Beschluss vom 21.12.2006 -
BVerwG 6 B 99.06ECLI:DE:BVerwG:2006:211206B6B99.06.0

Beschluss

BVerwG 6 B 99.06

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 31.08.2006 - AZ: OVG 20 A 524/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Dezember 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn
und Vormeier
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 31. August 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

3 Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionszulassung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.). Daran gemessen führen die von dem Kläger aufgeworfenen und von ihm als rechtsgrundsätzlich angesehenen Fragen nicht zur Zulassung der Revision.

4 Der Kläger möchte sinngemäß die aus seiner Sicht rechtsgrundsätzliche Frage geklärt wissen, auf welchen Zeitpunkt bei der gerichtlichen Beurteilung einer gegen den Widerruf von Waffenbesitzkarten gerichteten Anfechtungsklage abzustellen sei. Diese Frage rechtfertigt nicht die Revisionszulassung, weil sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Fall der Anfechtung des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis ist derjenige des Ergehens des Widerspruchsbescheids (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 30. April 1985 - BVerwG 1 C 12.83 - BVerwGE 71, 234 <238>; Urteil vom 17. Oktober 1989 - BVerwG 1 C 36.87 - BVerwGE 84, 17 <19>; Urteil vom 26. März 1996 - BVerwG 1 C 12.95 - BVerwGE 101, 24 <26>). Es bedarf mithin keiner revisionsgerichtlichen Klärung der aufgeworfenen Frage. Dies gilt auch für die von dem Kläger sinngemäß gestellte Frage, ob im Falle der Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids nachträglich eingetretene Umstände zugunsten des von dem Widerruf Betroffenen berücksichtigt werden könnten. Der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nämlich auch zu entnehmen, dass bei der Überprüfung des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis solche nachträglich eingetretenen Umstände nicht zu berücksichtigen sind.

5 Die Revision ist auch nicht zur Beantwortung der von dem Kläger sinngemäß aufgeworfenen Frage zuzulassen, ob § 58 Abs. 8 Satz 1 des Waffengesetzes (WaffG) vom 11. Oktober 2002 (BGBl I S. 3970) bei der dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Fallgestaltung den Widerruf hindere. Nach § 58 Abs. 8 Satz 1 WaffG wird nicht wegen unerlaubten Erwerbs, unerlaubten Besitzes oder unerlaubten Verbringens einer Waffe bestraft, wer eine bei Inkrafttreten dieses Gesetzes unerlaubt besessene Waffe bis zum Ende des fünften auf das Inkrafttreten folgenden Monats unbrauchbar macht, einem Berechtigten überlässt oder der zuständigen Behörde oder einer Polizeidienststelle übergibt. Die auf die entsprechende Anwendung dieser Bestimmung im vorliegenden Fall zielende Frage rechtfertigt schon deshalb nicht die Revisionszulassung, weil § 58 Abs. 8 WaffG übergangsweise geltendes Recht ist. Fragen, die sich auf solches Recht beziehen, kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig - und so auch im vorliegenden Fall - keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO im Wesentlichen auf die für die Zukunft richtungsweisende Klärung von Rechtsfragen des geltenden Rechts gerichtet ist (vgl. Beschluss vom 8. März 2000 - BVerwG 2 B 64.99 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 21 S. 4 m.w.N.). Die Zulassung der Revision ist nicht ausnahmsweise deshalb gerechtfertigt, weil die Klärung der aufgeworfenen Frage in dem erstrebten Revisionsverfahren noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung sein wird und der Kläger eine solche Sachlage substantiiert dargelegt hat (ebenda). Der Kläger hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht substantiiert aufgezeigt. Außerdem betrifft § 58 Abs. 8 WaffG eine strafrechtliche Problematik. Der Kläger zeigt nicht auf, warum diese Bestimmung im hier bestehenden Zusammenhang Bedeutung haben könnte.

6 2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen.

7 Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung der Rechtssätze, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14). Daran gemessen ist die Beschwerde nicht ausreichend begründet.

8 Der Kläger beanstandet eine Abweichung des Oberverwaltungsgerichts von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. April 1998 - 4 B 40.98 - (NVwZ 1998, 1179). Damit kann im vorliegenden Fall eine Divergenz nicht begründet werden, weil sich der zitierte Beschluss nicht zu der Frage des maßgeblichen Zeitpunkts bei der Beurteilung einer gegen den Widerruf einer Waffenbesitzkarte gerichteten Anfechtungsklage verhält, sondern auf den maßgeblichen Zeitpunkt bei der Beurteilung einer Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung.

9 Eine Divergenz ist auch insoweit nicht ausreichend dargelegt, als der Kläger der Auffassung ist, das Oberverwaltungsgericht sei bei der Auslegung und Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen. Der Kläger beanstandet insoweit die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung, zeigt hingegen keinen abstrakten Rechtssatz in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf, von dem das Oberverwaltungsgericht abgewichen ist.

10 3. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Revision nicht wegen eines Verfahrensmangels im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Der Kläger meint, das angefochtene Urteil sei insoweit nicht mit Gründen im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO versehen, als das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen sei, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Anfechtungsklage sei derjenige des Ergehens des Widerspruchsbescheids. Ein Verfahrensmangel ist schon deshalb zu verneinen, weil auch angesichts der zitierten und auch vom Oberverwaltungsgericht in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zweifelhaft ist, dass auf den Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids abzustellen ist. Das Oberverwaltungsgericht war deshalb nicht gehalten, dies näher zu begründen.

11 4. Soweit der Kläger in der Art einer Revisionsbegründung die angebliche Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung beanstandet (II. 1. d) und e) sowie II. 2.) der Beschwerdebegründung), kann dies die Revisionszulassung nicht rechtfertigen, weil die unrichtige Anwendung des materiellen Rechts für sich keinen Zulassungsgrund darstellt.

12 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes findet seine Grundlage in § 47 GKG i.V.m. § 52 Abs. 2 und § 72 GKG.