Beschluss vom 20.01.2011 -
BVerwG 1 B 31.10ECLI:DE:BVerwG:2011:200111B1B31.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.01.2011 - 1 B 31.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:200111B1B31.10.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 31.10

  • OVG Berlin-Brandenburg - 28.09.2010 - AZ: OVG 11 B 14.10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Januar 2011
durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vom 28. September 2010 wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstand wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Klägerin ist eine inzwischen 20 Jahre alte türkische Staatsangehörige, die bereits kurze Zeit nach ihrer Geburt mit ihren Eltern nach Deutschland gezogen war. Sie erhielt erstmals 1997 eine bis März 2006 befristete Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug, die 2006 um zwei Jahre verlängert wurde. Ihre ersten zehn Schuljahre - bis September 2005 - absolvierte sie an Berliner Schulen. Ab dem Schuljahr 2005/2006 besuchte sie eine österreichische Schule in Istanbul, mit dem Ziel in der Türkei auch die türkische Hochsprache zu lernen. Im September 2008 bestand sie die Reifeprüfung (Matura) an ihrer österreichischen Schule. Zwischenzeitliche Anträge auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis lehnte das Land Berlin ab und stellte im März 2007 fest, dass ihre Aufenthaltserlaubnis erloschen sei, weil die Klägerin ausgereist sei, um eine mehrjährige schulische Ausbildung in der Türkei aufzunehmen. Mit ihrer 2007 erhobenen Klage hält die Klägerin an ihrem Begehren auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis fest. Die Klägerin ist 2008 erneut in die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage eines Visums nach § 37 AufenthG (Recht auf Wiederkehr) eingereist. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht haben Klage bzw. Berufung abgewiesen. Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, dass es an dem von § 35 Abs. 1 AufenthG geforderten fünfjährigen Aufenthalt fehle, weil die der Klägerin bis 2006 und bis 2008 erteilten Aufenthaltserlaubnisse erloschen seien. Dies ergebe sich aus § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG, weil die Klägerin aus einem „seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund“ ausgereist sei, als sie ihren dreijährigen Schulbesuch in Istanbul begann. Dies ergebe sich zudem aus § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG, weil die Klägerin im Hinblick auf ihren über sechs Monate hinausgehenden Verbleib im Ausland nach der gesetzlichen Wertung nicht aus einem vorübergehenden Grund ausgereist sei.

II

2 Die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde der Klägerin genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Sie war deshalb als unzulässig zu verwerfen.

3 Ist ein Urteil auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur dann zugelassen werden, wenn die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hinsichtlich jeder dieser Begründungen einen Zulassungsgrund darlegt. Dies ist hier nicht geschehen.

4 Die Revision hält für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig,
ob eine Ausländerin, die ihre ersten vierzehn Jahre in Deutschland verlebte, die deutsche Schule erfolgreich besuchte und auch sonst alle Merkmale erfüllt, die sie nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverfassungsgerichts als „faktische Inländerin“ charakterisieren, Deutschland „aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund“ verlässt, wenn sie den letzten Teil ihrer schulischen Ausbildung an einer deutschsprachigen Schule im Ausland absolviert und mit einem deutschsprachigen in Deutschland als Abitur anerkannten Abschluss beendet - und dies alles geschieht, um die Chancen ihrer beruflichen Zukunft in Deutschland zu verbessern.

5 Diese Fragestellung bezieht sich allein auf die Auslegung des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG, nämlich darauf, wie das die Ausreise charakterisierende Merkmal „aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund“ im Fall der Klägerin auszulegen ist. § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG enthält demgegenüber die eigenständige Voraussetzung, dass der Ausländer ausgereist ist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist. Hierzu formuliert die Beschwerde keine rechtsgrundsätzlich zu klärende Frage.

6 Allerdings erwähnt die Beschwerde innerhalb ihrer auf das Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG bezogenen Ausführungen (vgl. 3.1 der Beschwerde, dort S. 3 ff.) gelegentlich pauschal auch § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG (S. 5 und 6 der Beschwerde). Sie erläutert aber nicht, dass und wie der Wortlaut des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG einer Auslegung zugänglich sein könnte, die eine dreijährige Schulausbildung im Ausland als unschädlich erscheinen lässt, und weshalb damit verbundene Härten nicht durch das „Recht auf Wiederkehr“ gemäß § 37 AufenthG kompensiert werden.

7 Dementsprechend kam es auf die durchaus nachvollziehbaren Ausführungen der Beschwerde zu § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG nicht an.

8 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.