Beschluss vom 21.12.2010 -
BVerwG 3 B 72.10ECLI:DE:BVerwG:2010:211210B3B72.10.0

Beschluss

BVerwG 3 B 72.10

  • Hessischer VGH - 30.06.2010 - AZ: VGH 5 A 1044/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Dezember 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert und Buchheister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 128 100,64 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.

2 1. Der Rechtssache kommt auf der Grundlage der Darlegungen der Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die Klägerin möchte - zusammengefasst - geklärt wissen, unter welchen Voraussetzungen eine Gebührenerhebung nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchstabe b der Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinie 96/43/EG zulässig ist. Sie vertritt die These, dass der Europäische Gerichtshof in seinen Entscheidungen vom 19. März 2009 (C-270/07 und C-309/07) ein „Realkostengebot und Pauschalierungsverbot“ angenommen habe, dem eine Gebührenerhebung nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchstabe b der Richtlinie nur dann gerecht werde, wenn zunächst allenfalls vorläufige Bescheide über Vorauszahlungen ergingen und nach Ablauf des Rechnungsjahres ein endgültiger Bescheid mit einer „betriebsbezogenen Einzelabrechnung“ der tatsächlich angefallenen Kosten erlassen werde; eine Gebührenerhebung auf der Grundlage im Vorhinein kalkulierter Kosten sei generell unzulässig. Diese Auffassung kleidet sie in verschiedene Fragen.

3 Die These der Klägerin trifft indes nicht zutrifft. Der Europäische Gerichtshof hat in den besagten Entscheidungen (noch einmal) betont, dass die Erhebung einer die Pauschalgebühr übersteigenden spezifischen Gebühr nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchstabe b der Richtlinie unter der einzigen Voraussetzung steht, dass die Gebühr die tatsächlichen Kosten nicht überschreitet (C-309/07 Rn. 20); sie darf ferner nicht die Form eines Pauschalbetrages annehmen (C-309/07 Rn. 21 und C-270/07 Rn. 30 ff.). Das letztgenannte Kriterium, auf das sich die Klägerin maßgeblich stützt, diente dem Europäischen Gerichtshof ersichtlich nur zur Abgrenzung der spezifischen Gebühr von den EG-Pauschalbeträgen sowie von einer durch Anhebung der Pauschalbeträge gebildeten Gebühr nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchstabe a der Richtlinie. Er sah sich zu dieser Klarstellung durch Ausführungen der Kommission veranlasst, die seiner Rechtsprechung meinte entnehmen zu können, dass eine Gebühr nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchstabe b der Richtlinie die Form eines Pauschalbetrages annehmen müsse. Dem ist der Europäische Gerichtshof mit den erwähnten Ausführungen entgegengetreten. Vor dem Hintergrund des Streitgegenstandes jener Verfahren, der jeweils den Ansatz für Kosten bestimmter Fleischuntersuchungen betraf, ist damit ersichtlich nur gemeint, dass eine solche Gebühr nicht wie die EG-Pauschalbeträge unbeschadet des konkreten Untersuchungsumfangs (also pauschal) erhoben werden darf, sondern Kostenanteile für bestimmte Fleischuntersuchungen nur dann in die Gebühr einfließen dürfen, wenn sie tatsächlich angefallen sind.

4 Diese gemeinschaftsrechtliche Vorgabe ändert indes nichts daran, dass es sich um eine „Gebühr“ handelt, deren Höhe auf der Grundlage einer Kostenkalkulation ermittelt wird und nicht etwa durch eine nachträgliche Kostenabrechnung jedes Einzelfalls. Die Vorstellungen der Klägerin sind mit der gemeinschaftsrechtlich und nationalrechtlich vorgesehenen Möglichkeit der Kostendeckung im Wege der Gebührenerhebung nicht vereinbar; sie laufen darauf hinaus, eine Erhebung von Gebühren oberhalb der EG-Pauschalbeträge praktisch unmöglich zu machen.

