Beschluss vom 20.12.2005 -
BVerwG 5 B 100.05ECLI:DE:BVerwG:2005:201205B5B100.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.12.2005 - 5 B 100.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:201205B5B100.05.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 100.05

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 13.10.2005 - AZ: OVG 2 LB 28/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Dezember 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. F r a n k e und Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt ... beizuordnen, wird abgelehnt.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1 Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen des allein geltend gemachten Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 VwGO) zuzulassen; die von der Beschwerde gerügte Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO ist schon nicht hinreichend darlegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) und liegt jedenfalls in der Sache nicht vor.

2 Die Beschwerde macht geltend, das Berufungsgericht habe dadurch gegen seine Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, verstoßen, dass es zu der Frage, ob der Kläger mit einer anderen Person in einer Haushaltsgemeinschaft lebe, dem hierzu angebotenen Zeugenbeweis nicht nachgegangen sei, obwohl das angebotene Beweismittel zulässig, geeignet und beweistauglich gewesen sei. Der Kläger hat indes ausweislich der Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 13. Oktober 2005, deren Richtigkeit der Kläger nicht in Abrede stellt, in der mündlichen Verhandlung das lediglich in dem Schriftsatz vom 20. Mai 2005 bezeichnete Beweisangebot nicht wieder aufgegriffen und keinen Beweisantrag gestellt. Wer, wie der Kläger, die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht erhebt, obwohl er - anwaltlich vertreten - in der Vorinstanz keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO), muss, um den gerügten Verfahrensmangel prozessordnungsgemäß zu bezeichnen, substantiiert darlegen, warum sich dem Tatsachengericht aus seiner für den Umfang der verfahrensrechtlichen Sachaufklärung maßgebenden materiellrechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung in der aufgezeichneten Richtung hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. März 1978 - BVerwG 6 B 24.78 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 164 S. 43 f., vom 1. April 1997 - BVerwG 4 B 206.96 - NVwZ 1997, 890, 893, vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328, vom 17. September 2001 - BVerwG 9 B 59.01 - <juris> sowie vom 13. März 2003 - BVerwG 5 B 267.02 - <juris>); die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Prozessbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen von förmlichen Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265; Beschluss vom 10. Oktober 2001 - BVerwG 9 BN 2.01 - NVwZ-RR 2002, 140).

3 Der Kläger hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen sich dem Berufungsgericht eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Der zutreffende Hinweis darauf, dass ein Gericht nicht an die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen gebunden sei - dies schließt eine Verwertung der bei einem Hausbesuch gewonnenen Erkenntnisse nicht aus -, genügt dem ebenso wenig wie das Vorbringen, im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht hätte "das Oberverwaltungsgericht alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Möglichkeiten einer Aufklärung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts auszuschöpfen". Das Berufungsgericht, das den angebotenen Zeugen nicht vorbereitend zur mündlichen Verhandlung geladen hatte, musste den Kläger auch nicht darauf hinweisen, dass es aufgrund der bei einem Hausbesuch im Januar 2003 vorgefundenen Verhältnisse auch für den streitbefangenen Zeitraum eine - bereits von dem Verwaltungsgericht bejahte - Haushaltsgemeinschaft annehmen und weiteren Beweis nicht erheben werde. Dies wäre nur erforderlich gewesen, wenn dies zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung, die der Kläger zu Recht selbst nicht geltend macht, angezeigt gewesen wäre; ohne einen solchen Anlass, der hier nicht ersichtlich war, war das Gericht nicht verpflichtet, zur Wahrung des rechtlichen Gehörs seine Einschätzung des Beweisergebnisses den Beteiligten vorab mitzuteilen (BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1999 - BVerwG 9 B 797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4; Beschluss vom 16. Juni 2003 - BVerwG 7 B 106.02 - NVwZ 2003, 1132).

4 Der geltend gemachte Sachaufklärungsmangel liegt auch in der Sache nicht vor; nach den von diesem in freier Beweiswürdigung verwertbaren Erkenntnissen des Beklagten zu der Gestaltung des Zusammenlebens zwischen dem Kläger und Herrn P. musste sich dem Berufungsgericht auch in Ansehnung der getroffenen Vereinbarung und des Umstandes, dass der Kläger unter Beweisangebot das Bestehen einer für die Bildung eines Mischregelsatzes erheblichen Haushaltsgemeinschaft ungeachtet der hälftigen Teilung sämtlicher Kosten gemeinsamer Einrichtungen bestritten hatte, die Notwendigkeit einer (weiteren) Aufklärung des Sachverhalts nicht aufdrängen.

5 Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den vorstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.