Beschluss vom 21.04.2004 -
BVerwG 5 B 3.04ECLI:DE:BVerwG:2004:210404B5B3.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.04.2004 - 5 B 3.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:210404B5B3.04.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 3.04

  • Niedersächsisches OVG - 23.10.2003 - AZ: OVG 12 LC 4/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. April 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t und Dr. F r a n k e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2003 wird verworfen.
  2. Der Antrag der Klägerin, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht gemäß § 67 Abs. 1 VwGO durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule eingelegt worden ist. Darauf ist in der Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Entscheidung hingewiesen worden.
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung in der Sache selbst keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO). Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 VwGO nur zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Ein solcher Zulassungsgrund ist weder dem Vortrag der Klägerin zu entnehmen noch sonst ersichtlich.
1. Die 33jährige Klägerin, allein erziehende Mutter von zwei zwölf und sechs Jahre alten Kindern, begehrt - nach einer vorausgegangenen Ausbildung zur Erzieherin - für ihr im Oktober 1999 aufgenommenes Diplomstudium der Sozialpädagogik elternunabhängige Förderung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG (fünfjährige Erwerbstätigkeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres bei Beginn des Ausbildungsabschnitts) gemäß Nr. 11.3.6 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BAföG (BAföGVwV) in Anrechnung von Kindererziehungszeiten. In den insoweit ablehnenden Bescheiden (Bescheid vom 11. April 2001, Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2002) ist ausgeführt, dass die Klägerin selbst bei Berücksichtigung der von ihr geleisteten 5 Monate "freiwilliges soziales Jahr", bei voller Anrechnung aller Erwerbstätigkeiten und der Zeiten ausschließlicher Kinderbetreuung maximal auf 57 Monate als Erwerbstätigkeit anzurechnender Zeit, aber nicht auf die notwendigen 5 Jahre komme.
Mit der Klage begehrt die Klägerin, die Förderung unter Anrechnung des Einkommens ihrer Eltern (§ 11 Abs. 2 BAföG) einschließlich Vorausleistungen nach § 36 BAföG erhalten hat, elternunabhängige Förderung in Anrechnung weiterer Erziehungszeiten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil selbst bei Anrechnung der Zeiten ausschließlicher Kindererziehung die vorausgesetzte fünfjährige Erwerbstätigkeit nicht erreicht werde, sondern nur bei anteiliger Berücksichtigung von Erziehungszeiten während des Studiums bzw. der Ausbildung zur Erzieherin, wofür es keine Grundlage gebe. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, (1.) die verschiedenen Erwerbstätigkeiten der Klägerin seien bloße Gelegenheitsarbeiten gewesen, denen kein existenzsichernder Charakter zukomme; (2.) Ausbildungszeiten könnten nicht als Erwerbstätigkeit angerechnet werden, auch wenn der Auszubildende sich in dieser Zeit selbst habe unterhalten können; (3.) die von der Klägerin geleisteten fünf Monate "freiwilliges soziales Jahr" könnten nicht angerechnet werden, weil das Gesetz eine Verpflichtung zur Leistung von mindestens sechs Monaten voraussetze; (4.) auch die Kindererziehungszeiten könnten bei der allein erziehenden Klägerin nicht gemäß Nr. 11.3.6 BAföGVwV angerechnet werden, weil sie in dieser Zeit keine elternunabhängige Stellung erlangt habe und nicht - wie § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 BAföG für eine elternunabhängige Ausbildungsförderung voraussetze - in der Lage gewesen sei, sich aus dem Ertrag der Erwerbstätigkeit selbst zu unterhalten bzw. keine gleichartige wirtschaftliche Unabhängigkeit vorgelegen habe, da sie während der in Rede stehenden Zeiten weiterhin von den Eltern unterstützt worden sei. Jedenfalls während der Zeiten ihrer Ausbildungen habe sie über kein wesentliches eigenes Einkommen verfügt und sei in wirtschaftlicher Hinsicht auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen gewesen; eine Anrechnung ihrer Erziehungszeiten als Zeiten der Erwerbstätigkeit sei daher nicht möglich. Schließlich stehe (5.) einer Anrechnung der Kindererziehungszeiten der Klägerin während ihres Studiums auch der Grundsatz entgegen, dass sich Erwerbstätigkeit und Ausbildung grundsätzlich ausschlössen.
2. Mit der Beschwerde macht die Klägerin in Wesentlichen geltend, auch die von ihr während ihrer Ausbildung geleisteten Erziehungszeiten (Vormittags Studium, Nachmittags Mutter) müssten für die elternunabhängige Förderung anerkannt werden; sie dürfe nicht gegenüber Frauen, die in einer Partnerschaft mit einem Verdiener lebten, benachteiligt werden und sei auch nicht wesentlich von ihren Eltern unterstützt worden, sondern habe zumeist von Sozialhilfe und Erziehungsgeld gelebt.
