Beschluss vom 21.12.2004 -
BVerwG 7 B 143.04ECLI:DE:BVerwG:2004:211204B7B143.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.12.2004 - 7 B 143.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:211204B7B143.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 143.04

  • VG Dresden - 30.06.2004 - AZ: VG 4 K 373/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Dezember 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und K r a u ß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 30. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 200 000 € festgesetzt.

Die Kläger wenden sich gegen die Rückübertragung von Grundstücken an den Beigeladenen und gegen die Feststellung ihrer Verpflichtung zur Erlösauskehr. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil die Kläger weder Eigentümer der betroffenen Grundstücke geworden seien, noch diese - falls man einen Erwerbstatbestand bejahen würde - redlich erworben hätten. Ihr Erwerb aufgrund der Besitzwechselverordnung habe am 16. März 1990 und damit zu einem Zeitpunkt stattgefunden, als diese Verordnung bereits außer Kraft getreten gewesen sei; zudem hätten sie diesen Rechtsverstoß erkennen müssen.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg.
1. Ihre Rügen gegen die Verneinung eines Erwerbstatbestandes greifen nicht durch.
a) Zu Unrecht sehen die Kläger eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Satz 2 VwGO von dem Urteil des Senats vom 18. Januar 1996 - BVerwG 7 C 20.94 - (Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 25) darin, dass das Verwaltungsgericht die Rechtswirksamkeit des Erwerbs geprüft und davon abhängig gemacht habe, dass das Vertrauen der Erwerber in den Bestand ihrer Eigentümerstellung schutzwürdig sei. Der Senat hat in dem herangezogenen Urteil ausgeführt, dass der Restitutionsausschluss des redlichen Erwerbs zwar einen "Vollerwerb" voraussetze, dies aber nicht bedeute, dass das Erwerbsgeschäft zivilrechtlich wirksam sein müsse; maßgeblich sei vielmehr, ob den Erwerbern eine Eigentümerstellung verschafft worden sei, die gemessen an der Rechtswirklichkeit der DDR unangreifbar gewesen sei. Im Einklang mit dieser Entscheidung sowie mit dem Urteil des Senats vom 31. Juli 1997 - BVerwG 7 C 28.96 - (Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 44) hat das Verwaltungsgericht untersucht, ob dem Erwerber seinerzeit ungeachtet etwaiger Rechtsmängel eine solche, Vertrauen in ihren Bestand begründende Eigentümerstellung verschafft worden ist, und anschließend geprüft, ob diese Position redlich erworben wurde. Der Umstand, dass die Regelbeispiele des § 4 Abs. 3 VermG Auskunft darüber geben, unter welchen Voraussetzungen ein Erwerber den zu Zeiten der DDR erworbenen Vermögenswert behalten darf, bedeutet nicht, dass auch nur unter diesen Voraussetzungen von einem Rechtserwerb im Sinne des § 4 Abs. 2 und 3 VermG gesprochen werden kann. Vielmehr kann nur ein in der Rechtswirklichkeit der DDR anerkannter Erwerbstatbestand überhaupt Gegenstand der Redlichkeitsprüfung sein. Dem steht nicht entgegen - und nur darauf ist in dem Urteil des Senats vom 18. Januar 1996 (a.a.O.) aufmerksam gemacht worden -, dass die Regelbeispiele des § 4 Abs. 3 VermG auch Rückschlüsse darauf zulassen, welche Anforderungen an das Vorliegen eines der Redlichkeitsprüfung zugänglichen Rechtserwerbs gestellt werden.
b) Soweit die Kläger im Anschluss an ihre Abweichungsrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO für grundsätzlich klärungsbedürftig halten, wann - also unter welchen Voraussetzungen - aufgrund fehlenden schutzwürdigen Vertrauens ein Erwerbstatbestand im Vorfeld der Redlichkeitsprüfung zu verneinen ist, muss ihre Beschwerde ebenfalls erfolglos bleiben. Der Senat hat in dem oben erwähnten Urteil vom 31. Juli 1997 (a.a.O.) entschieden, dass ein Erwerber im Mai/Juni 1990 nicht mehr damit rechnen konnte und durfte, dass er trotz fehlender Grundstücksverkehrsgenehmigung faktisch unangreifbar wie ein Eigentümer angesehen und behandelt werden würde. In einem weiteren Urteil hat der Senat auf die Selbstverständlichkeit hingewiesen, dass Erwerbsvorgänge aus der Zeit nach dem Stichtag des 18. Oktober 1989 wegen der geänderten rechtlichen Verhältnisse eher angreifbar gewesen sein könnten, als dies bei Erwerbsgeschäften vor dem Stichtag der Fall gewesen sei (Urteil vom 16. Oktober 1997 - BVerwG 7 C 7.97 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 50). Eine über diesen Hinweis hinausgehende generalisierende Antwort auf die von den Klägern aufgeworfene Frage ist naturgemäß nicht möglich; denn es hängt von den jeweiligen Einzelumständen ab, wann der Erwerber eine nach der Rechtswirklichkeit unangreifbare Rechtsposition erlangt hatte.
c) Die von den Klägern in diesem Zusammenhang nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erhobene Verfahrensrüge greift ebenso wenig durch; denn die geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht erkennbar. Das Verwaltungsgericht hat sich mit dem Argument der Kläger, das Gesetz vom 6. März 1990 enthalte eine Bestimmung über den Zeitpunkt seines In-Kraft-Tretens im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 der mit Beschluss des Ministerrats vom 25. Juli 1980 bestätigten Ordnung über die Vorbereitung und Gestaltung von Rechtsvorschriften (GBl 1980, Sonderdruck Nr. 1056), auseinander gesetzt, indem es sich auf den Standpunkt gestellt hat, diese Regelung umfasse (nur) die ausdrückliche datumsmäßige Bezeichnung des In-Kraft-Tretens. Damit sind die Anforderungen erfüllt, die Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO zur Wahrung des rechtlichen Gehörs an das Gericht stellen; denn diese Verfahrensgarantien gebieten, das Vorgetragene zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, sie verlangen jedoch nicht, dass das Gericht den vorgebrachten Argumenten folgt.
d) Die diesen Teil der Beschwerdebegründung abschließende Grundsatzfrage der Kläger nach dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens eines Gesetzes in der DDR kann schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie kein revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO zum Gegenstand hat.
2. Die auf die Verneinung der Redlichkeit der Kläger zielenden Rügen (S. 7 f. der Beschwerdebegründung) können der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil das Urteil des Verwaltungsgerichts in erster Linie und eigenständig tragend auf den fehlenden Rechtserwerb gestützt ist und die dagegen erhobenen Rügen nicht durchgreifen. Das Urteil kann demnach auf den vermeintlichen Mängeln, die nach Auffassung der Kläger den Hilfserwägungen des Gerichts zur Redlichkeit anhaften, nicht beruhen; denn diese Hilfsbegründung kann hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändern würde.
Abgesehen davon verkennen die Kläger - worauf der Verfahrensbevollmächtigte des Beigeladenen zu Recht hinweist -, dass ein redlicher Erwerb nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG ohnehin nicht in Betracht kommt, weil der Besitzwechsel nach dem Stichtag des 18. Oktober 1989 stattgefunden hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und § 72 Nr. 1 GKG.