Beschluss vom 19.08.2009 -
BVerwG 2 WD 31.08ECLI:DE:BVerwG:2009:190809B2WD31.08.0

Beschluss

BVerwG 2 WD 31.08

  • Truppendienstgericht Süd 5. Kammer - 09.09.2008 - AZ: TDG S 5 VL 12/08

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 19. August 2009 beschlossen:

  1. Auf die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Personalamtes der Bundeswehr wird das Urteil der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 9. September 2008 aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts Süd zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens und die Erstattung der dem früheren Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der 45 Jahre alte frühere Soldat trat am 2. Juli 1984 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Bundeswehr ein und wurde zunächst in das Dienstverhältnis eines Soldaten mit einer Dienstzeit von vier Jahren berufen. Mit Urkunde vom 9. Juni 1988 wurde ihm die Eigenschaft eines Berufssoldaten mit der besonderen Altersgrenze der Vollendung des 41. Lebensjahres (BO 41) verliehen.

2 Der frühere Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt am 19. Juni 2002 zum Major. Nach erfolgreicher Ausbildung zum Jagdbomberoffizier TORNADO wurde er mit Versetzungsverfügung vom 20.  Mai 1988 zum ...geschwader ... nach K. versetzt. Auf seinen Antrag vom 2. Februar 2004 hin wurde ihm durch Bescheid des Kreiswehrersatzamtes K. vom 2. Juli 2004 im Rahmen der Berufsförderung eine Fachausbildung zum „Magister für ...“ bei der Universität M. in der Zeit vom 1. Oktober 2004 bis zum 31. Juli 2005 (DZE) bewilligt. Durch Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 19. April 2004 wurde er für diesen Zeitraum vom militärischen Dienst für die Fachausbildung „Studium Magister“ an der Universität M. freigestellt. Mit Urkunde vom 3. März 2005, ausgehändigt am 16. März 2005, wurde er nach Überschreiten der besonderen Altersgrenze des 41. Lebensjahres mit Ablauf des 31. Juli 2005 in den Ruhestand versetzt. Seit dem 9. August 2004 ist der frühere Soldat bei der Fluggesellschaft „V.“, Hongkong, als Flugzeugführer, Erster Offizier, angestellt. Seinen ständigen Wohnsitz hat er in Italien.

II

3 Das Amtsgericht ... verurteilte den früheren Soldaten am 2. April 2007 (Az.: 3 Ls 40 Js 30974/06) wegen Dienstentziehung durch Täuschung in Tateinheit mit eigenmächtiger Abwesenheit in Tateinheit mit Betrug gemäß § 18 Abs. 1, § 15 Abs. 1 WStG und § 263 Abs. 1, § 52 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten. Auf die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des früheren Soldaten stellte das Landgericht ... im Urteil vom 28. November 2007, rechtskräftig seit 6. Dezember 2007, fest, der frühere Soldat habe sich allein der eigenmächtigen Abwesenheit (§ 15 Abs. 1 WStG) und des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht. Es änderte das erstinstanzliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend ab, dass der frühere Soldat zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt wurde, deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde.

4 In dem mit Verfügung des Amtschefs Personalamt der Bundeswehr vom 25. November 2005 ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren legte die Wehrdisziplinaranwaltschaft mit Anschuldigungsschrift vom 7. Mai 2008 dem früheren Soldaten folgenden Sachverhalt als Dienstvergehen zur Last:
„Der frühere Soldat wurde auf seinen Antrag vom 02.02.2004 mit Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr ... vom 19.04.2004 für die Zeit vom 01.10.2004 bis zum 31.07.2005 zur Fachausbildung ‚Studium Magister’ vom militärischen Dienst freigestellt. Mit Bescheid des Kreiswehrersatzamtes K. vom 02.07.2004, Berufsförderungsdienst ..., wurde ihm für den Zeitraum vom 01.10.2004 bis 30.09 .2007 die Fachausbildung ‚Magister für ...’ bewilligt.
Der frühere Soldat wurde sowohl im Freistellungsbescheid vom 19.04.2004 als auch im Fachausbildungsbewilligungsbescheid vom 02.07.2004 dahingehend belehrt, dass er militärischen Dienst zu leisten habe, soweit er die Fachausbildung nicht oder verspätet antreten oder ihr ohne berechtigten Grund, insbesondere ohne ausdrückliche Entschuldigung durch die Arbeitsstätte, fernbleiben oder sie vorzeitig beenden würde. Er habe sich in einem solchen Fall persönlich zur Aufnahme des Dienstes zu melden.
Der frühere Soldat war seit dem 01.10.2004 als ordentlicher Studierender an der Universität M. immatrikuliert, übte jedoch bereits seit dem 09.08.2004 in Vollzeit die Tätigkeit eines ‚First Officer’ für die Firma V., Hong Kong, ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der Fluggesellschaft ..., aus. Somit hat er bereits vor Beginn seines Studiums, ohne Genehmigung des Dienstherrn, eine Vollzeittätigkeit ausgeübt, neben der ein Vollzeitstudium zum Magister von vornherein unmöglich und auch nicht zulässig war.
Infolge dessen wurden ihm Dienstbezüge in Höhe von 46.091.68 € (Brutto) für den Zeitraum vom 01.10.2004 bis zum 31.07.2005 zu Unrecht ausgezahlt.
Durch sein Verhalten hat der frühere Soldat die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt:
- der Bundesrepublik treu zu dienen,
- in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen,
- eine Genehmigung vor Aufnahme einer Nebentätigkeit zu erwirken und
- sein Verhalten so einzurichten, dass er der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Dienst als Soldat erfordert,
wobei er als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein schlechtes Beispiel gegeben hat.
Dienstvergehen nach § 23 Soldatengesetz (SG) in Verbindung mit §§ 7, 13, 17 Abs. 2 S. 1, 20 Abs. 1 S. 1 SG unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG.“

