Beschluss vom 19.06.2003 -
BVerwG 8 B 88.03ECLI:DE:BVerwG:2003:190603B8B88.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.06.2003 - 8 B 88.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:190603B8B88.03.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 88.03

  • VG Potsdam - 29.01.2003 - AZ: VG 6 K 5598/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Juni 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K r a u ß und G o l z e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 29. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 91 521,25 € festgesetzt.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie wendet sich überwiegend im Stile einer Berufungsbegründung - mit Beweisantritten - gegen die inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, vgl. 1.). Verfahrensfehler, auf denen das angefochtene Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), werden teilweise ebenfalls nicht prozessordnungsgemäß bezeichnet. Im Übrigen liegen sie nicht vor (vgl. 2.).
1. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11>). Die Beschwerde muss also die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen.
Mit der pauschalen Behauptung, das Verwaltungsgericht verstoße gegen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage einer Überschuldung gemäß § 1 Abs. 2 VermG, wird eine Divergenz daher nicht ansatzweise prozessordnungsgemäß bezeichnet.
2. a) Die geltend gemachte Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Eine Aufklärungsrüge setzt die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen. Dem genügt die Beschwerde nicht.
Soweit die Beschwerde ausführt, das Gericht habe einen Teil des Sachvortrages des Klägers in seinem Schriftsatz vom 3. Dezember 2002 nicht gewürdigt (S. 8 der Beschwerdebegründung) wird schon keine ermittlungsbedürftige Tatsache genannt, sondern lediglich die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts kritisiert. Gleiches gilt, soweit die Beschwerde rügt, das Verwaltungsgericht habe Unterlagen zur "Ausgabenseite" nicht in vollem Umfang gewürdigt (Beschwerdebegründung S. 14). Ebenso wird lediglich die gerichtliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung angegriffen, wenn behauptet wird, das Gericht habe nicht gewürdigt, dass der Mieter W. eine Mietminderung ausgesprochen habe (S. 23 der Beschwerdebegründung).
Soweit die Beschwerde rügt, das Verwaltungsgericht sei einem Beweisangebot des Klägers zur Höhe der Kosten eines eingebauten Backofens nicht nachgegangen (Beschwerdebegründung S. 20), wird nicht dargelegt, wieso nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts hierzu Ermittlungen notwendig gewesen wären und warum, obwohl der anwaltlich vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung insoweit keinen Beweisantrag gestellt hat, sich dem Gericht eine Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen.
Auch soweit die Beschwerde rügt, das Verwaltungsgericht habe nicht aufgeklärt, ob die erzielten Pachteinnahmen nicht nur für das streitgegenständliche Hausgrundstück, sondern auch für Nachbargrundstücke gezahlt wurden (Beschwerdebegründung S. 24), wird ein Verfahrensmangel nicht prozessordnungsgemäß dargelegt. So werden schon keine Beweismittel genannt, die zur Verfügung gestanden hätten.
b) Soweit die Beschwerde rügt, das Verwaltungsgericht habe gegen Denkgesetze verstoßen und den festgestellten Sachverhalt in erheblichem Maße seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt, wird teilweise nicht prozessordnungsgemäß dargelegt, dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Im Übrigen liegt ein geltend gemachter Verfahrensmangel, auf dem das verwaltungsgerichtliche Urteil beruhen kann, nicht vor. Die Rüge der Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 VwGO) bleibt deshalb ohne Erfolg.
Es gehört zu der dem Tatsachengericht durch § 108 Abs. 1 VwGO übertragenen Aufgabe, sich im Wege der freien Beweiswürdigung unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden (vgl. etwa Beschluss vom 14. März 1988 - BVerwG 5 B 7.88 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 199 S. 31 <32 f.>). Revisionsrechtlich sind die Grundsätze der Beweiswürdigung dem sachlichen Recht zuzurechnen. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann deswegen ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO regelmäßig nicht bezeichnet werden (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 12. Januar 1995 - BVerwG 4 B 197.94 - Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 1 <4>). Allenfalls könnte eine Verletzung der Denkgesetze im Rahmen der Tatsachenwürdigung der Vorinstanz als Verfahrensmangel in Betracht gezogen werden (vgl. dazu Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272 f.>). Ein Tatsachengericht hat aber nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen; es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr; Urteil vom 20. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 147.86 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 <4>). Eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes liegt nicht schon dann vor, wenn das Tatsachengericht nicht sämtliche festgestellten Umstände in den Gründen seiner Entscheidung verarbeitet. Das Urteil eines Tatsachengerichts kann vielmehr allenfalls dann auf einer Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes beruhen, wenn das Gericht in den Gründen seiner Entscheidung von einem aktenwidrigen Sachverhalt ausgeht und dies - nach der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts - entscheidungserheblich ist.
