Beschluss vom 21.12.2006 -
BVerwG 3 B 94.06ECLI:DE:BVerwG:2006:211206B3B94.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.12.2006 - 3 B 94.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:211206B3B94.06.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 94.06

  • VG Berlin - 26.04.2006 - AZ: VG 27 A 45.04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Dezember 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. April 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

1 Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der allein in Anspruch genommene Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

2 Die Klägerin hält zwei Fragen für klärungsbedürftig:
„Kann die Wirksamkeit einer vor formeller Einleitung des Zuordnungsverfahrens des Zuordnungsbegünstigten abgegebenen Erklärung des materiell berechtigten Zuordnungsprätendenten, das Grundstück sei kraft Gesetzes gemäß Art. 21 Abs. 1 EV auf einen anderen Zuordnungsprätendenten übergegangen, vor Eintritt der Bestandskraft eines auf dieser Erklärung basierenden Zuordnungsbescheides wieder mit der Begründung beseitigt werden, die Erklärung beruhe auf fehlerhaften Annahmen sämtlicher Beteiligten hinsichtlich der Grundstücksnutzung, und der Erklärende infolgedessen Klage gegen den Zuordnungsbescheid einlegt sowie seinen eigenen Zuordnungsantrag aufrecht erhält und weiterverfolgt?“
„Handelt die durch einen Zuordnungsbescheid begünstigte Bundesrepublik Deutschland rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich auf eine von den materiell-rechtlichen Zuordnungsregeln der Art. 21, 26 EV abweichende Zuordnung beruft, die auf einer Verzichtserklärung des nach Art. 26 EV materiell Berechtigten basiert, welche wiederum auch auf einer rechtswidrigen, außerhalb des Zuordnungsverfahrens abgegebenen Entscheidung der zuordnungsbegünstigten Bundesrepublik Deutschland selbst beruht?“

3 1. Die erste Frage betrifft die Möglichkeit der Klägerin, die vom Verwaltungsgericht in ihren Schreiben vom 1. März 1994 und insbesondere vom 18. Juli 1994 gesehene Verzichtserklärung nachträglich zu beseitigen. Dabei soll der Beseitigungsgrund nicht in einem einseitigen Irrtum der Klägerin liegen - die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Erwägungen, die das Verwaltungsgericht zur Anfechtbarkeit der Verzichtserklärung angestellt hat (Urteilsumdruck S. 14) -, sondern in einer gemeinsamen Fehlvorstellung der Klägerin und der Beigeladenen über die tatsächliche Nutzung des Gebäudes V.straße 33 - 35.

4 Damit ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Die aufgeworfene Frage beruht nämlich auf tatsächlichen Voraussetzungen, die das Verwaltungsgericht nicht festgestellt hat. Die Klägerin behauptet, dass ihre Verzichtserklärung auf einer tatsächlichen Fehlvorstellung beruhe, die sämtliche anderen Verfahrensbeteiligten geteilt hätten. Es mag davon abgesehen werden, dass sie insofern nur eine übereinstimmende Fehlvorstellung der Beigeladenen behauptet und das Land Berlin außer Betracht lässt; das stimmt mit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass eine Teileinigung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen vorgelegen habe, überein. Es ist aber nicht festgestellt, dass diese Teileinigung auf einer übereinstimmenden Fehlvorstellung der Klägerin und der Beigeladenen (bzw. des Bundesministeriums für Verkehr - BMV) beruhte. Dabei mag dem angefochtenen Urteil noch entnommen werden, dass die Klägerin ebenso wie das BMV bei Abgabe der klägerischen Verzichtserklärungen im März bzw. Juli 1994 davon ausgegangen sind, dass das Gebäude V.straße 33 - 35 im Oktober 1989 und noch Anfang Oktober 1990 vom Verkehrsministerium der DDR genutzt worden war. Das Verwaltungsgericht hat aber nicht festgestellt, dass diese Annahme unzutreffend gewesen sei; für die Anwendung von § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG war das auch unerheblich, weil eine Einigung der Zuordnungsprätendenten von der materiellen Zuordnungsrechtslage abweichen darf. Vor allem hat das Verwaltungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Verzichtserklärung der Klägerin auf dieser Annahme beruhte. Zum einen kam eine Zuordnung an die Klägerin auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV, § 23 Abs. 2 BENeuglG, wie sie die Klägerin beansprucht, nur in Betracht, wenn das Gebäude am 1. bzw. am 5. Januar 1994 (noch) bahnnotwendig war (vgl. Urteil vom 19. August 2003 - BVerwG 3 C 30.02 - BVerwGE 118, 362 <365> = Buchholz 428.2 § 18 VZOG Nr. 2 S. 3 f.). Hierzu hat das Verwaltungsgericht keinerlei Feststellungen getroffen. Zum anderen kann der Verzicht der Klägerin weitere Motive gehabt haben, einerlei ob diese vom BMV geteilt und damit zur „Geschäftsgrundlage“ einer Einigung erhoben wurden oder nicht. So ist denkbar, dass die Klägerin für ein Nachgeben an dieser Stelle mit Vermögenszuordnungen an anderer Stelle abgefunden wurde. Auch hierzu fehlt es an tatsächlichen Feststellungen.

5 2. Die zweite Frage unterstellt, dass die Klägerin sich von ihrer Verzichtserklärung nicht nachträglich lösen könne, und betrifft die Grenzen, welche der Gedanke einer unzulässigen Rechtsausübung der Befugnis der Beigeladenen zieht, aus diesem Verzicht Vorteile für sich herzuleiten.

6 Auch diese Frage hat tatsächliche Umstände zur Voraussetzung, zu denen das Verwaltungsgericht keine Feststellungen getroffen hat. Hier stehen zum Teil dieselben Tatfragen wie oben 1. in Rede: Das Verwaltungsgericht hat weder festgestellt, dass die „Entscheidung“ des BMV vom Mai 1991 der materiellen Zuordnungsrechtslage widersprach, noch dass sich die Klägerin bei Abgabe ihrer Verzichtserklärung vom März bzw. Juli 1994 an diese „Entscheidung“ gebunden fühlte. Vor allem hat es nicht festgestellt, dass die Verzichtserklärung auf einer solchen Bindung beruhte. Es wurde bereits dargelegt, dass das Verhalten der Klägerin weitere Motive gehabt haben mag, zu denen weder die Beklagte noch das Verwaltungsgericht Feststellungen getroffen hat oder hätte treffen müssen.

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden; wegen des Gegenstandswertes wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.