5 Ergänzend führte die Wehrdisziplinaranwaltschaft in der Nachtragsanschuldigung vom 24. Juni 2008 aus:
„Der am 31.07.2005 aus dem Dienst ausgeschiedene frühere Soldat übte während seines Erholungsurlaubs in der Zeit vom 09.08.2004 bis zum 30.09.2004 in Vollzeit und entsprechend dem geschlossenen Arbeitsvertrag mit der Fluggesellschaft V., Hong Kong, den Beruf eines ‚First Officer’ entgegen seiner Verpflichtung aus, gegebenenfalls jederzeit militärischen Dienst zu leisten.
In der Folge blieb er seinem Dienst in der Zeit vom 01.10.2004 bis zum 31.07.2005 fern, indem er diese Tätigkeit nach dem 01.10.2004 weiter ausübte, obwohl er auf seinen Antrag vom 02.02.2004 mit Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr - ... - vom 19.04.2004 für die Zeit vom 01.10.2004 bis zum 31.07.2005 ausschließlich zur Durchführung des Studiums der ... mit dem Abschluss ‚Magister’ vom militärischen Dienst freigestellt worden war. Die Ausbildung war ihm mit Bescheid des Kreiswehrersatzamts Köln, Berufsförderungsdienst ..., vom 02.07.2004 für die Zeit vom 01.10.2004 bis 30.09 .2007 bewilligt worden, wozu er sich auch ab 01.10.2004 als ordentlich Studierender an der ...-Universität zu M. eingeschrieben hatte, was er durch fortlaufende Vorlage einer Immatrikulationsbescheinigung nachzuweisen beabsichtigte.
In den genannten Bescheiden vom 19.04. und 02.07.2004 war er jeweils ausdrücklich darüber belehrt worden, dass er militärischen Dienst zu leisten habe, wenn er die Fachausbildung nicht oder verspätet antreten oder ihr ohne berechtigten Grund, insbesondere ohne ausdrückliche Entschuldigung durch die Arbeitsstätte, fernbleiben oder sie vorzeitig beenden würde, so dass er diese Bestimmungen kannte, zumindest jedoch hätte kennen können und müssen.
Infolgedessen hat er die für den Zeitraum 01.10.2004 bis zum 31.07.2005 gezahlten Dienstbezüge in Höhe von 46.091,58 EURO ohne rechtlichen Grund erhalten und sich folglich am Vermögen des Dienstherrn bereichert.“

6 Mit Urteil vom 9. September 2008 setzte die 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd den früheren Soldaten in den Dienstgrad eines Hauptmanns a.D., Besoldungsgruppe A 11, herab.
Dem Schuldspruch legte die Truppendienstgerichtskammer gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO folgende tatsächliche Feststellungen im Urteil des Schöffengerichts ... in der durch das Landgericht ... modifizierten Fassung zu Grunde, wonach der Soldat sich nicht der „Dienstentziehung durch Täuschung“ strafbar gemacht habe:
„Der Angeklagte gehörte als Berufsoffizier der Bundeswehr im Range eines Majors der Bundeswehr an und war im Jahre 2004 als Kampffliegerpilot dem Kommando der ...division im Fliegerhorst F. dienstlich unterstellt.
Im Hinblick auf den zum 01.08.05 nahenden Ruhestand wurde der Angeklagte auf seinen Antrag hin vom 02.02.2004 mit Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr am 19.04.04 für die Zeit vom 01.10.04 bis 31.07 .05 ausschließlich zum Zwecke einer Fachausbildung zum ‚Magister für ...’ an der ... vom Truppendienst freigestellt. Diese Freistellung berechtigte den Angeklagten, worüber er ausdrücklich belehrt wurde, ausschließlich zur Durchführung der Fachausbildung. Sofern er dieser Ausbildung fern blieb oder diese tatsächlich nicht antrat, war er verpflichtet, sich unverzüglich beim nächsten Disziplinarvorgesetzten zu melden, um den militärischen Dienst aufzunehmen. Auch darüber wurde der Angeklagte eingehend schriftlich belehrt. Ungeachtet dessen nahm er am 09.08.04 eine entgeltliche Festanstellung im Vollzeitbetrieb als Berufspilot für Passagierflugzeuge bei einer Tochtergesellschaft der Fluglinie ... auf und führte diese weiter, bis sein Verhalten aufgedeckt und am 23.09.05 ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde.
Dem Angeklagten war dabei klar, dass er sich dabei nicht nur durch Täuschung seiner Dienstpflicht als Berufssoldat entzog, sondern dass ihm auch seine Dienstbezüge nicht zugestanden hätten. Hätten die Mitarbeiter der Anordnungsstelle für Dienstbezüge den wahren Sachverhalt erkannt, wären entsprechende Dienstbezüge nicht ausgezahlt worden. Der dem Dienstherrn erwachsene Schaden und die hierdurch entstandene Bereicherung des Angeklagten beläuft sich mindestens auf 46.470.93 €.“

7 Die Truppendienstkammer hat im Hinblick auf ein vorliegendes Geständnis des früheren Soldaten keinen Anlass dafür gesehen, aufgrund eines nach § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO gefassten Lösungsbeschlusses diese tatsächlichen Feststellungen nochmals zu prüfen.

