Verfahrensinformation

Ein Ausländer, der seit acht Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt rechtmäßig im Inland hat, ist unter weiteren in § 10 des Staatsangehörigkeitsgesetzes genannten Voraussetzungen auf Antrag einzubürgern. Der Einbürgerungsanspruch besteht nicht bei Fehlen deutscher Sprachkenntnisse. Das Berufungsgericht hat die Revision wegen der Frage zugelassen, inwieweit auch schriftliche Sprachkenntnisse erforderlich sind.


Pressemitteilung Nr. 52/2005 vom 20.10.2005

Deutschkenntnisse von Einbürgerungsbewerbern

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat über die Einbürgerungsbegehren zweier seit 20 bzw. 27 Jahren in Deutschland lebender und arbeitender Ausländer entschieden, deren Klagen in der Vorinstanz allein am Fehlen hinreichender deutscher Sprachkenntnisse gescheitert waren. Das Staatsangehörigkeitsgesetz macht die Anspruchseinbürgerung u.a. von "ausreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache" abhängig. Beide Kläger können zwar Deutsch sprechen, der eine kann aber weder lesen noch schreiben und der andere kann Deutsch zwar lesen, aber nicht selbst schreiben. Ihr Anspruch auf Einbürgerung hängt davon ab, ob und in welchem Umfang Kenntnisse auch der deutschen Schriftsprache vorliegen müssen.


Das Bundesverwaltungsgericht bekräftigt, dass eine Integration in die deutschen Lebensverhältnisse Sprachkenntnisse voraussetzt. Im Hinblick darauf, dass das Staatsangehörigkeitsgesetz - anders als z.B. das Bundesvertriebenengesetz für die Spätaussiedlereigenschaft - nicht die Fähigkeit zu einem "einfachen Gespräch auf Deutsch" genügen lässt, verlangt es für die Anspruchseinbürgerung neben mündlichen grundsätzlich auch gewisse Kenntnisse der deutschen Schriftsprache. Es reicht aber aus, wenn der Ausländer im familiär-persönlichen und im geschäftlichen Umfeld sowie im Umgang mit Behörden und Ämtern schriftlich verkehren kann. Der Einbürgerungsbewerber muss sich hierfür jedoch nicht eigenhändig schriftlich ausdrücken können. Wenn ein Einbürgerungsbewerber nicht selbst deutsch schreiben kann, reicht es aus, wenn er einen deutschsprachigen Text des täglichen Lebens lesen und deutsch diktieren sowie das von Dritten oder mit technischen Hilfsmitteln Geschriebene auf seine Richtigkeit überprüfen kann und somit die schriftliche Äußerung als seine "trägt".


Diese Voraussetzungen hat das Bundesverwaltungsgericht in einem der beiden Fälle bejaht. In dem Fall des Analphabeten blieb das Klagebegehren nach diesen Maßstäben erfolglos. Nicht zu entscheiden war in diesem Fall, unter welchen Voraussetzungen eine Einbürgerungsbehörde bei einer Ermessenseinbürgerung von Kenntnissen der deutschen Schriftsprache absehen darf oder muss; die hierfür zuständige Behörde war nicht am Verfahren beteiligt.


BVerwG 5 C 8.05 - Urteil vom 20.10.2005

BVerwG 5 C 17.05 - Urteil vom 20.10.2005


Urteil vom 20.10.2005 -
BVerwG 5 C 8.05ECLI:DE:BVerwG:2005:201005U5C8.05.0

Leitsätze:

1. Für eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG "ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" i.S.d. § 11 StAG erfordern neben mündlichen grundsätzlich auch gewisse schriftliche Kenntnisse der deutschen Sprache.

2. Der Einbürgerungsbewerber muss sich nicht eigenhändig schriftlich ausdrücken können.

3. Ein Einbürgerungsbewerber, der selbst nicht deutsch schreiben kann, muss deutschsprachige Texte des täglichen Lebens lesen und diktieren sowie das von Dritten mit technischen Hilfsmitteln Geschriebene auf seine Richtigkeit überprüfen und so die schriftliche Äußerung als seine "tragen" können.

Urteil

BVerwG 5 C 8.05

  • VGH Mannheim - 12.01.2005 - AZ: VGH 13 S 2549/03 -
  • VGH Baden-Württemberg - 12.01.2005 - AZ: VGH 13 S 2549/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t , Dr. R o t h k e g e l , Dr. F r a n k e und Prof. Dr. B e r l i t
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 12. Januar 2005 wird aufgehoben, soweit der Berufung der Beklagten stattgegeben worden ist. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2003 wird auch insoweit zurückgewiesen.
  2. Die Anschlussrevision der Beklagten wird zurückgewiesen.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

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