3. Eine Beschwerde hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg und rechtfertigt daher nicht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Einem Anspruch der Klägerin auf Gewährung elternunabhängiger Ausbildungsförderung steht entgegen, dass sie nach den für das Bundesverwaltungsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, die nicht mit Verfahrensrügen angegriffen werden, während ihrer vorausgegangenen Ausbildungszeiten, in denen sie gleichzeitig ihre Kinder erzogen hat, auf die Unterstützung ihrer Eltern in wirtschaftlicher Hinsicht angewiesen war (S. 21 f. des Urteils). Auch bei einer - vom Oberverwaltungsgericht für rechtlich nicht möglich gehaltenen, vom Beklagten nach den für ihn verbindlichen Verwaltungsvorschriften aber rechnerisch durchgeführten - Anrechnung ihrer Erwerbszeiten, der fünf Monate "freiwilliges soziales Jahr" und bei vollständiger Berücksichtigung der Erziehungszeiten käme sie ausweislich der Feststellungen im Widerspruchsbescheid maximal auf 57 Monate Erwerbstätigkeit. Auf die für die Klägerin ungünstige Bewertung der 5 Monate "freiwilliges soziales Jahr", ihrer verschiedenen Erwerbstätigkeiten und der Zeiten ausschließlicher Kindererziehung durch das Oberverwaltungsgericht käme es daher entscheidungserheblich nur an, wenn ihr zusätzlich noch die neben der Ausbildung laufende häusliche Erziehungstätigkeit als Erwerbstätigkeit angerechnet würde. Dies ginge über die Verwaltungsvorschriften noch hinaus und wäre - ohne dass dies der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfte - nicht mehr durch das Gesetz gedeckt. Einer elternunabhängigen Förderung auf der Grundlage einer Anrechnung der von der Klägerin neben ihrem Studium bzw. dem einjährigen vergüteten Berufspraktikum geleisteten häuslichen Kinderbetreuung steht insbesondere entgegen, dass die Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanz in dieser Zeit wirtschaftlich auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen war (S. 22 des Urteils) und somit nicht im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 2 BAföG in der Lage war, sich selbst zu unterhalten. Zwar hat der Gesetzgeber bestimmt, dass Sozialhilfe "elternunabhängig" gewährt wird, wenn eine Hilfesuchende ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines 6. Lebensjahres betreut (§ 11 Abs. 1 Satz 3, § 28 Abs. 1 Satz 2, § 91 Abs. 1 Satz 3 BSHG). Eine solche elternunabhängige Sozialhilfegewährung macht aber aus der Betreuung des Kindes keine Erwerbstätigkeit, die die betreuende Mutter - wie es § 11 Abs. 3 Satz 2 BAföG voraussetzt - in die Lage setzte, "sich aus deren Ertrag selbst zu unterhalten".
Auch bei grundrechtsbezogener Betrachtung lässt sich aus der besonderen Situation der Klägerin als allein erziehender Mutter, die bei allen Schwierigkeiten immer bestrebt war, sowohl den Anforderungen ihrer Ausbildung als auch der Kindererziehung zu genügen und dabei eine finanzielle Abhängigkeit von den Eltern nach Möglichkeit zu vermeiden, nicht herleiten, dass eine weitergehende elternunabhängige Förderung etwa unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) oder der Grundrechte aus Art. 6 GG, namentlich des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG, geboten wäre. Die Klägerin wird als allein erziehende Mutter bei der Förderung ihrer Ausbildung nicht in verfassungswidriger Weise gegenüber verheirateten Frauen oder Personen benachteiligt, die sich ohne wirtschaftliche Sorgen ganz der Kindererziehung widmen können (vgl. zu derartigen Fällen etwa BVerfG, 1. Senat 2. Kammer, Beschluss vom 26. November 1999 - 1 BvR 653/99 - <FamRZ 2000, 476>, und 3. Kammer, Beschluss vom 11. Juni 2003 - 1 BvR 1573/02 - <juris>), denn sie kann auch bei der von ihr als diskriminierend angesehenen elternabhängigen Förderung (einschließlich der ihr bewilligten Vorausleistungen) unzumutbare Benachteiligungen bei der Ausbildung vermeiden (vgl. S. 22 des Urteils). Dass die staatliche Schutzpflicht aus Art. 6 Abs. 1 GG, die sowohl gegenüber der Ehe wie auch der Familie besteht, es von Verfassungs wegen gebieten könnte, allein erziehende studierende Mütter gerade durch einen stärkeren gesetzlichen Ausbau der elternunabhängigen Förderung zu unterstützen, vermag der Senat nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO.