Beschluss vom 20.02.2007 -
BVerwG 1 B 15.07ECLI:DE:BVerwG:2007:200207B1B15.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.02.2007 - 1 B 15.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:200207B1B15.07.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 15.07

  • Bayerischer VGH München - 15.11.2006 - AZ: VGH 24 B 06.1700

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Februar 2007
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Prof. Dr. Dörig
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2006 wird verworfen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil seine Beschwerde - wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).

2 Die Beschwerde ist unzulässig. Sie legt die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und eines Verstoßes gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dar.

3 1. Die Beschwerde wendet sich mit der erhobenen Grundsatzrüge gegen Pflichten, die das Berufungsgericht dem Kläger bei der Ausräumung von Ausreisehindernissen nach § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG auferlegt hat. Das Gericht sei davon ausgegangen, dass der Kläger das Ausreisehindernis verschuldet habe, weil er keine genügenden Anstrengungen unternommen habe, um an für die Beschaffung von Heimreisepapieren erforderliche Unterlagen zu gelangen; insbesondere solle der Kläger es versäumt haben, aus Pakistan Papiere zur Klärung seiner Identität zu besorgen. Entsprechende Anstrengungen zur Besorgung von Identitätsnachweisen seien jedoch nicht geeignet, zur Erteilung von Heimreisedokumenten beizutragen, weil die pakistanischen Behörden auch bei Klärung der Identität keine Heimreisepapiere ausstellten. Die Beschwerde hält daher die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob im Rahmen der Initiativpflicht des Ausländers bei der Beschaffung von Identifikations- und Heimreisepapieren solche Handlungen vom Ausländer verlangt werden können, die nachweislich nicht zum Erfolg führen“ (Beschwerdebegründung S. 3).

4 Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass die aufgeworfene Frage einer rechtsgrundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Denn der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 15. Juni 2006, der das frühere, zwischen den Beteiligten durchgeführte Beschwerdeverfahren abschloss und der sich gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts vom 23. März 2006 richtete, ausgeführt, dass über die Frage der zumutbaren Anforderungen gemäß § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände und Besonderheiten des Einzelfalles zu entscheiden ist. Diese Frage entziehe sich daher einer abstrakt-generellen Klärung in einem Revisionsverfahren. Allerdings dürften dem Ausländer von vornherein erkennbar aussichtslose Handlungen nicht abverlangt werden (BVerwG 1 B 54.06 - juris, Rn. 4). Die vorliegende Rüge, die entsprechend behauptet, dass von vornherein erfolglose Handlungen verlangt würden, zeigt nicht auf, inwiefern gegenüber der im Beschluss vom 15. Juni 2006 getroffenen Aussage ein erneuter oder weitergehender Klärungsbedarf besteht.

5 2. Die Beschwerde legt auch die geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht schlüssig dar. Sie beanstandet, dass das Berufungsurteil die Pflicht des Klägers zur Ausräumung von Ausreisehindernissen durch Klärung seiner Identität, auch auf die Beschaffung weiterer „Erkenntnismöglichkeiten“ erstreckt habe wie schriftliche Aussagen und Papiere dritter Personen, die Geburtsurkunden oder Heiratsurkunde seiner Eltern, schulische Papiere seiner Kinder und Ausweise oder Dokumente seiner Geschwister (UA S. 24). Dieses Verlangen hätte in der mündlichen Verhandlung erläutert werden müssen. Es sei für den Kläger überraschend, dass ihm entsprechende Beschaffungspflichten erstmals im Urteil entgegen gehalten würden. Dass er hierzu nicht in der mündlichen Verhandlung habe Stellung nehmen können, verletze sein rechtliches Gehör (Beschwerdebegründung S. 1 f., insbes. S. 2 unten).

