Beschluss vom 19.08.2009 -
BVerwG 6 PB 19.09ECLI:DE:BVerwG:2009:190809B6PB19.09.0

Leitsätze:

1. Für die rechtswirksame Stellung des Antrags auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG durch einen nachgeordneten Bediensteten des öffentlichen Arbeitgebers ist die Vorlage der Originalvollmacht bis zum Ablauf der Ausschlussfrist erforderlich.

2. Das Verwaltungsgericht ist nicht gehalten, noch innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist den öffentlichen Arbeitgeber auf etwaige Bedenken gegen eine rechtswirksame Antragstellung wegen fehlender Vollmacht hinzuweisen und auf die rechtzeitige Behebung des Mangels hinzuwirken.

  • Rechtsquellen
    BPersVG § 9

  • OVG Saarlouis - 24.04.2009 - AZ: OVG 5 A 175/08 -
    OVG des Saarlandes - 24.04.2009 - AZ: OVG 5 A 175/08

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.08.2009 - 6 PB 19.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:190809B6PB19.09.0]

Beschluss

BVerwG 6 PB 19.09

  • OVG Saarlouis - 24.04.2009 - AZ: OVG 5 A 175/08 -
  • OVG des Saarlandes - 24.04.2009 - AZ: OVG 5 A 175/08

In der Personalvertretungssache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. August 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und Vormeier
beschlossen:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes - Fachsenat für Personalvertretungssachen Land - vom 24. April 2009 wird zurückgewiesen.

Gründe

1 Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 113 Abs. 2 SaarPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.

2 1. Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch.

3 Der Antragsteller will geklärt wissen, „ob ein Vertreter des Arbeitgebers, der nicht Rechtsanwalt ist, einen Antrag nach § 9 Abs. 4 BPersVG wirksam auch stellen kann, wenn er innerhalb der Ausschlussfrist des § 9 Abs. 4 BPersVG lediglich eine Kopie seiner Vollmachtsurkunde vorlegt und vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung seine Bevollmächtigung durch Vorlage der Originalurkunde nachweist“. Diese Frage ist mit dem Oberverwaltungsgericht eindeutig zu verneinen, so dass es ihrer Klärung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf.

4 Nach ständiger und inzwischen gefestigter Senatsrechtsprechung muss innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG eine verantwortliche Entscheidung desjenigen vorliegen, der den Arbeitgeber gerichtlich vertritt. Diese Voraussetzungen sind für alle Beteiligten sichtbar erfüllt, wenn die innerhalb der Ausschlussfrist eingegangene Antragsschrift vom gesetzlichen Vertreter des Arbeitgebers unterzeichnet ist. Eine rechtzeitige Antragstellung ist aber auch durch eine Antragsschrift möglich, die durch einen nachgeordneten Bediensteten unterschrieben ist; dieser muss dann allerdings seine Vertretungsbefugnis innerhalb der Ausschlussfrist durch Vorlage einer Vollmacht nachweisen, die vom gesetzlichen Vertreter des Arbeitgebers unterzeichnet ist (vgl. Beschlüsse vom 1. Dezember 2003 - BVerwG 6 P 11.03 - BVerwGE 119, 270 <274 ff.> = Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 23 S. 26 ff., vom 8. Juli 2008 - BVerwG 6 P 14.07 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 31 Rn. 17 und vom 19. Januar 2009 - BVerwG 6 P 1.08 - juris Rn. 20; zustimmend: Altvater/Hamer/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 6. Aufl. 2008, § 9 Rn. 11a; Faber, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/ Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 9 Rn. 49; Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 11. Aufl. 2008, § 9 Rn. 15).

