Beschluss vom 20.08.2003 -
BVerwG 8 B 112.03ECLI:DE:BVerwG:2003:200803B8B112.03.0

Beschluss

BVerwG 8 B 112.03

  • VG Weimar - 16.01.2003 - AZ: VG 8 K 614/99.WE

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. August 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M ü l l e r ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht G o l z e und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von H e i m b u r g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 16. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Weder kommt der Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu, noch beruht das Urteil auf einer Divergenz zu der von der Beschwerde angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Auch der geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
1. Die Beschwerde bezeichnet als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage,
ob eine pro forma durchgeführte aber offensichtlich unwirksame privatrechtliche Veräußerung unter zielgerichteter staatlicher Lenkung dem Enteignungsbegriff unterfällt.
Diese Frage lässt sich anhand der gesetzlichen Regelung des § 1 VermG und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verneinen, ohne dass es dazu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt der Enteignungsbegriff des Vermögensgesetzes, wie er insbesondere den Vorschriften des § 1 Abs. 1 Buchst. a und b VermG zugrunde liegt, zwar keine bestimmte Form der Enteignung voraus. Eine Enteignung ist vielmehr immer dann gegeben, wenn der frühere Eigentümer durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden ist; der Enteignungsbegriff des Vermögensgesetzes ist demnach in einem faktischen Sinne zu verstehen (stRspr; Urteil vom 6. Dezember 1996 - BVerwG 7 C 9.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 96 S. 294; vgl. aus neuerer Zeit auch Urteil vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 8 C 23.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 15 S. 38 <40 f.> m.w.N.). In jedem Fall aber setzt eine Enteignung eine einseitige hoheitliche Maßnahme voraus. Eine rechtsgeschäftliche Veräußerung erfüllt dagegen den Begriff der Enteignung nicht. Dies gilt auch dann, wenn - wie von der Fragestellung vorausgesetzt wird - die rechtsgeschäftliche Veräußerung nur "pro forma" (gemeint ist: rechtsunwirksam) erfolgt ist und zwar aufgrund manipulativer Maßnahmen staatlicher Stellen. Auch dies führt zunächst nicht zur Annahme einer Enteignung im Sinne des Gesetzes, sondern könnte nur den Tatbestand des § 1 Abs. 3 VermG erfüllen, der im Unterschied zu § 1 Abs. 1 Buchst. a und b VermG keine Enteignung voraussetzt. Diese Systematik des Vermögensgesetzes macht es auch entbehrlich, den Begriff der Enteignung in dem von der Beschwerde gewünschten Sinne weit auszulegen.
2. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts weicht auch nicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. September 2001 - BVerwG 7 C 4.01 - (Buchholz 428 § 4 Abs. 1 VermG Nr. 7) ab. Abgesehen davon, dass die Beschwerde keine voneinander abweichenden abstrakten Rechtssätze aufzeigt (vgl. zu diesem Erfordernis Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11> m.w.N.), hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil nicht festgestellt, dass die streitigen Grundstücke bzw. die Erbanteile des Rechtsvorgängers des Klägers unter staatlicher Verwaltung standen. Auch die Beschwerde führt lediglich aus, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine staatliche Verwaltung vorgelegen hätten. Dass eine solche Verwaltung tatsächlich ausgeübt wurde, wird dagegen von der Beschwerde nicht dargetan. Schon deswegen liegt ein mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. September 2001 (a.a.O.) vergleichbarer Fall nicht vor. Die Veräußerung der Erbanteile ist hier gerade nicht durch einen staatlichen Verwalter erfolgt, auch wenn die Beschwerde meint, dass dies unter Beachtung der Rechtsvorschriften der DDR hätte so sein müssen. Tatsächlich ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Veräußerung der Erbanteile durch eine Privatperson unter Bezugnahme auf eine vom Rechtsvorgänger des Klägers erteilte private Vollmacht vorgenommen worden.
3. Schließlich beruht das angefochtene Urteil entgegen der Ansicht der Beschwerde auch nicht auf einem Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verpflichtet zwar der Anspruch der Prozessbeteiligten auf rechtliches Gehör das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch in Erwägung zu ziehen. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör liegt deswegen dann vor, wenn das Urteil zu einem zentralen rechtlichen Gesichtspunkt im Vortrag eines Beteiligten keine Auseinandersetzung in den Entscheidungsgründen enthält und auch keinen Hinweis darauf, weshalb dieses Argument nach Ansicht des Gerichts nicht entscheidungserheblich ist (vgl. Urteil vom 31. Juli 2002 - BVerwG 8 C 37.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 35 S. 102 <109> m.w.N.). Diese Voraussetzung ist hier aber nicht gegeben. Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sind insoweit zwar recht knapp, ihnen lässt sich aber gerade noch hinreichend deutlich entnehmen, dass es nach der Ansicht des Verwaltungsgerichts auf die vom Kläger vorgetragenen Rechtsmängel bei dem Veräußerungsgeschäft nicht entscheidungserheblich ankam. Hinsichtlich der Tatbestände des § 1 Abs. 1 Buchst. a und b VermG folgt dies bereits aus der Ansicht des Verwaltungsgerichts, nur einseitige hoheitliche Maßnahmen seien als Enteignung im Sinne der Vorschriften anzusehen. Zum Tatbestand des § 1 Abs. 3 VermG führt das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Grundstücke "Unterm Hungerbach" und "Am Geströtiggraben" aus, die Veräußerung sei durch die vorgelegten notariellen Urkunden des Rechtsvorgängers des Klägers gedeckt gewesen. Hinsichtlich der übrigen streitbefangenen Grundstücke hat das Verwaltungsgericht die Ansicht vertreten, es läge insoweit zwar keine rechtsgeschäftliche Vollmacht vor, es habe aber eine Enteignung nach § 14 des Aufbaugesetzes der DDR gedroht, so dass auch dieses Veräußerungsgeschäft keine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG darstelle. Ob diese Ausführungen in jeder Beziehung überzeugen können, kann dahinstehen. Jedenfalls liegt darin kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör in dem dargelegten Sinne. Die Ausführungen der Beschwerde zum quantitativen Umfang einzelner Teile des schriftlichen Urteils liegen ersichtlich neben der Sache.
Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf den §§ 13, 14 GKG.