8 Unter Punkt IV. des Urteils hat die Truppendienstkammer das Verhalten des früheren Soldaten disziplinarrechtlich wie folgt gewürdigt:
„Der frühere Soldat hat ein Dienstvergehen begangen (§ 23 Abs. 1 SG). Mit seinem strafrechtlich als eigenmächtige Abwesenheit und Betrug zu wertenden Verhalten hat er vorsätzlich gegen die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen. Die wahrheitswidrig gemachten Angaben hinsichtlich der Ausübung einer hauptberuflichen oder Nebentätigkeit stellen sich als vorsätzlicher Verstoß gegen die Wahrheitspflicht gemäß § 13 Abs. 1 SG dar. Als Soldat mit Vorgesetztendienstgrad unterliegt er der verschärften Haftung des § 10 Abs. 1 SG. Gemäß § 18 Abs. 2 WDO sind mehrere Pflichtverletzungen als ein Dienstvergehen zu ahnden.“

9 Gegen das der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Personalamtes der Bundeswehr am 10. Oktober 2008 zugestellte Urteil hat diese fristgemäß mit Schriftsatz vom 4. November 2008 beim Truppendienstgericht Süd, 5. Kammer, am 5. November 2008 eingegangen, eine auf die Bemessung des Disziplinarmaßes beschränkte Berufung eingelegt, mit dem Ziel, gegen den früheren Soldaten auf eine weitergehende Dienstgradherabsetzung zu erkennen.

10 Zur Begründung hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft im Wesentlichen ausgeführt:
Das Dienstvergehen sei durch das Truppendienstgericht zwar rechtlich zutreffend gewürdigt worden. Die lange Dauer der unerlaubten eigenmächtigen Abwesenheit und die Art und Weise der Durchführung und Vorbereitung des Dienstvergehens machten aber eine weitergehende Dienstgradherabsetzung unausweichlich. Dass das Fehlverhalten des früheren Soldaten in den Zeitraum seiner Freistellung vom militärischen Dienst gefallen sei, entlaste diesen nicht. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung BVerwG 2 WD 8.98 nämlich festgestellt, dass derjenige Soldat, der sich von vornherein der militärischen Dienstleistung entziehe und - statt die beantragte Berufsausbildung zu absolvieren - auf Grund eines „privaten“ Dienstvertrages arbeite, seine Dienstpflichten in gleicher Weise verletze wie ein aktiver Soldat im Falle der Fahnenflucht oder der eigenmächtigen Abwesenheit. Auch wenn dem früheren Soldaten hier nicht zu beweisen sei, dass er die Freistellung vom militärischen Dienst mit der Absicht beantragt habe, in diesem Zeitraum einer anderen Tätigkeit nachzugehen, so habe er die erfolgte Freistellung zu seinem persönlichen Vorteil ausgenutzt.

III

11 Die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts Süd zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung in der Besetzung mit drei Richtern (§ 80 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 WDO).

12 Das nach § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO zulässige, zuungunsten des früheren Soldaten eingelegte Rechtsmittel ist ausdrücklich und nach dem maßgeblichen Inhalt seiner Begründung auf die Maßnahmebemessung beschränkt worden; denn mit der Berufungsschrift werden weder die im Urteil des Truppendienstgerichts zum Tatverhalten getroffenen tatsächlichen Feststellungen noch deren rechtliche Würdigung in Frage gestellt. Der Senat hat daher von den Tat- und Schuldfeststellungen sowie der rechtlichen Würdigung der Truppendienstkammer auszugehen (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 327 StPO). Das gerichtliche Disziplinarverfahren leidet jedoch an einem schweren Mangel des Verfahrens und zugleich an einem erheblichen Aufklärungsmangel im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO, so dass sich der Senat gehindert sieht, auf dieser Grundlage eine Entscheidung über die Maßnahmebemessung zu treffen.