6 Mit diesem Vorbringen wird eine Verletzung des rechtlichen Gehörs infolge einer Überraschungsentscheidung nicht aufgezeigt. Die Beschwerde verkennt, dass das Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die ihm obliegende abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 21. Januar 2000 - BVerwG 9 B 614.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 46 und vom 26. November 2001 - BVerwG 1 B 347.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52). Etwas anderes gilt zwar dann, wenn das Urteil sich ohne einen vorherigen gerichtlichen Hinweis als unzulässige Überraschungsentscheidung darstellen würde, weil das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 11. Mai 1999 - BVerwG 9 B 1076.98 - juris m.w.N.). Dass derartige Umstände hier vorliegen, lässt sich der Beschwerde indes nicht entnehmen. Hierzu hätte es eines eingehenden Vorbringens auch deshalb bedurft, weil schon das dem angefochtenen Urteil vorausgehende Urteil des Berufungsgerichts vom 23. März 2006 vom Kläger verlangte, die „Vielzahl von Möglichkeiten“ zur Identitätsklärung zu nutzen, die sich ihm mit Hilfe der „vielen Bezugspersonen“ böten, zu denen er in seiner Heimatstadt Kontakt habe. Auch in diesem Zusammenhang beschränkte sich das Berufungsgericht nicht auf Identitätsdokumente betreffend den Kläger selbst, sondern nannte beispielhaft auch die Geburtsurkunden seiner Kinder, also Dokumente von Drittpersonen (Urteil vom 23. März 2006, UA S. 19).

7 Im Übrigen lässt die Beschwerde auch die erforderliche Darlegung vermissen, was der Kläger bei Erteilung des vermissten Hinweises noch vorgebracht hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. hierzu Beschluss vom 28. Januar 2003 - BVerwG 4 B 4.03 - juris Rn. 4; Beschluss vom 22. April 1999 - BVerwG 9 B 188.99 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 44).

8 Die Beschwerde legt ferner eine Gehörsverletzung auch nicht schlüssig damit dar, indem sie ausführt, das Berufungsgericht habe zu der Aussage des Zeugen S. in der mündlichen Verhandlung am 13. November 2006 in dem angefochtenen Urteil nur unzureichend Stellung genommen (Beschwerdebegründung S. 2). Insoweit setzt sie sich mit den diesbezüglichen Ausführungen im Berufungsurteil (S. 25) nicht - wie erforderlich - substantiiert auseinander. Der Sache nach wendet sich die Beschwerde in diesem Zusammenhang gegen die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht im vorliegenden Fall, ohne damit einen Gehörsmangel aufzuzeigen.

9 3. Soweit die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) dadurch verletzt, dass es den vorsorglich in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag in den Urteilsgründen zurückgewiesen habe (Beschwerdebegründung S. 3), genügt sie ebenfalls nicht ihrer Darlegungslast. Die Beschwerde zeigt weder auf, dass das Berufungsgericht den Beweisantrag aus Gründen abgelehnt hat, die im Prozessrecht keine Stütze finden, noch legt sie dar, dass sich dem Berufungsgericht ausgehend von seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung die vermisste weitere Aufklärung hätte aufdrängen müssen. Aus der ausdrücklichen und begründeten Ablehnung des Beweisantrags in der angegriffenen Entscheidung (UA S. 26 f.) und ihrer weiteren Begründung ergibt sich im Übrigen, dass es auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts des angebotenen Beweises nicht bedurfte. Nach dieser Rechtsauffassung ist ein Ausländer zur Beibringung von Papieren oder sonstigen zur Identitätsklärung geeigneten Erkenntnismitteln im Rahmen des § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG schon dann verpflichtet, wenn die für ihn zuständige Auslandsvertretung seines Landes die Ausstellung von Reisepapieren mit der Begründung verweigert hat, er habe seine Herkunft nicht nachgewiesen. Dies auch deshalb, weil im Falle von pakistanischen Staatsangehörigen ein Identifizierungsverfahren über die Heimatbehörden in Pakistan in Frage komme, wenn für deren Identitätsklärung weniger aussagekräftige Dokumente oder Kopien vorgelegt würden und wenn sich die Auslandsvertretung weiterhin nicht bereit finde, Heimreisepapiere auszustellen. Das Berufungsgericht hat somit die Pflichten des Klägers unabhängig davon bestimmt, ob die pakistanische Auslandsvertretung schon bei der Vorlage von für die Identität weniger aussagekräftigen Papieren bereit wäre, Reisedokumente auszustellen, so dass seine Entscheidung nicht auf der Nichterhebung des beantragten Beweises beruhen kann.

10 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47, 52 Abs. 2, § 72 Nr. 1 GKG.