Verfahrensinformation

Der Kläger begehrt die Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung. Er war im Jahre 2004 als Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nachdem das Asylverfahren und ein Folgeverfahren ohne Erfolg geblieben waren, reiste er im Oktober 2007 nach Indien aus. Dort heiratete er eine deutsche Staatsangehörige, die zuvor (1997 bis Mai 2007) mit seinem leiblichen Vater verheiratet war; dieser war 1994 in das Bundesgebiet eingereist.


Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht haben die Verweigerung des Visums bestätigt, weil eine Ehe zwischen Stiefsohn und Stiefmutter zwar nach deutschem Recht erlaubt, nach indischem Recht jedoch verboten sei und daher keine wirksame Eheschließung vorläge. Das in Indien bestehende Eheverbot sei nicht offensichtlich mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar und daher beachtlich; auch in der Bundesrepublik Deutschland sei das Verbot einer Ehe zwischen Verschwägerten in gerader Linie erst 1998 aufgehoben worden. Das Bundesverwaltungsgericht wird zu klären haben, ob in diesem Fall einer ‚hinkenden’, d.h. in den Herkunftsstaaten der Verlobten rechtlich unterschiedlich beurteilten Ehe das ausländische Ehehindernis einem Ehegattennachzug entgegensteht.


 


Pressemitteilung Nr. 74/2012 vom 19.07.2012

Ausländische Ehehindernisse können einem Ehegattennachzug entgegenstehen

Ein allein nach ausländischem Recht bestehendes Ehehindernis (hier: Verbot der Ehe zwischen Stiefsohn und Stiefmutter) kann nach deutschem Recht beachtlich sein und einer Familienzusammenführung in Deutschland entgegenstehen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Der Kläger, ein indischer Staatsangehöriger, möchte ein Visum für die Einreise nach Deutschland zur Familienzusammenführung erhalten. Er hat Anfang 2008 in Indien eine Deutsche mit ständigem Wohnsitz in Deutschland geheiratet, die 1997 in Dänemark eine im Mai 2007 wieder geschiedene Ehe mit seinem Vater eingegangen war. Bei dieser Ehe hatte es sich allerdings um eine nach indischem und deutschem Recht verbotene Doppelehe gehandelt, da der Vater des Klägers zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits in Indien mit der Mutter des Klägers verheiratet war. Die zuständige Botschaft in Neu-Delhi lehnte die Erteilung des Visums ab, weil die Ehe des Klägers mit seiner Stiefmutter nach indischem Recht ungültig sei. Dieses Ehehindernis sei auch in Deutschland zu beachten, obwohl nach deutschem Recht das Verbot einer Ehe zwischen Verschwägerten in gerader Linie 1998 aufgehoben worden ist. Die Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht erfolglos.


Der 10. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung und erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Der Kläger kann nur Anspruch auf das Visum haben, wenn seine in Indien geschlossene Ehe in Deutschland als wirksam angesehen wird. Dies scheitert nach den Regeln des Internationalen Privatrechts hier an dem in Indien bestehenden Verbot einer Eheschließung zwischen Stiefsohn und Stiefmutter. Der nach der Kollisionsregel des Art. 13 Abs. 1 EGBGB gebotene Respekt vor ausländischen Rechtsordnungen setzt sich bei diesem Ehehindernis durch. Mit der verfassungsrechtlich gewährleisteten Eheschließungsfreiheit ist diese Einschränkung nicht unvereinbar; ein gleichartiges Ehehindernis galt bis 1998 auch in Deutschland und wurde seinerzeit nicht aus zwingenden verfassungsrechtlichen, sondern vorrangig aus pragmatischen Gründen abgeschafft.


Das Berufungsgericht wird allerdings aufzuklären haben, ob die deutsche Staatsangehörige, die der Kläger in Indien geheiratet hat, tatsächlich seine Stiefmutter gewesen ist. Dies hängt davon ab, ob ihre geschiedene Ehe mit dem Vater des Klägers - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - nach deutschem oder nach indischem Recht beurteilt werden muss. Bei Heranziehung indischen Rechts wäre es denkbar, dass diese Vorehe als von vornherein nichtig anzusehen wäre mit der Folge, dass der Kläger niemals der Stiefsohn seiner Ehefrau geworden ist. Bei der Auslegung des indischen Rechts und der Ermittlung der dortigen Rechtspraxis, die grundsätzlich Sache des Tatsachengerichts ist, ist das Oberverwaltungsgericht indes von einer zu schmalen Tatsachengrundlage ausgegangen. In dem weiteren Verfahren wird ggf. auch zu entscheiden sein, ob die Ehe des Klägers mit der deutschen Staatsangehörigen eine ausländerrechtliche Zweckehe („Scheinehe“) darstellt; dies würde der Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung ebenfalls entgegenstehen.


BVerwG 10 C 2.12 - Urteil vom 19. Juli 2012

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 2 B 17.09 - Urteil vom 13. Januar 2011 -

VG Berlin, VG 16 V 57.08 - Urteil vom 23. April 2009 -


Beschluss vom 20.08.2009 -
BVerwG 2 B 17.09ECLI:DE:BVerwG:2009:200809B2B17.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.08.2009 - 2 B 17.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:200809B2B17.09.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 17.09

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 29.10.2008 - AZ: OVG 21 A 2885/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. August 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 29. Oktober 2008 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

1 Die Beschwerde ist begründet. Es ist grundsätzlich klärungsbedürftig im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, ob die Besitzstandszulage nach § 11 TVÜ-Bund dem Familienzuschlag nach §§ 39, 40 BBesG entspricht. Bejahendenfalls stellt sich die weitere grundsätzlich klärungsbedürftige Frage, welche Auswirkungen ein Fortfall der Berechtigung auf die Besitzstandszulage im Rahmen des § 40 Abs. 5 BBesG hat.

2 In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass der gemäß § 29 BAT gezahlte Ortszuschlag dem Familienzuschlag nach §§ 39, 40 BBesG entspricht (Urteile vom 1. September 2005 - BVerwG 2 C 24.04 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 33 und vom 19. Februar 2009 - BVerwG 2 C 107.07 - NVwZ-RR 2009, 607). Der TVöD enthält keine Regelungen zu kinderbezogenen Entgeltbestandteilen. Nach den Überleitungsvorschriften zum TVöD werden Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes für im September 2005 zu berücksichtigende Kinder die kinderbezogenen Entgeltbestandteile nach BAT weitergezahlt; die Besitzstandszulage nimmt an der allgemeinen Gehaltsentwicklung teil.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 43.09 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt einschließlich Diplomjuristen im höheren Verwaltungsdienst oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt einschließlich Diplomjuristen im höheren Verwaltungsdienst anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.