81.00 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 34 S. 20 f.). Diese Voraussetzungen legt die Beschwerde nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gemäß dar. Wegen eines Verfahrensmangels kann die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur zugelassen werden, wenn ein Mangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein solcher Mangel ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in Bezug auf die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt. Der Verwaltungsgerichtshof hatte nämlich mit Verfügung vom 17. November 2006 auf das von ihm für möglich gehaltene Verständnis des Schreibens der Beklagten hingewiesen.

9 2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.