5 Die These der Klägerin wird auch nicht durch die von ihr angeführte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen gestützt, das - in Übereinstimmung mit dem Berufungsurteil - eine Gebührenerhebung auf der Grundlage prognostischer Werte ausdrücklich für zulässig erachtet (vgl. nur OVG Münster, Urteil vom 30. September 2009 - 17 A 2609/03 - juris Rn. 92 ff.). Soweit das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bei der Überprüfung einer konkreten Gebührenkalkulation für den Sonderfall einer nachträglichen Neuberechung von Gebühren für abgelaufene Zeiträume nicht die durch Zeitablauf obsolet gewordenen Prognosewerte der ursprünglichen Kalkulation, sondern die bereits feststehenden tatsächlich angefallenen Kosten für maßgeblich gehalten hat (Urteil vom 27. Januar 2010 - 17 A 2509/03 - juris Rn. 66), ergibt sich keine Abweichung zu dem Berufungsurteil, die eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache begründen könnte. Ob prognostische Werte überholt sind und deshalb einer Kalkulation, die sich an den tatsächlichen Kosten orientieren muss, nicht mehr zugrunde gelegt werden dürfen, ist keine verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage, sondern eine Frage der Tatsachenwürdigung. Hier hat das Berufungsgericht angenommen, dass die der Kalkulation des Beklagten zugrunde gelegten Werte nach wie vor die tatsächlichen Kosten der Schlachttieruntersuchungen widerspiegelten, weil weder ersichtlich noch von der Klägerin geltend gemacht worden sei, dass die dem Beklagten entstehenden Kosten bis zum Erlass der Gebührenbescheide etwa gesunken wären. Das wirft keine fallübergreifende Rechtsfrage auf.

6 Die von der Klägerin weiter angesprochene „einzelbetrieblichen Abrechnung“ wirft ebenfalls keine grundsätzlich bedeutsame Frage auf. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchstabe b der Richtlinie eine Gebühr erhoben werden kann, die nach der Größe des Betriebs und der Zahl der geschlachteten Tiere unterscheidet, wenn feststeht, dass diese Faktoren sich auf die Kosten auswirken (Urteil vom 19. März 2009 - C-309/07 - Rn. 22). Diese Entscheidung erging auf eine Vorlage in dem hier zugrunde liegenden Verfahren. Wenn der Europäische Gerichtshof eine „einzelbetriebliche Abrechnung“ nach den Vorstellungen der Klägerin für erforderlich gehalten hätte, hätte er nicht die hier erfolgte Gebührenstaffelung ausdrücklich gebilligt.

7 All dies ergibt sich hinreichend eindeutig aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofs. Der Senat sieht deshalb keinen Anlass, das Verfahren nach § 94 VwGO auszusetzen, um abzuwarten, bis der Antrag der Klägerin nach Art. 102 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs auf Auslegung des Urteils vom 19. März 2009 (C-309/07) beschieden worden ist. Die von der Beklagten bezweifelte Zulässigkeit dieses Antrags kann deshalb dahinstehen.

8 Aus der von der Klägerin problematisierten „rückwirkenden Richtlinienumsetzung“ ergibt sich ebenfalls keine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage. In der Rechtsprechung des Senats ist hinlänglich geklärt, dass europäisches Gemeinschaftsrecht nicht daran hindert, eine erforderliche Umsetzung rückwirkend vorzunehmen (vgl. nur Beschluss vom 10. Juli 2008 - BVerwG 3 B 30.08 - juris Rn. 8 m.w.N.; s. auch BVerfG, Beschluss vom 11. Dezember 2007 - 1 BvR 1792/06 - juris Rn. 15). Neue Aspekte, die etwa eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof rechtfertigen könnten, zeigt die Klägerin nicht auf.