13 Weitere Aufklärungen sind im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO erforderlich, wenn es in dem angefochtenen Urteil des Truppendienstgerichts ganz oder teilweise an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen fehlt. Ein schwerer Mangel des Verfahrens im Sinne der genannten Bestimmung liegt vor, wenn gegen eine Verfahrensvorschrift verstoßen worden ist, deren Verletzung schwerwiegend und für den Ausgang des Verfahrens (noch) von Bedeutung ist. Für den Ausgang des Berufungsverfahrens sind Mängel des truppendienstgerichtlichen Verfahrens (noch) von Bedeutung, wenn die Entscheidung über das eingelegte Rechtsmittel im Falle einer Behebung des Verfahrensfehlers anders als im Vergleich zu dessen Nichtbehebung ausfallen kann. Ein schwerwiegender Mangel des Verfahrens ist regelmäßig dann gegeben, wenn die Rechte eines Verfahrensbeteiligten wesentlich beeinträchtigt worden sind oder wenn der Verfahrensverstoß den Zweck einer Formvorschrift wesentlich vereitelt. Dazu gehört u.a. das Fehlen von ausreichenden und widerspruchsfreien Feststellungen zur Tat- und Schuldfrage (vgl. u.a. Beschlüsse vom 24. Februar 1966 - BDH 3 D 53/65 - BDHE 7, 37 und vom 11. Mai 1978 - BVerwG 2 WD 36.78 - BVerwGE 63, 72 <74> = NZWehrr 1979, 32; Urteil vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 34.02 - BVerwGE 118, 262 <268> = Buchholz 235.01 § 108 WDO 2002 Nr. 2 = NZWehrr 2004, 36; Dau, WDO, 5. Aufl. 2009, § 121 Rn. 5 i.V.m. § 120 Rn. 7). Im gerichtlichen Disziplinarverfahren muss der Tatrichter den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen erforschen und feststellen sowie diesen und die daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen in den Urteilsgründen darlegen (§ 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 267 Abs. 1 StPO). Grundsätzlich muss jedes Strafurteil und damit auch jedes Urteil in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren aus sich selbst, d.h. aus den Urteilsgründen heraus verständlich sein (vgl. Urteil vom 10. Dezember 2008 - BVerwG 2 WD 8.08 - juris Rn. 12; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. 2009, § 267 Rn. 1 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Erfüllt ein Urteil nach seinen Entscheidungsgründen diese Anforderungen nicht, liegt ein schwerwiegender Mangel des Verfahrens im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO bzw. § 121 Abs. 2 WDO vor. Denn Voraussetzung für die im Berufungsverfahren zu treffende Entscheidung über die gebotene und angemessene Disziplinarmaßnahme ist, dass die durch die Beschränkung der Berufung unangreifbar gewordenen tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, wie sie sich aus den Urteilsgründen ergeben, sowie die auf dieser Grundlage getroffenen Feststellungen zu den schuldhaften Pflichtverletzungen (= Schuldfeststellungen) des Angeschuldigten nachvollziehbar, in sich schlüssig und widerspruchsfrei sind. Unklare, widersprüchliche oder lückenhafte Feststellungen können keine ausreichende Grundlage für das festzusetzende Disziplinarmaß abgeben (vgl. Beschlüsse vom 24. Februar 1966 a.a.O. m.w.N., vom 29. März 1967 - BVerwG 1 WD 5.67 -, vom 26. März 1969 - BVerwG 1 WD 60.68 - NZWehrr 1970, 68 m.w.N.; Urteile vom 1. Juli 2003 a.a.O. m.w.N. und vom 10. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 12). Hinreichende Tat- und Schuldfeststellungen sind gerade bei einer auf die Maßnahmebemessung beschränkten Berufung unverzichtbar, weil der Prozessstoff des Berufungsverfahrens hier durch die nach § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 327 StPO unnachprüfbar gewordenen Tat- und Schuldfeststellungen des Urteils des Truppendienstgerichts festgelegt wird und vom Berufungsgericht nicht mehr geändert werden kann (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 27. Juli 1960 - BDH WD 42/60 - NZWehrr 1961, 122 <124>, vom 9. Juli 1969 - BVerwG 2 WD 17.69 - und vom 10. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 11 m.w.N.).

14 Ein solch schwerwiegender Verfahrensmangel liegt hier vor.

15 Die Truppendienstkammer hat im angefochtenen Urteil die gesetzliche Begründungspflicht in schwerwiegender Weise verletzt. Im Urteil wird ausgeführt, der frühere Soldat habe „mit seinem strafrechtlich als eigenmächtige Abwesenheit und Betrug zu wertenden Verhalten ... vorsätzlich gegen die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen“ (S. 7, vierter Absatz); ferner stellten sich seine wahrheitswidrig gemachten Angaben als vorsätzlicher Verstoß gegen die Wahrheitspflicht gem. § 13 Abs. 1 SG dar. Begründet werden diese Schuldfeststellungen jedoch nicht. Sie sind auch nicht evident. Bereits darin liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen die in § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 267 Abs. 1 StPO normierte und als Verfahrensvorschrift zu wertende Begründungspflicht. Bei fehlender Begründung können die Verfahrensbeteiligten nicht feststellen, aufgrund welcher rechtlichen Erwägungen das erstinstanzliche Gericht seine nur im Ergebnis mitgeteilten Schuldfeststellungen getroffen hat. Eine verantwortliche Prüfung und Entscheidung, ob ein Rechtsmittel eingelegt werden soll, wird ihnen damit dem Gesetz zuwider in unzumutbarer Weise erschwert.

