Beschluss vom 20.01.2009 -
BVerwG 1 WB 22.08ECLI:DE:BVerwG:2009:200109B1WB22.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.01.2009 - 1 WB 22.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:200109B1WB22.08.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 22.08

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Fregattenkapitän von Heimann und
die ehrenamtliche Richterin Oberbootsmann Grigo
am 20. Januar 2009 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2).

2 Der 1978 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit, dessen auf zwölf Jahre festgesetzte Dienstzeit voraussichtlich mit Ablauf des 5. April 2011 enden wird. Er wurde mit Wirkung zum 1. Juli 2004 zum Oberbootsmann ernannt. Zum Zeit-punkt der hier streitbefangenen Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt war er bei der ...staffel des ...geschwaders ... in N. als Feuerwerker in der Munitionsniederlage eingesetzt; dabei handelte es sich um eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit, für die eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) benötigt wird. Aufgrund der Feststellung eines Sicherheitsrisikos wird der Antragsteller seit dem 2. Juli 2007 auf dem - nicht mit der Ausübung sicherheitsempfindlicher Tätigkeiten verbundenen - Dienstposten „Personalergänzung ...G ..., Teileinheit ...“ verwendet.

3 Der Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt hatte mit Bescheid vom 2. Januar 2003 für den Antragsteller die erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) mit der Auflage abgeschlossen, dass eine Wiederholungsüberprüfung nach drei Jahren durchzuführen sei. Grund für die Anordnung dieser Auflage war, dass der Antragsteller am 19. Oktober 2000 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,17 ‰ ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt hatte und dafür mit Strafbefehl vom 23. Januar 2001 mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 75 DM wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr belegt worden war; zusätzlich war ihm die Fahrerlaubnis für die Dauer von neun Monaten entzogen worden.

4 Mit Nachbericht zur Sicherheitsüberprüfung vom 9. Dezember 2005 teilte der Sicherheitsbeauftragte des ...geschwaders ... dem Militärischen Abschirmdienst mit, dass sich beim Antragsteller sicherheitserhebliche Erkenntnisse ergeben hätten. Im Rahmen der am 16. Januar 2006 eingeleiteten Wiederholungsüberprüfung wurde bekannt, dass das Amtsgericht C. mit Strafbefehl vom 15. September 2005 (Az.: NZS 7 Cs 2520 Js 18358/05), rechtskräftig seit dem 5. Oktober 2005, wegen einer am 31. Juli 2005 begangenen Trunkenheit im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,17 ‰ eine Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen zu je 50 € gegen den Antragsteller festgesetzt und ihm die Fahrerlaubnis für die Dauer eines Jahres entzogen hatte. Im Hinblick auf diesen Vorfall stellte die für den Antragsteller zuständige Einleitungsbehörde, der Befehlshaber der Flotte, mit Verfügung vom 13. Dezember 2005 ein Dienstvergehen fest, sah aber von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens ab.

5 Mit Schreiben vom 6. Februar 2007 hörte der Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt den Antragsteller zu den genannten sicherheitserheblichen Erkenntnissen an. Dabei hielt er dem Antragsteller insbesondere vor, dass die am 2. Januar 2003 für ihn gestellte positive Prognose durch die Wiederholungstat keine Bestätigung gefunden habe.

6 Im Rahmen seiner Stellungnahme vom 25. Februar 2007 legte der Antragsteller dar, dass die Wiederholungstat ihn veranlasst habe, vom 31. Mai bis zum 29. August 2006 an einer verkehrstherapeutischen Einzelmaßnahme beim Verkehrspsychologischen Institut ... in B. teilzunehmen und sich an einem Gruppentag intensiv mit seinem früheren Trinkverhalten auseinanderzusetzen. Außerdem berufe er sich auf ein Gutachten des TÜV ... (Medizinisch-psychologisches Institut) vom 13. Oktober 2006, das ihm eine positive Prognose bescheinige.