9 2. Das Berufungsurteil leidet an keinem Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

10 Aus den Darlegungen der Klägerin ergibt sich die geltend gemachte vorschriftswidrige Besetzung des Berufungsgerichts im Sinne des § 138 Nr. 1 VwGO nicht. Ihre diesbezüglichen Ausführungen zu einer vermeintlich unrichtigen Besetzung durch eine bewusste Manipulation der Richterbank sind substanzlos. Dass für die mündliche Verhandlung des Berufungsgerichts aus der Liste der dem Spruchkörper zugeteilten ehrenamtlichen Richter die an vierter und fünfter Stelle stehenden Richter hinzugezogen worden sind (und nicht die Richter auf den Positionen drei und vier oder fünf und sechs), besagt für sich genommen nichts, weil ein solcher Umstand ohne weiteres dadurch eintreten kann, dass ein ehrenamtlicher Richter durch Krankheit oder sonst verhindert ist. So war es ausweislich der Äußerung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 9. November 2010 auch hier. Zu weitern Nachforschungen besteht kein Anlass. Die Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 16. Dezember 2010 erfolgen ersichtlich ins Blaue hinein. Dass die Richterbank, die im Juni 2010 das Berufungsurteil gefällt hat, von der Besetzung abweicht, die im Jahr 2007 über die Vorlage der Sache an den Europäischen Gerichtshof entschieden hat, besagt ebenfalls nichts für eine vorschriftswidrige Besetzung des Berufungsgerichts noch für einen anderen Verfahrensfehler. Die mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2010 erhobene weitere Besetzungsrüge ist verfristet. Im Übrigen übersieht die Klägerin, das der in Rede stehende Berufsrichter dem Senat, der das Berufungsurteil erlassen hat, ausweislich des von der Klägerin selbst vorgelegten Geschäftsverteilungsplans nicht nur in Normenkontrollverfahren, sondern auch als stellvertretendes Mitglied angehört.

11 Der gerügte absolute Revisionsgrund der nicht mit Gründen versehenen Entscheidung (§ 138 Nr. 6 VwGO) liegt nicht vor. Die Klägerin hält die Begründung des Berufungsurteils für unzureichend und unverständlich, soweit es die Folgerungen aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs betrifft. Im Kern kreisen auch diese Ausführungen der Klägerin um die von ihr vertretenen Thesen zur Erhebung einer spezifischen Gebühr, die sie in dem Berufungsurteil nicht richtig gewürdigt sieht. Damit lässt sich der geltend gemachte Revisionsgrund nicht belegen. Es steht im Übrigen außer Frage, dass sich das Berufungsgericht in seinem Urteil im Einzelnen mit der besagten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs befasst hat.

12 Schließlich rügt die Klägerin als Verfahrensfehler einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 VwGO, gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO sowie gegen die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs. All diese Rügen beruhen auf der Prämisse der Klägerin, dass das Berufungsgericht sich nicht mit den Gebührenkalkulationen des Beklagten hätte begnügen dürfen, sondern - im Sinne ihrer Thesen - eine nachträgliche einzelbetriebliche Abrechung der tatsächlich angefallenen Kosten der jeweiligen Amtshandlungen hätte anfordern müssen. Maßgeblich für die Frage, ob das Berufungsgericht einen Verfahrensfehler begangen hat, ist jedoch dessen materiell-rechtlicher Standpunkt. Davon ausgehend hat das Berufungsgericht die von dem Beklagten aufgestellten und im Verfahren erläuterten Kalkulationen kontrolliert und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gebühren den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügen.

13 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, 52 Abs. 3 GKG.

Beschluss vom 07.04.2011 -
BVerwG 3 B 9.11ECLI:DE:BVerwG:2011:070411B3B9.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.04.2011 - 3 B 9.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:070411B3B9.11.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 9.11

  • Hessischer VGH - 30.06.2010 - AZ: VGH 5 A 1044/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. April 2011
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Dr. Möller
und Dr. Wysk
beschlossen:

Der Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht Kley und der Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert und Buchheister wird zurückgewiesen.

