Beschluss vom 19.06.2003 -
BVerwG 7 B 29.03ECLI:DE:BVerwG:2003:190603B7B29.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.06.2003 - 7 B 29.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:190603B7B29.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 29.03

  • VG Chemnitz - 31.01.2003 - AZ: VG 4 K 3769/93

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Juni 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 31. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 138 000 € festgesetzt.

Die Klägerin beansprucht die Rückübertragung eines Mietwohngrundstücks, das ihre Rechtsvorgängerin durch notariellen Kaufvertrag vom 5. Dezember 1967 an den VEB ... in Volkseigentum verkaufte, nachdem eine rund 1 000 m² große Teilfläche im Oktober 1966 auf Antrag des VEB zum Bau von Garagen auf der Grundlage des Aufbaugesetzes in Anspruch genommen worden war. Die Widerspruchsbehörde lehnte den Rückübertragungsantrag unter Aufhebung des Ausgangsbescheids ab, weil dem Eigentumsverlust der Rechtsvorgängerin der Klägerin keine unlauteren Machenschaften zugrunde gelegen hätten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen; der durch den Kaufvertrag eingetretene Eigentumsverlust sei weder durch Nötigung oder Täuschung der Verkäuferin bei Vertragsabschluss noch durch Ausübung manipulativen Verkaufsdrucks im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Teilfläche herbeigeführt worden. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Beschwerde möchte geklärt wissen,
ob "unlautere Machenschaften im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG vor(liegen), wenn staatliche Stellen der DDR ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück im Jahre 1967 käuflich erwarben, die Eigentümerin zum Verkauf durch die Ankündigung zwangen, diese müsse bei Weigerung aus ihrer Wohnung ausziehen, und gleichzeitig feststeht, dass eine rechtmäßige Inanspruchnahme des Wohngrundstücks nach den damals geltenden Bestimmungen nicht in Betracht kam".
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass in der Ankündigung einer Enteignung für den Fall des Scheiterns eines Kaufvertrags eine unlautere Machenschaft i.S. von § 1 Abs. 3 VermG gesehen werden kann, wenn die angekündigte Enteignung ihrerseits manipulativ oder willkürlich gewesen wäre (Beschluss vom 19. Dezember 1997 - BVerwG 7 B 341.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 132). Das Beschwerdevorbringen lässt einen weiteren Bedarf an rechtsgrundsätzlicher Klärung nicht erkennen. Ob eine Manipulation konkret vorlag und für einen Grundstücksverkauf ursächlich war, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen und deshalb einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Soweit
die Beschwerde einzelne Umstände des vorliegenden Sachverhalts in eine abstrakte Formulierung einkleidet, wird damit keine Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung dargelegt.
Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Verfahrensfehler zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Soweit die Beschwerde eine fehlerhafte Überzeugungsbildung des Gerichts im Zusammenhang mit der behaupteten Nötigung zum Grundstücksverkauf bemängelt, macht sie eine fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts und der erhobenen Beweise geltend. Abgesehen davon, dass mit Angriffen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung in aller Regel ein materiellrechtlicher Mangel und nur ausnahmsweise ein Verfahrensmangel bezeichnet werden kann, legt die Beschwerde nicht dar, dass die Voraussetzungen für einen solchen Verfahrensmangel vorliegen könnten. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist im Rahmen der Tatsachenwürdigung nur dann gegeben, wenn die Vorinstanz gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder einen unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Hierzu trägt die Beschwerde nichts vor, sondern setzt lediglich der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des Verwaltungsgerichts eine davon abweichende eigene Bewertung entgegen. Im Übrigen kann von einer Nötigung zum Verkauf schon deswegen keine Rede sein, weil der kurz vor Abschluss des notariellen Vertrags verstorbene Ehemann der Rechtsvorgängerin der Klägerin stets auf die Veräußerung des gesamten Grundstücks hingewirkt und durch eine Eingabe seines Rechtsanwalts an den Staatsrat der DDR schließlich erreicht hatte, dass der stellvertretende Staatsratsvorsitzende den VEB zum Erwerb des Grundstücks veranlasste, dem ein noch vom Ehemann abgeschlossener Vorvertrag zugrunde lag.
Ebenso wenig ergibt das Vorbringen der Beschwerde zur angeblich willkürlichen Inanspruchnahme des Teilgrundstücks den geltend gemachten Verfahrensfehler. Das Verwaltungsgericht hat auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angenommen, dass es sich dabei nicht um eine manipulative Enteignung handelte. Seine Überzeugung beruht auf einer verfahrensfehlerfreien Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Die Beschwerde hält die Beweiswürdigung für falsch, weil sie die Zeugenaussagen anders als das Verwaltungsgericht bewertet. Ihr Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe die Zeugenaussagen selektiv gewürdigt, trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung angesichts widersprüchlicher Zeugenaussagen zu der von der Klägerin behaupteten "Nacht- und Nebelaktion" entscheidend darauf gestützt, dass in der anwaltlichen Eingabe an den Rat des Bezirks von Vorgängen dieser Art keine Rede gewesen sei, obwohl es nahe gelegen hätte, einen darin erblickten vorzeitigen Zugriff auf das Grundstück zu beanstanden; diese Würdigung lässt keinen Verfahrensfehler erkennen. Soweit die Beschwerde ein Indiz für die nach ihrer Ansicht willkürliche Inanspruchnahme aus dem Handeln des VEB "unter erhebli-
chem Zeitdruck" abzuleiten sucht, geht sie von offensichtlich unzutreffenden Voraussetzungen aus.
Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die offenkundig fehlerhafte Wertermittlung des Sachverständigen nicht als Täuschung der Rechtsvorgängerin der Klägerin anzusehen sei, ist frei von Verfahrensfehlern zustande gekommen. Das Verwaltungsgericht hat den Standpunkt vertreten, beim freihändigen Verkauf eines Grundstücks habe ein Kaufpreis vereinbart werden können, der unter dem nach den Bewertungsrichtlinien zu ermittelnden höchstzulässigen Kaufpreis gelegen habe; dass der vom Gutachter ermittelte Wert den Bewertungsrichtlinien nicht entsprochen habe, sei sowohl für den damaligen Eigentümer als auch für seinen Rechtsanwalt ohne weiteres erkennbar gewesen. Darin liegt kein Verstoß gegen die Denkgesetze, der nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts voraussetzt, dass ein vom Tatsachengericht gezogener Schluss aus Gründen der Logik schlechthin unmöglich ist (vgl. Beschluss vom 8. Juli 1988 - BVerwG 4 B 100.88 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 34 m.w.N.). Davon abgesehen legt die Beschwerde nicht dar, dass mit dem Bewertungsfehler die Absicht verfolgt wurde, den rechtsgeschäftlichen Erwerb des Grundstücks überhaupt erst zu ermöglichen; nur bei einem derart zielgerichteten Handeln könnte hier von einem manipulativen Eigentumszugriff i.S. des § 1 Abs. 3 VermG ausgegangen werden. Soweit die Beschwerde einen Fall des freihändigen Erwerbs unter Bezugnahme auf den Feststellungsbescheid vom 8. Dezember 1967 in Abrede stellt, übersieht sie, dass dieser Bescheid lediglich die Inanspruchnahme der Teilfläche betrifft. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.