7 Der Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers hatte zuvor am 19. Februar 2007 gegenüber dem Geheimschutzbeauftragten eine befürwortende Äußerung über den Antragsteller abgegeben und keine Einwände gegen dessen sicherheitsempfindliche Verwendung erhoben.

8 Nach entsprechender Ankündigung mit Schreiben vom 28. März 2007 stellte der Geheimschutzbeauftragte mit Bescheid vom 29. März 2007, dem Antragsteller am 18. April 2007 eröffnet, fest, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2/W 2) Umstände ergeben habe, die ein Sicherheitsrisiko darstellten; die Entscheidung umfasse auch die Verwendung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der Überprüfungsart Ü 1. Ergänzend legte er fest, dass nach Ablauf von zwei Jahren bei Bedarf eine Wiederholungsüberprüfung eingeleitet werden könne. Zur Begründung verwies der Geheimschutzbeauftragte auf die strafrechtlich geahndete erneute trunkenheitsbedingte Verfehlung des Antragstellers im Straßenverkehr, die der am 2. Januar 2003 für ihn gestellten positiven Prognose die Grundlage entziehe. Das Verhalten des Antragstellers lasse auf charakterliche Defizite und auf mangelndes Rechts- und Verantwortungsbewusstsein schließen. Der Antragsteller müsse zunächst noch über einen längeren Zeitraum zeigen, dass die von ihm bekundete Einstellungs- und Verhaltensänderung und die Einhaltung eines kontrollierten Alkoholkonsums Bestätigung finden und von Bestand sein würden. Die für den Antragsteller sprechenden Aspekte ließen es jedoch vertretbar erscheinen, bei Bedarf bereits nach Ablauf von zwei Jahren eine Wiederholungsüberprüfung zuzulassen.

9 Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben vom 24. April 2007 Beschwerde ein, die seine Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 11. Juni 2007 begründeten. Darin wird geltend gemacht, dass der Geheimschutzbeauftragte das positive Votum im Gutachten des TÜV ... vom 13. Oktober 2006 nicht hinreichend gewürdigt habe. Darüber hinaus folge aus der befürwortenden Stellungnahme des Staffelchefs des Antragstellers vom 20. April 2007, dass der Antragsteller bereits jetzt die geforderte Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit, die von einem Geheimnisträger erwartet werde, gewährleiste.

10 Die Beschwerde wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Bescheid vom 22. Oktober 2007 zurück.

11 Gegen diese am 24. Oktober 2007 zugestellte Entscheidung richtet sich der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung vom 6. November 2007, den der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - dem Senat mit seiner Stellungnahme vom 14. März 2008 vorgelegt hat.

12 Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Der Geheimschutzbeauftragte habe seinen Beurteilungsspielraum überschritten und nicht hinreichend bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass inzwischen ein erheblicher Zeitraum seit dem Verkehrsdelikt vergangen sei und er, der Antragsteller, sich seitdem beanstandungsfrei verhalten habe. Auch das Gutachten des TÜV ... und die Darlegungen des Disziplinarvorgesetzten zur fortgeschrittenen Persönlichkeitsreifung ließen nicht den Schluss zu, dass hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine mangelnde Zuverlässigkeit im sicherheitsempfindlichen Bereich vorlägen. Der Geheimschutzbeauftragte habe dem Umstand, dass er, der Antragsteller, nicht im Kernbereich seiner Pflichten versagt habe und sich seit dem Erlass des zweiten Strafbefehls nichts weiter habe zuschulden kommen lassen, nicht das erforderliche Gewicht beigemessen. Bemerkenswert sei, dass die Einleitungsbehörde von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens abgesehen und damit ihrerseits zu erkennen gegeben habe, dass sie eine besondere Pflichtenmahnung für entbehrlich halte.