16 Hinzu kommt, dass das angefochtene Urteil auf einem schweren Verfahrensfehler und zugleich einem erheblichen Aufklärungsmangel im Sinne von § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO beruht, weil die Truppendienstkammer zu Unrecht entgegen § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO nicht zumindest eine teilweise Lösung von den tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts ... vom 2. April 2007 (Az. 3 Ls 40 Js 30974/06) in der Fassung des Berufungsurteils des Landgerichts ... vom 28. November 2007 in Betracht gezogen und vorgenommen hat, um für eine rechtsfehlerfreie Entscheidung hinreichende tatsächliche Feststellungen treffen zu können. Solche Feststellungen waren insbesondere zu der dem früheren Soldaten zurechenbaren Täuschungshandlung (für die vom Strafgericht und auf dieser Basis von der Truppendienstkammer angenommene Straftat nach § 263 Abs. 1 StGB) erforderlich. Im sachgleichen Strafurteil des Amtsgerichts ... vom 2. April 2007 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts ... vom 28. November 2007, durch das das Strafverfahren abgeschlossen wurde, wird lediglich festgestellt, dass der frühere Soldat die im August 2004 erfolgte Aufnahme seiner Vollzeitbeschäftigung bei der Fluggesellschaft ... nicht gemeldet habe und wegen dieser Tätigkeit seinem Dienst im Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis 31. Juli 2005 eigenmächtig ferngeblieben sei. Die Mitarbeiter der Anordnungsstelle für Dienstbezüge hätten, sofern sie diesen Sachverhalt erkannt hätten, die entsprechenden Dienstbezüge nicht ausgezahlt, so dass dem Dienstherrn dann kein Schaden in Höhe von 46 470,93 € entstanden wäre, was dem früheren Soldaten bewusst gewesen sei. Diese Ausführungen können nur dahin verstanden werden, dass nach den von der Truppendienstkammer zugrunde gelegten Feststellungen im rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteil der bei den (für die an den früheren Soldaten erfolgte weitere Auszahlung der Dienstbezüge) zuständigen Bediensteten des Dienstherrn entstandene Irrtum über die (neue) Tätigkeit des früheren Soldaten durch eine Täuschungshandlung des früheren Soldaten verursacht worden sein soll, die letztlich in einer Unterlassung bestand. Zurechenbar ist ein „Handeln durch Unterlassen“ einem Täter jedoch nur dann, wenn ihn eine Garantenpflicht im Sinne des § 13 StGB zur Aufklärung des Irrtums trifft (vgl. Fischer, StGB, 56. Auflage, § 263 Rn. 22). Voraussetzung für eine Garantenpflicht nach § 13 StGB ist auch bei einem Betrug, dass der Täter in Bezug auf vermögensrelevante Tatsachen rechtlich verpflichtet ist, falschen oder fehlenden Vorstellungen des Opfers durch aktive Aufklärung entgegenzuwirken (vgl. Fischer, a.a.O., § 263 Rn. 22 m.w.N.). Diese (unterlassene) Handlung, die den tatbestandsmäßigen Erfolg verhindern würde, muss vom Garanten rechtlich gefordert werden können und im konkreten Fall zumutbar sein. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit kommt es auf die Situation und die Fähigkeit des Garanten einerseits sowie auf die Nähe, die Schwere der Gefahr und die Bedeutung des Rechtsguts andererseits an (vgl. dazu: Fischer, a.a.O., § 13 Rn. 44). Hierzu fehlt es an jeglichen Feststellungen sowohl im rechtskräftigen Strafurteil als auch im Urteil der Truppendienstkammer.

17 Angesichts dieser gravierenden Verfahrens- und Aufklärungsmängel macht der Senat nach erfolgter Anhörung der Beteiligten, die dagegen keine Einwände erhoben haben, von seinem ihm in § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO eingeräumten Ermessen einer Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und einer Zurückverweisung Gebrauch, schon weil er angesichts der erfolgten Beschränkung der Berufung hinreichende Tat- und Schuldfeststellungen nicht mehr treffen kann.

18 Für eine Zurückverweisung an ein anderes Truppendienstgericht sieht der Senat keine Veranlassung.

19 Im Rahmen einer erneuten Verhandlung wird die dann zuständige Kammer des Truppendienstgerichts Süd unter anderem zu beachten haben:

20 Im vorliegenden Urteil der Truppendienstkammer sind die Schuldfeststellungen bezüglich der für einen Betrug erforderlichen subjektiven Tatbestandsvoraussetzung der Bereicherungsabsicht unklar und widersprüchlich. Denn einerseits ist festgestellt worden, dass der Soldat einen Betrug begangen habe, was u.a. das Vorliegen einer Bereicherungsabsicht voraussetzt. Der täuschende Täter muss also mit der Absicht gehandelt haben, aus der Tat für sich oder einen Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu erlangen. Hierauf muss es ihm angekommen sein. An einer solchen Absicht fehlt es, wenn der Täter den Vermögenszuwachs nur als notwendige Folge eines anderen erstrebten Zwecks in Kauf nimmt (vgl. Fischer, a.a.O., § 263 Rn. 110). Zugleich wird im angefochtenen Urteil jedoch ausgeführt, die Kammer habe aus der Motivation des früheren Soldaten „abgeleitet, dass der frühere Soldat hinsichtlich des Betrugs in der Schuldform des ‚dolus eventualis’ gehandelt hat, indem er die voraussehbare Folge, nämlich die Entreicherung des Dienstherrn und seine eigene ungerechtfertigte Bereicherung billigend in Kauf genommen hat“ (S. 10, erster Absatz), was sich schuldmildernd auswirke, auch wenn es ihn „nicht von dem Vorwurf eines strafrechtlich relevanten Betruges“ entlaste.

