Beschluss vom 19.12.2002 -
BVerwG 8 B 55.02ECLI:DE:BVerwG:2002:191202B8B55.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.12.2002 - 8 B 55.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:191202B8B55.02.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 55.02

  • VG Halle - 30.01.2002 - AZ: VG 1 A 1698/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Dezember 2002
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a g e n k o p f , K r a u ß und G o l z e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 30. Januar 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Beigeladenen geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO liegen nicht vor.
1. Der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO scheidet aus. Eine die Revision eröffnende Divergenz liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht in einer die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtsfrage bei Anwendung derselben Rechtsvorschrift eine andere Auffassung vertreten hat als das Bundesverwaltungsgericht. Eine derartige Abweichung liegt nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist dem angefochtenen Urteil keine Formulierung zu entnehmen, die von dem in der Beschwerde genannten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Oktober 1995 (- BVerwG 7 B 163.95 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 22) abweicht. Abgesehen davon, dass die Beschwerde nur den 2. Leitsatz als Maßstab für eine Abweichung anführt, hat sich das Verwaltungsgericht gar nicht mit dem Fall beschäftigt, dass sich nicht abschließend aufklären lässt, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für einen redlichen Erwerb i.S. des § 4 Abs. 2 und 3 VermG gegeben sind. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich festgestellt, dass die Beigeladene beim Erwerb des klägerischen Grundstücksanteils tatsächlich unredlich gewesen ist. Im Übrigen begründet die Beschwerde unzulässigerweise die Abweichungsrüge mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts.
2. Auch der weiterhin geltend gemachte Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung i.S. dieser Bestimmung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn die Beschwerde eine Rechtsfrage aufwirft, deren zu erwartende revisionsgerichtliche Klärung der Einheit oder der Fortentwicklung des Rechts zu dienen vermag. Die drei von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Soweit die Beschwerde fragt:
"Ist bei Erwerb eines Miteigentumsanteils durch einen nahe verwandten Miteigentümer des ausreisewilligen DDR-Bürgers Unredlichkeit des Erwerbers i.S. von § 4 III c VermG zu erblicken, wenn wegen unterschiedlicher Aussagen der Beteiligten unaufgeklärt blieb, a) ob die Ausreiseabsicht des Veräußerers dem Erwerber bekannt war und ebenfalls ungeklärt blieb, b) ob der Veräußerer gegenüber dem Erwerber Verkaufs- oder Schenkungsabsicht äußerte?",
so handelt es sich von vornherein um eine vom Einzelfall nicht losgelöste Rechtsfrage, deren Abstraktheit zu vermissen ist. Es kommt hinzu, dass das Verwaltungsgericht gerade festgestellt hat, dass der Erwerb des klägerischen Grundstücksanteils durch die Beigeladene tatsächlich unredlich gewesen ist, und damit einen unaufgeklärten Sachverhalt ausgeschlossen hat. Auch die weiterhin gestellte Frage:
"Ist bei Erwerb eines Miteigentumsanteils von einem nahe verwandten Miteigentümer bei unterstellter Kenntnis des Erwerbers von der Ausreisewilligkeit des Veräußerers im Wege der Überlassung gegen Übernahme von Hypothekenverpflichtungen sowie Wohnrechten und Pflegeverpflichtungen grundsätzlich Unredlichkeit des Erwerbers zu unterstellen, insbesondere: Liegt darin ein Zunutzemachen gemäß § 4 Abs. 3 c VermG (Erlangung eines Sondervorteils), v.a. angesichts des gesetzlichen Vorkaufsrechts für Miteigentümer gemäß §§ 38, 39 ZGB - DDR -?",
wird sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Auch hier handelt es sich um keine abstrakte Rechtsfrage, sondern letztlich um eine Subsumtionsfrage im Einzelfall.
Auch bei der dritten aufgeworfenen Frage:
"Ist bei Erwerb eines Miteigentumsanteils von einem nahe verwandten Miteigentümer ein Sondervorteil des Erwerbers gegeben, wenn er bei Abwicklung des Geschäftes entsprechend dem (behaupteten) Willen des Veräußerers (Veräußerung an die Eltern) in der Erbfolge ebenfalls Alleineigentümer geworden wäre?",
handelt es sich um eine typische Frage des Einzelfalles. Es kommt hinzu, dass die spätere Entwicklung der Tatsachenlage, so der Eintritt der Erbfolge lange nach dem schädigenden Ereignis, für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 4 Abs. 3 Buchst. c VermG unerheblich ist.
3. Ohne Erfolg beruft sich die Beigeladene schließlich auf Verfahrensmangel i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Beschwerde wirft dem Verwaltungsgericht die fehlende Aufklärung sich widersprechender Behauptungen in der mündlichen Verhandlung vor und sieht darin einen Verstoß gegen die richterliche Aufklärungs- und Hinweispflicht i.S. des § 86 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO. Damit kann die Beschwerde jedoch nicht durchdringen. Wenn nämlich eine Beschwerde auf die Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung gestützt wird, so gehört es schon zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Verfahrensmangels, dass dargelegt wird, welche Beweise angetreten worden sind, oder welche Ermittlungen sich dem Tatsachengericht hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel in Betracht gekommen wären, welches mutmaßliche Ergebnis die Beweisaufnahme gehabt hätte und inwiefern dieses Ergebnis zu einer für die Beigeladene günstigeren Entscheidung hätte führen können. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung sind Beweisanträge seitens der anwaltlich vertretenen Beigeladenen nicht gestellt worden. Die nunmehr mit der Beschwerdeschrift angebotenen Beweise hätte die Beigeladene zur Vermeidung eines Rügeverlusts in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht anbieten müssen. In der mündlichen Verhandlung sind sowohl der Kläger als auch die Beigeladene umfassend zu den Geschehnissen vor der Ausreise des Klägers und damit zu den Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Buchst. c VermG befragt worden. Die Schlussfolgerung der Beschwerde, dass eine fehlende Aufklärung sich widersprechender Behauptungen vorlege, trifft nicht zu. Im Übrigen greift die Beschwerde mit ihrem Vortrag (ab S. 5 der Beschwerdeschrift) letztlich die Würdigung verschiedener Tatumstände durch das Verwaltungsgericht an. Dabei handelt es sich um eine verfahrensrechtlich nicht zulässige Infragestellung der Beweiswürdigung der Vorinstanz. Wenn sich eine Beschwerde gegen die Beweiswürdigung durch das Tatsachengericht wehrt, kann diese aufgrund des § 137 Abs. 2 VwGO vom Revisionsgericht nur auf die Verletzung allgemein verbindlicher Beweiswürdigungsgrundsätze überprüft werden, zu denen die allgemeinen Auslegungsregeln, die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze gehören. Die Verletzung derartiger Grundsätze ist weder seitens der Beschwerde dargelegt worden, noch ist irgendein Anhaltspunkt für ihr Vorliegen gegeben. Insbesondere ist ein Verstoß gegen die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungsgesetze angesichts der Würdigung der Aussagen des Klägers und der Beigeladenen und der vorliegenden schriftlichen Äußerung der verstorbenen Eltern des Klägers zu verneinen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 14, 13 GKG.