13 Der Antragsteller beantragt,
den Bescheid des Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt vom 28. (richtig: 29.) März 2007 und den Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 22. Oktober 2007 aufzuheben und den Geheimschutzbeauftragten zu verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

14 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

15 Die rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren gegen den Antragsteller sowie die Feststellung eines Dienstvergehens durch die zuständige Einleitungsbehörde seien Grund genug, Zweifel an der für eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit unabdingbaren Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit des Antragstellers hervorzurufen. Das Verhalten des Antragstellers lasse den Schluss zu, dass er nicht immer bereit und in der Lage sei, sich jederzeit rechtstreu zu verhalten; es lasse befürchten, dass er auf absehbare Zeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nicht die gebotene Sorgfalt walten lassen und den Geheimhaltungspflichten nicht immer gerecht werden könne. Die Bewertung im Gutachten des TÜV ..., dass eine deutliche Alkoholgewöhnung bzw. Alkoholtoleranzbildung des Antragstellers gegeben sei, dass aber mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit zukünftige Alkoholdelikte im Straßenverkehr nicht zu erwarten“ seien, beziehe sich allein auf ein mögliches zukünftiges Verhalten im Straßenverkehr und nicht auf den Umgang mit sicherheitsempfindlichen Materialien. Dieses Gutachten sei im Rahmen der Beurteilung des Sicherheitsrisikos nicht außer Acht gelassen worden. Die wiederholte Auffälligkeit des Antragstellers belege vielmehr, dass dieser die Folgen seiner ersten fahrlässigen Trunkenheit im Straßenverkehr nicht zum Anlass für eine nachhaltige Verhaltensänderung genommen habe.

16 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - 995/07 - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

17 Der Antrag hat keinen Erfolg.

18 Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 SÜG kann allerdings zulässigerweise durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden Bescheids angefochten werden (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 24. Mai 2000 - BVerwG 1 WB 25.00 - BVerwGE 111, 219 = Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 9 und vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 5.08 -). Das Bundesverwaltungsgericht ist sachlich zuständig, weil über die Beschwerde des Antragstellers der Bundesminister der Verteidigung entschieden hat (§ 21 Abs. 1 WBO).

19 Auch der Verpflichtungsantrag auf Neubescheidung ist zulässig.

20 Zwar ist die zuständige Stelle, wenn die Feststellung des Bestehens eines Sicherheitsrisikos gerichtlich aufgehoben wird, grundsätzlich (von Amts wegen) verpflichtet, eine neue Sachentscheidung zu treffen (Beschlüsse vom 24. Mai 2000 a.a.O. und vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 -). Gleichwohl kann der von einer solchen Feststellung Betroffene zusätzlich beantragen, den Geheimschutzbeauftragten bzw. den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, über die Frage des Bestehens eines Sicherheitsrisikos neu zu entscheiden (vgl. Beschluss vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 - m.w.N.).

21 Der Antrag ist jedoch unbegründet.

22 Der Bescheid des Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt vom 29. März 2007 und der Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 22. Oktober 2007 sind rechtmäßig und verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

23 Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 26. Oktober 1999 - BVerwG 1 WB 13.99 - BVerwGE 111, 30 = Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 7 = NZWehrr 2000, 31, vom 24. Mai 2000 a.a.O., vom 30. Januar 2001 - BVerwG 1 WB 119.00 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 10 und vom 18. Oktober 2001 - BVerwG 1 WB 54.01 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 11). Die Beurteilung des Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose der künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Soldaten und seiner Verhältnisse darstellt, darf sich dabei nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen, sondern muss auf der Grundlage tatsächlicher Anhaltspunkte getroffen werden. Dabei gibt es keine „Beweislast”, weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober 2001 a.a.O. und vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 -; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <353>).

24 Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der ihm hiernach obliegenden Entscheidung ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (Beschluss vom 18. August 2004 - BVerwG 1 WB 37.04 - <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 18 m.w.N. >).

25 Die Feststellung des - hier zuständigen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG i.V.m. Nr. 2416 ZDv 2/30 Teil C) - Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt, dass in der Person des Antragstellers ein Sicherheitsrisiko vorliegt, steht im Einklang mit diesen Grundsätzen.