21 Soweit die Truppendienstkammer das Handeln des früheren Soldaten im angefochtenen Urteil als Verstoß gegen die Pflicht zur Wahrheit gemäß § 13 Abs. 1 SG gewürdigt hat, weil er falsche Angaben hinsichtlich der Ausübung einer hauptberuflichen Tätigkeit oder einer Nebentätigkeit gemacht habe, fehlt es bisher ebenfalls an hinreichenden Schuldfeststellungen.

22 Zum Gegenstand der Urteilsfindung dürfen gemäß § 123 Satz 3 i.V.m. § 107 Abs. 1 WDO nur diejenigen Pflichtverletzungen gemacht werden, die in der Anschuldigungsschrift und ihren Nachträgen dem Soldaten als Dienstvergehen zur Last gelegt worden sind. Damit darf ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht gemäß § 13 Abs. 1 SG im gerichtlichen Disziplinarverfahren nur dann geahndet werden, wenn die entsprechende Handlung in der Anschuldigungsschrift bezeichnet worden ist. Eine solche durch § 107 Abs. 1 WDO gebotene Konkretisierung eines Vorwurfs ist aus rechtsstaatlichen Gründen unerlässlich, weil sich ein Soldat anders gegen ihn nicht hinreichend verteidigen kann (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31, vom 18. September 2003 - BVerwG 2 WD 3.03 - BVerwGE 119, 76 = Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 11 = NZWehrr 2005, 122 und vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - BVerwGE 127, 302 = Buchholz 236.1 § 11 SG Nr. 1 = NZWehrr 2005, 254).

23 In der Anschuldigungsschrift und in der Nachtragsanschuldigungsschrift wird dem früheren Soldaten, soweit ersichtlich, ausschließlich vorgeworfen, er habe seine Meldepflichten gekannt, aber ungeachtet dessen den Nichtantritt der Berufsförderungsmaßnahme nicht angegeben. Gegenstand der Anschuldigung ist demnach „nur“ das Unterlassen einer zu fordernden Meldung, nicht aber die Abgabe einer falschen. Ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht im Sinne des § 13 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SG dürfte nur dann in Betracht zu ziehen sein, wenn die geforderte Meldung wahrheitswidrig abgegeben wird, nicht aber, wenn sie unterlassen wird. In letzterem Fall dürfte der Soldat nicht gegen die Wahrheitspflicht, sondern möglicherweise gegen § 11 SG (im Falle eines Befehls zur Meldung) oder gegen seine Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG (im Falle eines Weisungsverstoßes) verstoßen haben (vgl. dazu Scherer/Alff/Poretschkin, SG, 8. Aufl., § 13 Rn. 12; Urteil vom 16. Juli 1981 - BVerwG 2 WD 9.81 - BVerwGE 73, 222). Hinreichende Feststellungen dazu, aus welchem Grund der frühere Soldat sich dennoch eines Verstoßes gegen § 13 Abs. 1 SG schuldig gemacht haben sollte, lassen sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen.

24 Im angefochtenen Urteil sind zudem bisher nicht alle angeschuldigten Vorwürfe disziplinarrechtlich gewürdigt worden. Obwohl die Wehrdisziplinaranwaltschaft im verfügenden Teil der Nachtragsanschuldigung vom 24. Juni 2008 u.a. ausführte,
„der am 31.07.2005 aus dem Dienst ausgeschiedene frühere Soldat übte während seines Erholungsurlaubs in der Zeit vom 09.08.2004 bis zum 30.09.2004 in Vollzeit und entsprechend dem geschlossenen Arbeitsvertrag mit der Fluggesellschaft V., Hong Kong, den Beruf eines ‚First Officer’ entgegen seiner Verpflichtung aus, gegebenenfalls jederzeit militärischen Dienst zu leisten“,

25 hat es die Kammer unterlassen, hierzu die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und hieraus die gebotenen disziplinarrechtlichen Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Frage, ob und inwieweit der frühere Soldat bereits während seines Erholungsurlaubs vom 9. August 2004 bis 30. September 2004 durch die Aufnahme einer entgeltlichen zivilberuflichen Tätigkeit schuldhaft gegen Dienstpflichten verstieß, bedarf der Aufklärung. Dem steht das im Wesentlichen sachgleiche Strafurteil nicht entgegen, da dieser Anschuldigungspunkt nicht zum Gegenstand des strafrechtlichen Verfahrens gemacht worden war und es schon aus diesem Grunde an diesbezüglichen, das Truppendienstgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteil fehlt.

26 Ferner wird das Truppendienstgericht im Rahmen der Maßnahmebemessung zu bedenken haben, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei unerlaubtem Fernbleiben von einerseits bewilligten berufsfördernden und andererseits berufsbildenden Maßnahmen unterschiedliche gerichtliche Disziplinarmaßnahmen in Betracht kommen können.