5 a) Diese Rechtsprechung in Frage zu stellen, geben die Ausführungen in der Beschwerdebegründung schon deswegen keinen Anlass, weil der Antragsteller dort auf die wesentlichen Erwägungen des Senats nicht eingeht. Diese betonen auf der Grundlage des Zwecks der Regelung in § 9 BPersVG - Schutz vor nachteiligen Folgen der Amtsausübung sowie Kontinuität der Gremienarbeit -, dass der betroffene Jugendvertreter spätestens zwei Wochen nach Beendigung seines Ausbildungsverhältnisses Sicherheit über die verantwortlich entschiedenen Absichten seines Arbeitgebers haben soll. Hierdurch wird ihm die Möglichkeit gegeben, frühzeitig einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Damit erfüllt das Fristerfordernis eine Signalfunktion (vgl. Beschluss vom 1. Dezember 2003 a.a.O. S. 277 f. bzw. S. 28 f.). Aus diesen Schutzgedanken, die der Regelung in § 9 BPersVG zugrunde liegen, hat der Senat in bewusster Abkehr vom Regelungssystem des § 89 ZPO gefolgert, dass die Vorlage der Vollmacht in den Fällen des Vertreters ohne nachgewiesene Vollmacht ebenso wenig auf den Zeitpunkt rechtzeitiger Antragstellung zurückwirkt wie in den Fällen des vollmachtlosen Vertreters (vgl. Beschluss vom 1. Dezember 2003 a.a.O. S. 279 bzw. S. 30).

6 b) Der mit Blick auf § 88 Abs. 2 ZPO erhobene Einwand des Antragstellers, die zitierte Senatsrechtsprechung bringe eine Ungleichbehandlung mit sich je nachdem, ob der öffentliche Arbeitgeber von einem seiner Bediensteten oder einem Rechtsanwalt vertreten werde, führt nicht weiter. Sollte sich eine derartige Ungleichbehandlung auch durch die besondere Rechtsstellung von Rechtsanwälten im Prozessrecht nicht rechtfertigen lassen, so spräche dies dafür, im Fall der Antragstellung nach § 9 Abs. 4 BPersVG durch Rechtsanwälte des öffentlichen Arbeitgebers ebenfalls die Vorlage der Vollmacht bis zum Ablauf der Antragsfrist zu verlangen. Der Senat hat dies im Beschluss vom 1. Dezember 2003 ungeachtet der Erwähnung von § 88 Abs. 2 ZPO nicht ausschließen wollen (a.a.O. S. 275 bzw. S. 27).

7 c) Der Senat sieht keinen Widerspruch zu dem vom Antragsteller zitierten Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 21. November 2008 - 7 TaBV 3/08 - (juris Rn. 33 ff.). Dieser Beschluss verhält sich nicht zum Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 4 BPersVG bzw. nach § 78a Abs. 4 BetrVG, sondern zur Anfechtung einer Betriebsratswahl nach § 19 BetrVG. Spezifische Schutzgedanken des § 9 BPersVG spielten dabei keine Rolle. Allein der Umstand, dass es sich in beiden Fällen um materielle Ausschlussfristen handelt, gebietet keine gleich lautende Anwendung des § 89 ZPO.

8 d) Ist somit daran festzuhalten, dass für die rechtswirksame Antragstellung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG durch einen nachgeordneten Bediensteten des öffentlichen Arbeitgebers die Vorlage der Vollmacht bis zum Ablauf der Ausschlussfrist erforderlich ist, so hat dies durch Einreichung des Originals der Vollmachtsurkunde zu geschehen. Nur auf diese Weise wird dem formellen Erfordernis des § 80 ZPO Rechnung getragen (vgl. BGH, Urteile vom 23. Juni 1994 - I ZR 106/92 - BGHZ 126, 266 und vom 7. März 2002 - VII ZR 193/01 - juris Rn. 12; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl. 2009, § 80 Rn. 11).