Gründe

1 Das Ablehnungsgesuch der Klägerin hat keinen Erfolg. Es wendet sich gegen die drei Richter des Senats, die im Verfahren BVerwG 3 B 72.10 mit Beschluss vom 21. Dezember 2010 die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juni 2010 zurückgewiesen haben.

2 1. Es kann dahinstehen, ob eine Richterablehnung bereits unzulässig ist, wenn sie nach Abschluss der Instanz im Rahmen einer Anhörungsrüge erfolgt (vgl. Beschluss vom 28. Mai 2009 - BVerwG 5 PKH 6.09 u.a. - Buchholz 310 § 152a VwGO Nr. 8 <Rn. 3> m.w.N.). Auch kann zugunsten der Klägerin angenommen werden, dass ihr Ablehnungsgesuch nicht deshalb unzulässig ist, weil es die gesamte Richterbank erfasst. Dies ist ausnahmsweise zulässig, wenn die Befangenheit aus Anhaltspunkten in einer von der abgelehnten Richterbank getroffenen Kollegialentscheidung hergeleitet wird (vgl. dazu Beschluss vom 8. März 2006 - BVerwG 3 B 182.05 - juris Rn. 4).

3 2. Der Ablehnungsantrag ist jedenfalls unbegründet. Die Klägerin hat die geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO) nicht im Sinne des § 44 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit setzt voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des betreffenden Richters zu rechtfertigen. Dabei genügt es, wenn vom Standpunkt der Beteiligten aus hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln (Beschluss vom 1. Dezember 2009 - BVerwG 4 BN 58.09 - juris Rn. 2 m.w.N.). Solche Gründe sind in den Schriftsätzen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 18. Januar und 15. Februar 2011 nicht dargelegt.

4 a) Die Klägerin macht zum einen geltend, der Beschluss über die Zurückweisung ihrer Beschwerde sei „schlichtweg willkürlich“, weil die beteiligten Senatsmitglieder klare Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs übergangen hätten. Die Weigerung, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof vorzulegen, sei krass gemeinschaftsrechtswidrig und könne nur dadurch erklärt werden, dass sie einseitig habe benachteiligt werden sollen.

5 Die Klägerin macht damit Rechtsfehler der Entscheidung geltend. Diese ergeben, selbst wenn sie vorliegen sollten, grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund. Anderes kommt nur in Betracht, wenn die Rechts- oder Verfahrensverstöße auf einer offensichtlich sachwidrigen Entscheidung des Richters oder auf Willkür beruhen. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar oder schlechterdings nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. November 1992 - 1 BvR 1243/88 - BVerfGE 87, 273 <278 f.> m.w.N.; BVerwG, Beschlüsse vom 15. Mai 2008 - BVerwG 2 B 77.07 - NVwZ 2008, 1025 <Rn. 6>, vom 23. Oktober 2007 - BVerwG 9 A 50.07 u.a. - NVwZ-RR 2008, 140 <Rn. 6>).

