Beschluss vom 20.08.2008 -
BVerwG 10 B 6.08ECLI:DE:BVerwG:2008:200808B10B6.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.08.2008 - 10 B 6.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:200808B10B6.08.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 6.08

  • Niedersächsisches OVG - 14.11.2007 - AZ: OVG 11 LB 325/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. August 2008
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Richter
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Der Antrag der Beigeladenen, ihnen Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. November 2007 wird zurückgewiesen.
  3. Die Beigeladenen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Der Antrag der Beigeladenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 und § 121 Abs. 1 ZPO).

2 Die Beschwerde, die sich auf die Revisionszulassungsgründe eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) stützt, hat keinen Erfolg.

3 Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe den Anspruch der Beigeladenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Gericht habe sich nicht hinreichend mit dem Vorbringen der Beigeladenen aus-einandergesetzt, dass es kein Verbot für Yeziden in der Türkei gebe, im Beisein von Angehörigen anderer Religionen - und damit öffentlich - zu beten oder religiöse Riten zu vollziehen, und dass die yezidische Religion nicht a priori eine Geheimreligion sei. Die Beigeladenen hätten sich im Berufungsverfahren auf ein entsprechendes Erkenntnismittel bezogen. Das Berufungsgericht habe dieses Vorbringen übergangen und es verfahrensfehlerhaft unterlassen, hierzu ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Abgesehen davon, ob bzw. inwieweit dieser Vorwurf zutrifft, macht die Beschwerde nicht ersichtlich, dass die Berufungsentscheidung auf dem behaupteten Gehörsverstoß beruhen kann. Die Beschwerde führt selbst aus, die yezidische Religion werde „meist im Verborgenen“ ausgeübt. Es sei bis heute nicht möglich, die yezidische Identität in der Öffentlichkeit auszuleben. Die yezidische Kultur und Religion sei „in die Verborgenheit verbannt worden“. Yeziden hätten keine andere Wahl gehabt, wenn sie überleben wollten. Die yezidische Religion gebe allerdings keine Geheimhaltung ihres Bekenntnisses oder ihrer Ausübung vor, die Geheimhaltung sei vielmehr eine Folge der Unterdrückung. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, inwiefern die Berufungsentscheidung auf einer Gehörsverletzung beruhen soll, wenn dort von einer „Geheimreligion“ die Rede ist. Das Berufungsgericht hat im Übrigen nicht davon gesprochen, dass die yezidische Religion „a priori“ eine Geheimreligion sei, sondern davon, dass es sich bei der yezidischen Religion „im Wesentlichen“ um eine Art Geheimreligion handele (BA S. 6). Das Berufungsgericht hat ferner nicht angenommen, dass es bei den Yeziden generell keine öffentliche Religionsausübung gebe. Es hat ausgeführt, öffentliche Gebete fänden im Freien und nur in Anwesenheit anderer Yeziden statt; dies geschehe bei Sonnenaufgang, während bestimmter Festperioden, aber auch zu anderen Tageszeiten. Glaubensinhalte, Kulthandlungen und Festriten hielten Yeziden vor Andersgläubigen „möglichst“ geheim. Sie schlössen sich als Glaubensgemeinschaft bewusst gegen Andersgläubige ab. Die religiösen Rituale der Yeziden dürften nicht vor den Augen Ungläubiger praktiziert werden (Urteil des Berufungsgerichts vom 17. Juli 2007 - 11 LB 324/03 - UA S. 46; auf dieses Urteil wird in der Berufungsentscheidung Bezug genommen). Angesichts des Vorbringens der Beigeladenen einerseits und der Ausführungen in der Berufungsentscheidung andererseits legt die Beschwerde nicht hinreichend substantiiert dar, dass die Ablehnung des Berufungsgerichts, ein weiteres Sachverständigengutachten zur Frage der öffentlichen Religionsausübung der Yeziden einzuholen, ermessensfehlerhaft gewesen ist.

4 Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob die yezidische Religion von ihrem Wesen her eine ‚Geheimreligion’ ist und es daher bei den Yeziden gerade nicht um eine Glaubensausübung im öffentlichen Bereich geht oder ob die yezidische Religion eine Geheimhaltung des Bekenntnisses oder der Ausübung gerade nicht vorgibt und Yeziden vielmehr gezwungen waren, ihre Religion im Geheimen zu praktizieren, um zu überleben und ein Ausleben der Identität in der Öffentlichkeit bis heute nicht möglich ist“. Von allem anderen abgesehen, wird damit - wie dies für eine Grundsatzrüge erforderlich ist - keine Frage des revisiblen Rechts bezeichnet.

5 Die Beschwerde hält ferner die Frage für grundsätzlich bedeutsam, „ob eine asylerhebliche Verletzung der Religionsausübung von Yeziden im Südosten der Türkei darin liegt, dass dort nur noch wenige Scheikhs bzw. Pirs leben“. Damit wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, die der Klärung in einem Revisionsverfahren zugänglich ist .Die aufgeworfene Frage zielt vielmehr vorrangig auf die Klärung tatsächlicher Fragen (Folgen einer nur geringen Zahl von yezidischen Scheikhs oder Pirs im Südosten der Türkei), die den Tatsachengerichten vorbehalten ist.

6 Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.