9 Die Nachreichung der Vollmacht nach Ablauf der Antragsfrist reicht nicht aus, und zwar unabhängig davon, ob innerhalb der Frist bereits eine Kopie der Vollmacht vorgelegt wurde oder nicht. Nur diese formal strenge Sichtweise trägt dem Schutzgedanken des § 9 BPersVG hinreichend Rechnung, wonach der Jugendvertreter nach Ablauf der Antragsfrist Gewissheit darüber haben soll, dass er vor Gericht um seinen Arbeitsplatz kämpfen muss. Diese Zielvorstellung wird verfehlt, wenn erst im weiteren Verlauf des Verfahrens - ggf. mit Hilfe von Ermittlungshandlungen des Gerichts - dem Jugendvertreter der genaue Erkenntnisstand verschafft wird. Das nötige Maß an Rechtssicherheit geht verloren, wenn die Rechtswirksamkeit der Antragstellung von der Beurteilung einzelner Umstände abhängt, welche in Bezug auf die Weiterbeschäftigungsabsichten des öffentlichen Arbeitgebers nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit gewichtet werden. Der dahingehenden Argumentation des Verwaltungsgerichts ist das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss zu Recht entgegengetreten.

10 2. Die Gehörsrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG geht offensichtlich fehl. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht dadurch den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör verletzt, dass es dessen Auflösungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen hat, bis zum Ablauf der Antragsfrist sei für den Bediensteten, der die Antragsschrift unterzeichnet habe, keine vom zuständigen Minister für Umwelt ausgestellte Originalvollmacht bei Gericht eingereicht worden.

11 a) Auf diese - bereits im erstinstanzlichen Beschluss ausführlich behandelte - Problematik hat das Oberverwaltungsgericht in seiner Ladung zum Anhörungstermin gesondert hingewiesen. Aus der Niederschrift vom 24. April 2009 ergibt sich, dass die Frage im Termin erörtert wurde. Der Antragsteller hatte daher im Einklang mit den Erfordernissen rechtlichen Gehörs Gelegenheit zur Stellungnahme.

12 b) Für die vom Antragsteller für geboten erachtete Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO war kein Raum, weil das Verfahren im ersten Rechtszug nicht an einem wesentlichen Mangel litt.

13 aa) Das Verwaltungsgericht musste auf den Mangel der Vollmacht zum frühestmöglichen Zeitpunkt schon deswegen nicht hinweisen, weil es dahingehende Bedenken ausweislich seines Beschlusses im Ergebnis nicht geteilt hat.

14 bb) Abgesehen davon verlangt Art. 103 Abs. 1 GG nicht, dass das Verwaltungsgericht noch innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG den öffentlichen Arbeitgeber auf etwaige Bedenken gegen eine rechtswirksame Antragstellung wegen fehlender Vollmacht hinweist und auf rechtzeitige Behebung des Mangels hinwirkt. Es muss vielmehr erwartet werden, dass sich die öffentlichen Arbeitgeber anhand der Vorschrift des § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG und der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung mit den Erfordernissen für eine rechtswirksame Antragstellung vertraut machen. Der zitierte Senatsbeschluss vom 1. Dezember 2003, durch welchen die Rechtsprechung zur rechtswirksamen Antragstellung durch nachgeordnete Bedienstete im Verfahren nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG begründet wurde, lag bei Einleitung des vorliegenden Verfahrens bereits nahezu vier Jahre zurück. Er war in der amtlichen Entscheidungssammlung des Gerichts und in sieben Fachzeitschriften bzw. Loseblattsammlungen veröffentlicht worden. Angesichts dessen kann von einer - noch innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist zu erfüllenden - gerichtlichen Fürsorgepflicht gegenüber den öffentlichen Arbeitgebern, welche in ihren Reihen über hinreichenden juristischen Sachverstand verfügen, ernsthaft keine Rede sein. Die Pflicht der Gerichte, im Laufe des Verfahrens auf Bedenken gegen eine rechtswirksame Antragstellung hinzuweisen (§ 139 Abs. 2 und 3 ZPO), wird dadurch nicht berührt. Sie ist im vorliegenden Fall in beiden Instanzen erfüllt worden.