26 Der Geheimschutzbeauftragte hat die Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG - unter Hinweis auf den Strafbefehl vom 23. Januar 2001 und auf seinen Auflagenbescheid vom 2. Januar 2003 - auf die am 31. Juli 2005 vom Antragsteller begangene und durch den Strafbefehl vom 15. September 2005 rechtskräftig geahndete Trunkenheitsfahrt im Straßenverkehr gestützt. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Tatsächliche Anhaltspunkte, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG i.V.m. Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 Teil C Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit und damit ein Sicherheitsrisiko begründen, können sich nach der Rechtsprechung des Senats auch daraus ergeben, dass der Betroffene eine Straftat begangen hat, die ohne speziellen Bezug zu Geheimhaltungsvorschriften oder zur dienstlichen Tätigkeit ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung erkennen lässt (vgl. Beschlüsse vom 20. Mai 1981 - BVerwG 1 WB 35.80 -, vom 12. April 2000 - BVerwG 1 WB 12.00 -, vom 28. November 2000 - BVerwG 1 WB 97.00 -, vom 30. Januar 2001 a.a.O. und vom 20. August 2003 - BVerwG 1 WB 15.03 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 16 = NZWehrr 2004, 168; siehe auch Hinweis Nr. 9 zu Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 <Anlage C 18>).

27 Bei der erforderlichen vollständigen Sachverhaltserfassung hat der Geheimschutzbeauftragte nicht nur die genannte strafrechtliche - erneut - verkehrsbezogene Verfehlung des Antragstellers berücksichtigt, sondern auch die Stellungnahme des Staffelchefs vom 19. Februar 2007, die Teilnahme des Antragstellers an einer verkehrstherapeutischen Einzelmaßnahme beim Verkehrspsychologischen Institut ... in B. und das Ergebnis des Gutachtens des TÜV ... vom 13. Oktober 2006. Den Sachverhalt und insbesondere den Charakter seiner straßenverkehrsrechtlichen Verfehlung als „Wiederholungstat“ hat der Antragsteller in seiner Anhörung ausdrücklich eingeräumt.

28 Bei der sicherheitsmäßigen Beurteilung dieses Sachverhalts hat der Geheimschutzbeauftragte die Grenzen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums nicht überschritten. Ohne Rechtsfehler hat er das Verhalten des Antragstellers als ein ernstzunehmendes dienstpflichtwidriges Fehlverhalten gewertet, welches Zweifel an dessen Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG i.V.m. Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 Teil C begründet. Das Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr mit einer hohen Blutalkoholkonzentration (hier von 1,17 ‰) lässt auf ein mangelndes Verantwortungsbewusstsein schließen. Mit dieser Einschätzung wird der gesetzliche Begriff der „Zuverlässigkeit“ nicht verkannt oder fehlerhaft gewichtet. Darüber hinaus durfte der Geheimschutzbeauftragte die erneute Verurteilung des Antragstellers zu dem ersten Strafbefehl vom 23. Januar 2001 in Beziehung setzen und als - im zweiten Strafbefehl ausdrücklich mit Strafschärfung geahndete - Wiederholungstat würdigen. Denn der Antragsteller befand sich aufgrund des Bescheids vom 2. Januar 2003 in einer spezifischen Pflichtenbindung. Die in diesem Bescheid enthaltene Auflage des Geheimschutzbeauftragten knüpfte an die vorangegangene alkoholbedingte straßenverkehrsrechtliche Verfehlung des Antragstellers an und sollte derartige Verhaltensweisen in Zukunft nach Möglichkeit ausschließen. Deshalb war der Antragsteller in besonderem Maße gehalten, in diesem Punkt den Erwartungen des Geheimschutzbeauftragten uneingeschränkt zu entsprechen. Das durfte der Geheimschutzbeauftragte bei seiner Risikobeurteilung voraussetzen; darin liegt weder ein Verstoß gegen allgemein gültige Wertmaßstäbe noch gegen Verfahrensvorschriften. Die Tilgungsvorschrift des § 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BZRG steht insoweit nicht entgegen. Nach § 47 Abs. 3 Satz 1 BZRG wäre die Tilgung der Eintragung des Strafbefehls vom 23. Januar 2001 (nach Maßgabe des § 47 Abs. 1, § 36 Satz 1, § 5 Abs. 1 Nr. 4 BZRG) erst zulässig, wenn für alle im Register eingetragenen Verurteilungen die Voraussetzungen der Tilgung erfüllt sind. Das ist hier nicht der Fall.