6 Für einen solchen Fall ist hier nichts ersichtlich. Die Klägerin beruft sich zur Begründung der vermeintlichen Unhaltbarkeit der Rechtsauffassung der abgelehnten Richter auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 19. März 2009 - Rs. C-309/07, Baumann - Slg. I-2077 <Rn. 21 und 34> und - Rs. C-270/07, Kommission/Deutschland - Slg. I-1983 <Rn. 32>. Sie meint, schon aus dem Wortlaut dieser Entscheidungen ergebe sich die „eindeutige Verpflichtung des Hoheitsträgers, eine einzelbetriebliche Abrechnung vorzunehmen, wenn die angesetzten Gebühren die EG-Pauschalgebühren“ übersteigen. Diese Entscheidungen und ihre Auslegung waren im Hinblick auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bereits Gegenstand von Erwägungen im beanstandeten Beschluss. Hat sich das Gericht aber mit der Rechtslage auseinandergesetzt und entbehrt seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes, so kann von Willkür nicht gesprochen werden (stRspr, vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 3. November 1992, a.a.O.). So liegt es auch hier. In der Sache kann von einer krassen Missdeutung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht die Rede sein. Der Gerichtshof weist in den genannten Entscheidungen lediglich darauf hin, dass eine nach dieser Bestimmung [scil. Richtlinie 85/73] erhobene Gebühr „nicht die Form einer ‚pauschalen’ Gebühr in dem Sinne annehmen [darf], in dem die Kommission diesen Begriff versteht“ (Rs. C-270/07, a.a.O. Rn. 32). Dieser Zusammenhang wird auch in dem beanstandeten Beschluss (BA S. 3) zugrunde gelegt. Die Entscheidungen des Gerichtshofs enthalten entgegen der Behauptung der Klägerin keine Äußerung dazu, ob in der Konsequenz seiner Ausführungen die Gebührenerhebung als „betriebsbezogene Einzelabrechnung“ der tatsächlichen angefallenen Kosten nach Ablauf des Rechnungsjahres erfolgen muss oder ob die tatsächlichen Kosten im Vorhinein kalkuliert werden dürfen, wie es der Charakter einer Gebühr nahelegt. Insofern handelt es sich um rechtliche Schlussfolgerungen aus den EuGH-Entscheidungen, die nicht zwingend im Sinne der Klägerin gezogen werden müssen. Im beanstandeten Beschluss des Senats vom 21. Dezember 2010 sind im Gegenteil gute Gründe dafür angeführt worden, dass die Auffassung der Klägerin nicht durch das Gemeinschaftsrecht gedeckt ist. Es entbehrt auch nicht der sachlichen Rechtfertigung, wenn sich die abgelehnten Richter zum Beleg für ihre Auffassung, es sei hinreichend eindeutig geklärt, dass der Europäische Gerichtshof keine einzelbetriebliche Abrechnung nach den Vorstellungen der Klägerin für erforderlich halte, auf Erwägungen in den von der Klägerin angeführten Entscheidungen stützen (BA Rn. 6).

7 Durfte die von der Klägerin aufgeworfene Frage danach willkürfrei für in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt gehalten werden, liegt Willkür auch nicht darin, dass die abgelehnten Richter keine Veranlassung gesehen haben, das Verfahren mit dem Ziel auszusetzen, die von der Klägerin beantragte Auslegung des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-309/07 durch den Gerichtshof abzuwarten.

8 b) Ebenso wenig war es willkürlich oder sachlich unhaltbar, dass die vom Befangenheitsgesuch betroffenen Richter in dem Unterlassen der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den tatsächlichen Kosten der Fleischuntersuchungen keinen Verfahrensmangel gesehen haben. Nach ständiger Rechtsprechung bestimmt der materiell-rechtliche Standpunkt der Vorinstanz, wie weit der Sachverhalt aufzuklären ist. Das gilt sogar dann, wenn der eingenommene Standpunkt verfehlt sein sollte (vgl. Beschluss vom 23. Januar 1996 - BVerwG 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1). Das Berufungsgericht hatte die nach Auffassung der Klägerin aufzuklärenden Tatsachen aber für nicht entscheidungserheblich gehalten.