Davon kann hier keine Rede sein. Die Beschwerde führt zum einen aus, das verwaltungsgerichtliche Urteil verstoße gegen Denkgesetze, weil die Entscheidung des Gerichts mit den zugrunde gelegten Beweismitteln nicht in Einklang zu bringen sei (S. 14 der Beschwerdebegründung). An dieser Stelle wird lediglich die zuvor vorgebrachte Kritik an der tatsächlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung als ein Verstoß gegen Denkgesetze bezeichnet, ohne dass dargelegt wird, welche konkrete Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts mit den Gesetzen der Logik unvereinbar sein soll. Zum anderen wird ein weiterer Verstoß gegen Denkgesetze gerügt (S. 17 der Beschwerdebegründung), bei dem die Beschwerde selbst einräumt, dass die Klärung des genannten Umstands evtl. nicht entscheidungserheblich war (Beschwerdebegründung S. 17).
Soweit die Beschwerde schließlich an verschiedenen Stellen der umfangreichen Beschwerdebegründung (u.a. S. 2 f., S. 15 ff.) rügt, das Verwaltungsgericht habe einen Gasherd mit einem Backofen verwechselt, kann jedenfalls das angefochtene Urteil nicht auf einem Verfahrensfehler beruhen.
Die Zeugin W. hat - ausweislich der Sitzungsniederschrift (VG-Akte Bl. 210 f.) - ausgesagt, dass der Backofen im Januar 1978 nicht funktionstüchtig war, dass die Funktionstüchtigkeit aber bis zur Eröffnung ihrer Bäckerei am 25. März 1978 wiederhergestellt worden war. Insoweit geht das Verwaltungsgericht nicht von einem aktenwidrigen Sachverhalt aus.
Der Kläger hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragen, der Backofen habe 1980 vollständig erneuert werden müssen. Dieser Vortrag wird durch das Schreiben des Installateurmeisters T. vom 10. Januar 1980 weder gestützt noch widerlegt. Denn dieses Schreiben befasst sich mit einem Gasherd und nicht mit dem Backofen. Insoweit hat das Verwaltungsgericht Backofen und Gasherd verwechselt. Die Zeugin W., die Aussagen zu der - erst 1978 wiederhergestellten - Funktionsfähigkeit des Backofens zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts hätte machen können, machte hierzu - wie die Beschwerde selbst ausführt (Beschwerdebegründung S. 19) - keine Angaben. Wieso sie vom klägerischen Prozessbevollmächtigten nicht hierzu, sondern zu anderen Tatsachen befragt wurde, ist nicht ersichtlich. Ob angesichts dessen das Verwaltungsgericht den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) verletzt hat, kann dahinstehen.
Jedenfalls kann das Urteil - nach der maßgeblichen materiellrechtlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts - nicht auf diesem Verfahrensmangel beruhen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es zur Überzeugung gelangt ist, dass kostendeckende Mieten, nämlich ein jährlicher Überschuss in Höhe von 2 572,41 Mark erzielt wurden. Nach Auffassung des Klägers hätte der Alteigentümer für den Backofen jährlich eine Instandsetzungsrücklage von mindestens 2 000 Mark bilden müssen (Beschwerdebegründung S. 15). Geht man davon aus, liegt immer noch ein Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben vor. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn man von den - aus Sicht des Klägers - günstigstmöglichen Annahmen ausgeht, nämlich Kosten für einen Backofen in Höhe von 35 000 Mark und einer Lebensdauer des Backofens von 15 Jahren. Dadurch würde sich die jährlich anzusetzende Instandsetzungsrücklage lediglich auf 2 333,33 Mark erhöhen.
Schließlich sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in den Entscheidungsgründen seines Urteils zu den Aussagen des Zeugen H. - entgegen dem Vortrag der Beschwerde - nicht aktenwidrig. Das Verwaltungsgericht geht nicht von einer "nicht getätigten" Aussage des Zeugen aus. Vielmehr würdigt es dessen - in der Sitzungsniederschrift enthaltene - Aussage im Rahmen der ihm obliegenden Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Es durfte der Aussage des Zeugen Glauben schenken, auch wenn dieser seine Aussage zu einem weit zurückliegenden Vorgang mit dem einschränkenden Zusatz "soweit ich weiß" versehen hat. Weiter konnte das Verwaltungsgericht der Zeugenaussage, der Gasbackofen sei auf Kosten der Stadtbäckerei eingebaut worden, die Feststellung entnehmen, der Ofen sei nicht nur auf eigene Kosten eingebaut, sondern auch auf eigene Kosten unterhalten worden. Im Übrigen ist nicht dargelegt, wieso sich an dem vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnis etwas hätte ändern können, wenn der Backofen nicht auf Kosten der Bäckerei unterhalten worden wäre.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13 und 14 GKG.