27 Nach der Rechtsprechung des Senats ist dabei grundsätzlich zwischen drei Fallgruppen zu unterscheiden. Ein pflichtwidriges Handeln eines Soldaten kann (1.) in einem Fernbleiben von einer Ausbildung im Rahmen der Berufsförderung am Ende der Dienstzeit (BFD), (2.) in einem Fernbleiben von einer Maßnahme der „Zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung“ (ZAW) oder einem Studium an einer Universität der Bundeswehr und (3.) in einem Fernbleiben vom Studium an einer zivilen Universität begründet liegen.

28 (1.) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Abbruch einer Fachausbildung im Rahmen der Berufsförderung grundsätzlich milder zu beurteilen als die eigenmächtige Abwesenheit eines aktiven Soldaten (vgl. Urteile vom 14. November 2007 - BVerwG 2 WD 29.06 - Buchholz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr. 4, vom 26. Januar 2006 - BVerwG 2 WD 2.05 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 50, vom 10. Juli 1990 - BVerwG 2 WD 42.89 - BVerwGE 86, 300, vom 6. März 1990 - BVerwG 2 WD 36.89 - BVerwGE 86, 258 = NZWehrr 1991, 76, vom 29. Januar 1988 - BVerwG 2 WD 61.87 -, vom 16. Mai 1984 - BVerwG 2 WD 51.83 -, vom 11. Mai 1983 - BVerwG 2 WD 14.83 - und vom 24. Juli 1974 - BVerwG 2 WD 31.74 -). Ein Soldat, der sich schon längere Zeit in der Fachausbildung befindet, ist nicht mehr im gleichen Maße in die militärische Organisation eingegliedert wie ein „aktiver“ Soldat. Bei dem Entschluss, nach Abbruch der Fachausbildung der Truppe fernzubleiben, besteht daher in der Regel eine weit geringere Hemmschwelle als bei einem Soldaten, der sich aus dem Dienst in der militärischen Gemeinschaft löst. Auch die dienstlichen Folgen der Abwesenheit sind in beiden Fällen nicht gleich. Das eigenmächtige Fernbleiben eines Soldaten, der seinen Dienst in der militärischen Einheit verrichtet, bringt in aller Regel Unruhe in die Truppe, gefährdet die militärische Disziplin und schafft unter Umständen sogar Anreiz zur Nachahmung, während ein Unterlassen der Rückkehr im Rahmen der Fachausbildung bei der Mehrzahl der Angehörigen der Einheit vielfach zunächst unbemerkt bleibt und den Dienstbetrieb nicht unmittelbar belastet. Der Dienstposten eines zur Fachausbildung vom Dienst freigestellten Soldaten ist zudem in der Zwischenzeit in der Regel anderweitig besetzt worden; selbst wenn dies im Einzelfall anders sein sollte, kann der zurückgekehrte Soldat nicht in gleicher Weise wie ein anderer Soldat wieder für den regulären Dienst eingeplant werden, weil er zumeist die weitere Bewilligung von berufsfördernden Maßnahmen beanspruchen wird. Dienstliche Nachteile, die der Truppe dadurch entstehen, dass ein Soldat im Rahmen oder nach seiner Fachausbildung nicht zur Truppe zurückkehrt, sind mithin in der Regel geringer als diejenigen, die für die Truppe durch das eigenmächtige Fernbleiben eines in der aktiven Dienstleistung in der militärischen Einheit stehenden Soldaten ausgelöst werden können. Aus diesen Gründen lässt es der Senat im Hinblick auf das in § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO zu berücksichtigende Zumessungskriterium der „Auswirkungen“ des Dienstvergehens grundsätzlich in solchen Fällen - gegenüber dem Fernbleiben aktiver Soldaten - bei der nächstniedrigeren gerichtlichen Disziplinarmaßnahme bewenden.

29 Anders bewertet der Senat allerdings die Fälle, in denen ein Soldat bewusst von Anfang an an einer Maßnahme der Berufsförderung nicht teilnimmt (Urteil vom 5. August 2008 - BVerwG 2 WD 14.07 -). Wer sich als Soldat von vornherein sowohl der möglichen Teilnahme an einer Maßnahme des Berufsförderungsdienstes als auch der militärischen Dienstleistung entzieht und stattdessen bei fortwährender Inanspruchnahme seiner Dienstbezüge zu Hause privaten oder anderen Interessen nachgeht, verletzt nach der Rechtsprechung des Senats seine Dienstleistungspflicht in ähnlicher Weise wie ein aktiver Soldat im Falle der Fahnenflucht oder der unerlaubten eigenmächtigen Abwesenheit vom Dienst. Dies gilt auch dann, wenn sich ein Soldat die Bewilligung einer Fachausbildung zwecks Freistellung vom Dienst „beschafft“, diese jedoch nicht in Anspruch nimmt, sondern stattdessen allein einer zivilberuflichen Erwerbstätigkeit nachgeht (Urteil vom 3. September 1998 - BVerwG 2 WD 8.98 - BVerwGE 113, 263 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 23 = NZWehrr 1999, 77). In diesen Fällen kann insbesondere nicht davon gesprochen werden, der Soldat habe nur eine geringe Hemmschwelle zu überwinden, um dem Dienst fernzubleiben. Denn hier wird von Beginn an die rechtlich eingeräumte Möglichkeit der Freistellung vom Dienst und der damit einhergehenden geringen Einbindung in die militärische Organisation ausgenutzt, um z.B. monetären Privatinteressen nachgehen zu können.