9 c) Ein Grund zur Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO ergibt sich schließlich nicht aus den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter. Zu den für das Ablehnungsgesuch entscheidungserheblichen Tatsachen hat ein abgelehnter Richter insoweit Stellung zu nehmen, als dies für die Entscheidung notwendig und zweckmäßig ist. Danach ist es nicht zu beanstanden, dass die Richter sich hier auf die Angabe beschränkt haben, sich nicht für befangen zu halten und dem angegriffenen Beschluss keinen Grund für die Besorgnis der Klägerin entnehmen zu können. Mehr war nicht zu verlangen, weil die Klägerin ihr Ablehnungsgesuch auf eine aus ihrer Sicht unzutreffende Rechtsansicht der abgelehnten Richter stützt. Eine weitergehende Äußerung zu dem angegriffenen Beschluss und zu den hiergegen vorgebrachten Einwänden der Klägerin würde auf eine nachträgliche Rechtfertigung der gefällten Entscheidung durch die beteiligten Richter hinauslaufen. Sie ist jedenfalls dann verzichtbar, wenn sie - wie hier - zur weiteren Aufklärung des für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erheblichen Sachverhalts nichts beitragen würde. Eine Überprüfung von gerichtlichen Entscheidungen kann nämlich gerade nicht im Wege der Richterablehnung erreicht werden (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 28. Mai 2009, a.a.O. <Rn. 2> und vom 23. Oktober 2007, a.a.O. <Rn. 2> und vom 8. März 2006 - BVerwG 3 B 182.05 - juris Rn. 5).

Beschluss vom 01.06.2011 -
BVerwG 3 B 9.11ECLI:DE:BVerwG:2011:010611B3B9.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.06.2011 - 3 B 9.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:010611B3B9.11.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 9.11

  • Hessischer VGH - 30.06.2010 - AZ: VGH 5 A 1044/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Juni 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Buchheister und Dr. Wysk
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Der Senat hat durch den Beschluss vom 21. Dezember 2010, mit dem die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil der Vorinstanz zurückgewiesen worden ist, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht im Sinne des § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

2 Die Klägerin macht zur Begründung der Anhörungsrüge im Kern geltend, dass der Senat ihrem Verständnis der maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Bemessung bestimmter fleischhygienerechtlicher Gebühren nicht gefolgt sei. Dieser Vortrag ist nicht geeignet, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aufzuzeigen; denn er betrifft nicht das Verfahren, sondern das materielle Recht. Es ist auch nicht etwa so, dass der Senat die entsprechenden Ausführungen der Klägerin unbeachtet gelassen oder gar übergangen hätte. Vielmehr hat er sich in dem angegriffenen Beschluss mit diesen Ausführungen befasst, ebenso mit den von der Klägerin vorgetragenen Verfahrensrügen einschließlich der Besetzungsrüge und dem Antrag auf Aussetzung des Beschwerdeverfahrens. Die Klägerin kann deshalb nicht verlangen, dass das Beschwerdeverfahren nach § 152a Abs. 5 VwGO fortgeführt wird, damit über ihren Aussetzungsantrag ohne Rechtsverletzung entschieden werde. Gleiches gilt im Hinblick auf die Besetzungsrüge und die von der Klägerin insoweit für notwendig erachteten weiteren Ermittlungen. Nur ergänzend sei deshalb darauf hingewiesen, dass die mit der Anhörungsrüge weitergeführte Argumentation der Klägerin in Ansehung des von ihr selbst vorgelegten Geschäftsverteilungsplans des Berufungsgerichts, der den betreffenden Berufsrichter als stellvertretendes Mitglied des Senats ausweist, nicht mehr verständlich erscheint. Auch die fortentwickelten Vermutungen zur fehlerhaften Besetzung der ehrenamtlichen Richter sind - unbeschadet weiterer Gründe - nicht geeignet, die behauptete manipulative Besetzung der Richterbank plausibel zu machen.

3 Der Hinweis der Klägerin auf unterschiedliche Entscheidungen des Senats in vermeintlich gleichgelagerten Fällen führt nicht weiter. Es handelte sich schon nicht um gleichgelagerte Fälle. In dem von der Klägerin angesprochenen Verfahren hat der Senat einen Verfahrensfehler der Vorinstanz angenommen, weil die Gebührenkalkulation der Beklagten nicht beigezogen worden war (Beschluss vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 3 B 64.10 - Rn. 11; s. demgegenüber Rn. 12 des hier angegriffenen Beschlusses).

4 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.