29 Nicht zu beanstanden ist die vor diesem Hintergrund vom Geheimschutzbeauftragten getroffene Prognose der künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Antragstellers und seiner Verhältnisse (zu diesen Voraussetzungen vgl. zuletzt Beschlüsse vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 -, vom 27. September 2007 - BVerwG 1 WDS-VR 7.07 - DokBer 2008, 74 und vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 5.08 -). Der Geheimschutzbeauftragte hat im Einzelnen dargelegt, dass die wiederholte einschlägige Verfehlung des Antragstellers trotz seiner Erfahrungen und Bekundungen in der für ihn im Jahr 2003 abgeschlossenen Sicherheitsüberprüfung dokumentiere, dass er nicht jederzeit die Gewähr für die Einhaltung allgemeingültiger Rechtsnormen biete und gegebenenfalls persönliche Interessen vor Rechtsnormen und die sich daraus ergebenden Pflichten stelle. Die für den Antragsteller sprechenden, das Sicherheitsrisiko mindernden Gesichtspunkte hat der Geheimschutzbeauftragte mit der Zulassung der Wiederholungsüberprüfung bereits nach zwei Jahren - und damit im Sinne einer deutlichen Verkürzung der regelmäßigen Frist von fünf Jahren (Nr. 2710 Abs. 2 Satz 1 ZDv 2/30 Teil C) - in seine Abwägung einbezogen.

30 Mit der prognostischen Einschätzung, dass für den Antragsteller eine verlässliche positive Prognose hinsichtlich seines zukünftigen Trinkverhaltens und seiner charakterlichen Festigkeit aus sicherheitsmäßiger Sicht derzeit noch nicht gestellt werden könne, hat der Geheimschutzbeauftragte seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Es ist zulässig, einem Betroffenen noch über einen längeren Zeitraum eine Bewährung abzuverlangen, dass die von ihm bekundete Einstellungs- und Verhaltensänderung eine nachhaltige Bestätigung finden und von Bestand sein wird (ebenso: Beschluss vom 28. November 2000 - BVerwG 1 WB 97.00 -).

31 Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt ihm die Verkürzung der Zeitdauer bis zu einer Wiederholungsüberprüfung hier auch in vollem Umfang zugute. Diese Frist wird grundsätzlich erst ab Feststellung des Bestehens eines Sicherheitsrisikos und nicht vom Zeitpunkt der letzten Tat an berechnet (Beschlüsse vom 28. November 2000 - BVerwG 1 WB 97.00 - und vom 27. Februar 2003 - BVerwG 1 WB 51.02 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 15). Der Antragsteller hat nach dem Akteninhalt mindestens noch bis zum 12. April 2007 eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausgeübt. Eine erneute Wiederholungsüberprüfung ist schon im März 2009 möglich.

32 Die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten, die nicht zuletzt zu Recht dem Grundsatz des § 14 Abs. 3 Satz 2 SÜG Rechnung trägt, lässt auch im Hinblick auf die erforderliche Prüfung der Nr. 2709 ZDv 2/30 Teil C keine Rechtsfehler erkennen.

33 Keine rechtlichen Bedenken bestehen schließlich dagegen, dass der Geheimschutzbeauftragte die Feststellung eines Sicherheitsrisikos auch auf die Verwendung des Antragstellers in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der Überprüfungsart Ü 1 erstreckt hat. Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Antragstellers und die Risikoeinschätzung ergeben sich im vorliegenden Fall insoweit keine von der erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) abweichenden Gesichtspunkte.