30 (2) Soweit ersichtlich, hat der Senat bisher nicht entschieden, ob das ungenehmigte Fernbleiben von einer Ausbildung im Rahmen der - während der Dienstzeit erfolgenden - „Zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung" (ZAW) ebenso wie das Fernbleiben von berufsfördernden Maßnahmen am Dienstzeitende milder zu bewerten ist als ein Fernbleiben vom aktiven militärischen Dienst. Einer solchen Analogie stehen jedoch erhebliche Bedenken entgegen. Zu berücksichtigen sind eine Reihe bedeutsamer Unterschiede zwischen ZAW-Maßnahmen und Maßnahmen im Rahmen der Berufsförderung am Dienstzeitende.

31 Wie der Senat im Verfahren BVerwG 2 WD 21.08 in der Berufungshauptverhandlung zum Ausdruck gebracht hat (vgl. Protokoll der Hauptverhandlung vom 29. April 2009), ist die Zivilberufliche Aus- und Weiterbildung eine militärfachliche Maßnahme für eine nachfolgende militärische Verwendung, die allerdings für den betreffenden Soldaten zugleich einen zivilberuflichen Vorteil mit sich bringt. Sie unterscheidet sich darin von Berufsförderungsmaßnahmen am Ende der Dienstzeit, die gerade darauf abzielen, einen geordneten Übergang in ein ziviles Berufsleben zu ermöglichen. ZAW-Maßnahmen sind nicht selten „militärisch“ organisiert. Teilnehmer werden häufig zu einer Hörsaal-Gruppe zusammengefasst. Lediglich die fachbezogene Ausbildungsdurchführung obliegt einem beauftragten zivilen Ausbildungsträger, die Durchführung der Ausbildung im Übrigen hingegen dem dafür eingeteilten militärischen Vorgesetzten. Insgesamt liegt damit hinsichtlich der fortbestehenden Eingliederung in den militärischen Dienstbetrieb nur ein relativ geringer Unterschied gegenüber dem militärischen Dienst vor.

32 Aber auch soweit Teilnehmer an einer ZAW-Maßnahme weniger stark militärisch eingebunden sind, bestehen zwischen dieser und einer BFD-Maßnahme am Dienstzeitende wesentliche Unterschiede, die Veranlassung zu einer differenzierten Betrachtung geben. Teilnehmer an einer ZAW-Maßnahme werden nach Beendigung der Ausbildung stets wieder in die Truppe eingegliedert. Der Ausbildungserfolg des Teilnehmers an der ZAW-Maßnahme ist somit von unmittelbarer dienstlicher Bedeutung, weil nur so die bereits im Vorfeld ausgeplanten Dienstposten bedarfsgerecht besetzt werden können. Während eine Berufsförderungsmaßnahme am Dienstzeitende den betreffenden Soldaten allein auf seine zivile Weiterbeschäftigung vorbereitet, also auf seine „Ausgliederung“ aus der Bundeswehr abzielt, werden mit der ZAW-Maßnahme hingegen die „kompetente Wiedereingliederung“ des Teilnehmers in ein militärisch geprägtes Umfeld und eine verbesserte Einsatzfähigkeit bezweckt. Vergleichbar mit den an einer Bundeswehruniversität studierenden Soldaten, die ebenfalls nach Beendigung des Studiums wieder in den militärischen Bereich zurückkehren, oder mit Soldaten, die in zivilen Organisationen der Bundeswehr tätig sind, gilt auch für Maßnahmen der ZAW, dass auch der „zivilnahe“ Dienst stets auf militärische Erfordernisse ausgerichtet ist. Anders als von den Teilnehmern an einer dienstzeitbeendenden berufsfördernden Maßnahme, wird von den Teilnehmern einer ZAW-Maßnahme eine dienstliche Leistung verlangt, die sie auf ihre weitere militärische Verwendung vorbereiten und hierfür qualifizieren soll, um künftig die ihnen zu übertragenden Aufgaben auf möglichst hohem Niveau erfüllen zu können. Unerlaubtes Fernbleiben von einer ZAW-Maßnahme ist daher im Regelfall mit einem ungenehmigten Fernbleiben eines „aktiven Soldaten“ vom rein militärischen Dienst vergleichbar.

33 (3) Davon zu unterscheiden ist die dritte Fallgruppe. Soldaten, vornehmlich Medizinstudenten, die an einer Universität außerhalb der Bundeswehr im Rahmen ihres Dienstverhältnisses studieren und die nach Beendigung des Studiums wieder in die militärische Organisation eingliedert werden sollen, werden in der Regel vom Dienst beurlaubt. Eine Beurlaubung schließt eine eigenmächtige Abwesenheit im Sinne des § 15 WStG schon tatbestandsmäßig aus.

34 Die Truppendienstkammer wird auf der Grundlage entsprechender Tat- und Schuldfeststellungen ggf. zu prüfen haben, welcher dieser Fallgruppen das Verhalten des früheren Soldaten vorliegend am ehesten zuzurechnen ist.

35 Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens und die Erstattung der dem früheren Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen ist der Schlussentscheidung vorbehalten.