Beschluss vom 19.06.2008 -
BVerwG 8 B 10.08ECLI:DE:BVerwG:2008:190608B8B10.08.0

Beschluss

BVerwG 8 B 10.08

  • Bayerischer VGH München - 08.10.2007 - AZ: VGH 4 BV 06.120

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Juni 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ohne mündliche Verhandlung am 8. Oktober 2007 ergangenen Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 33 265,61 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Vorbringen des Klägers rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Weder weist die Sache die ihr beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf noch ist die behauptete Divergenz ausreichend dargelegt (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

2 1. Die eingangs gestellte Frage,
ob nachträgliche Überlegungen des Gesetzgebers - eines anderen Gesetzgebers - den zuvor vom anderen Gesetzgeber gewählten Gesetzestext umgestalten können,
ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist ohne Weiteres zu verneinen. Zur Feststellung des Inhalts einer Norm, wie sich dieser durch Wortlaut, Sinnzusammenhang, Entstehungsgeschichte und Zweck der Regelung ergibt, sind nachträgliche Überlegungen des Gesetzgebers ungeeignet. Das Berufungsgericht hat auch nicht auf die Neufassung von Art. 49a Abs. 4 BayVwVfG abgehoben, sondern sich nur in seinem Auslegungsergebnis durch die Hinzufügung von Satz 2 zu dieser Vorschrift bestätigt gesehen.

3 Die Frage kann auch deshalb nicht revisionseröffnend sein, weil eine Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine für die Zukunft maßgebende Klärung herbeiführen soll. Die Frage betrifft aber nicht die aktuelle Rechtslage; sie ergäbe für die gegenwärtige Fassung von Art. 49a Abs. 4 BayVwVfG keinen Sinn.

4 2. Die sodann gestellte Frage,
ob gezahlte Fördermittel, die vor dem eigentlichen Leistungsbescheid gezahlt wurden, der Vorschrift des Art. 49a Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG unterfallen,
lässt sich ebenfalls ohne Weiteres beantworten. Danach kann die Rechtsfolge von Art. 49a Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG auch bei der Erbringung einer Leistung ohne Verwaltungsakt eintreten. Eine Leistung im Sinne dieser Vorschrift ist jede bewusste und gegenüber dem Empfänger zweckgerichtete Vermögensvermehrung. Sie liegt unabhängig davon vor, ob sie Gegenstand eines Leistungsbescheides ist oder zu ihrer rechtlichen Absicherung auf diesen noch harrt. Zwar trifft Art. 49a BayVwVfG anders als § 50 Abs. 2 SGB X keine eindeutige Aussage über Leistungen ohne Verwaltungsakt, aber der Wortlaut von Absatz 4 dieser Vorschrift enthält keine Einschränkung, und auch der Zweck der Vorschrift spricht nicht dafür. Zweck der Vorschrift ist es, einen (potentiellen) ungerechtfertigten Zinsvorteil auf Seiten des Zuwendungsempfängers abzuschöpfen (vgl. Urteil vom 26. Juni 2002 - BVerwG 8 C 30.01 - BVerwGE 116, 332 <338> = Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 2). Dieses Ziel würde teilweise verfehlt, hinge die Verzinsung vom Vorliegen eines Leistungsbescheides ab.

5 3. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Frage nicht von grundsätzlicher Bedeutung,
ob die Gesetzesmotive des Bayerischen Landtages bei der Auslegung der landesrechtlichen Vorschrift zu beachten sind und ob es dem Landesgesetzgeber gestattet ist, eine gleichlautende in Abstimmung mit den anderen Landesgesetzgebern geltende Vorschrift erst mit Geltung dieser neuen Vorschrift in Kraft zu setzen.

6 Die Frage hat keinen aktuellen Bezug. Sie betrifft die Rechtslage vor Einfügung von Satz 2 in Art. 49a Abs. 4 BayVwVfG. Rechtsfragen, die eine alte Gesetzesfassung betreffen, kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu; denn das die Zulassung der Revision rechtfertigende Ziel, mit der Revision der Erhaltung der Rechtssicherheit und der Weiterentwicklung des Rechts zu dienen, kann in aller Regel nicht mehr erreicht werden, wenn sich ihr die zu klärende Rechtsfrage im Zusammenhang mit früherem Recht oder Übergangsregelungen stellt und ihre Beantwortung deshalb nicht für die Zukunft richtungweisend sein kann (vgl. Beschluss vom 9. Juni 2000 - BVerwG 4 B 19.00 - juris).

7 4. Die für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage,
ob ein Ministerium durch Verwaltungsvorschriften eine gesetzliche Regelung abändern kann,
hat der Kläger selbst verneint. Dem würde in einem Revisionsverfahren nichts Wesentliches hinzuzufügen sein. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Abweichung „von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 07. 10. 1967, A.Z. VI C 5963“ ist unzureichend bezeichnet und trotz Hinweises des Beklagten vom Kläger nicht vervollständigt worden. Die Divergenz, welche der Kläger auch durch eine andere Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sieht, kann die Zulassungsvoraussetzung von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht erfüllen, worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat.

8 5. Die abschließende Frage,
ob eine relevante Überschreitung des Fördersatzes durch Nichteinsatz eigener Mittel für einen gewissen Zeitraum auch eine Zinsforderung dann berechtigt, wenn nicht relevante Überschreitungen minimalster Art vorliegen, auch zur Geltendmachung von anteiligen Zinsen aus dieser minimalen Überschreitung für einen entsprechenden Zeitraum,
würde sich im angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen können. Abgesehen davon, dass die Fragestellung in ihrer Allgemeinheit eine generelle Antwort nicht zulässt, sind die für die Zinsberechnung maßgebenden Rechnungsposten bisher nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gewesen. Sie werden vom Kläger in seiner Beschwerde auch nur teilweise wiedergegeben, ohne dass daraus eine nachvollziehbare Zinsberechnung erfolgen könnte. Mangels ausreichender Feststellungen wäre daher die angegriffene Ermessensentscheidung im Revisionsverfahren nicht nachprüfbar.

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47, 52 GKG.