Beschluss vom 19.05.2009 -
BVerwG 5 B 6.09ECLI:DE:BVerwG:2009:190509B5B6.09.0

Beschluss

BVerwG 5 B 6.09

  • VG Gera - 30.10.2008 - AZ: VG 5 K 739/06 Ge

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Mai 2009
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 30. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 40 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Es bedarf keiner weiteren Prüfung und Entscheidung, ob die Beigeladene durch die angegriffene Entscheidung überhaupt materiell beschwert, d.h. in eigenen subjektiven Rechten verletzt und rechtsmittelbefugt ist. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen jedenfalls nicht vor.

2 1. Die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu.

3 Grundsätzliche Bedeutung misst die Beschwerde den Fragen bei:
„Ist aufgrund der Widmung und Verwendung eines Vermögensgegenstandes zu liturgischen Zwecken (res sacra) die Restitution ausgeschlossen?“ und
„Kommt eine entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG in Betracht oder ist die Restitution von der Natur der Sache ausgeschlossen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG)?“

4 Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Denn sie bedürfen keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Es folgt unmittelbar aus dem Gesetz, dass die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AusglLeistG angezeigte Rückgabe der hier in Rede stehenden, beweglichen Sache (Altarflügel) nicht aufgrund einer Widmung und Verwendung zu liturgischen Zwecken bzw. aufgrund der „Natur der Sache“ ausgeschlossen ist.

5 1.1 Nach den bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind die Voraussetzungen für einen Eigentumserwerb der Beigeladenen an den Altarflügeln infolge ihrer Verbindung mit dem Hauptaltar nicht erfüllt; vielmehr handele es sich um sonderrechtsfähige Scheinbestandteile der G.-Kirche bzw. seien die Altarflügel von dem Mittelteil ohne physische Zerstörung oder Wesensbeeinträchtigung wieder zu trennen. Es besteht mithin privatrechtliches Eigentum des Klägers an den Altarflügeln. Dies ist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AusglLeistG notwendige Voraussetzung der Rückgabe. Die Voraussetzungen des Rückgabeausschlusses nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 AusglLeistG (redlicher Erwerb des Eigentums) macht auch die Beschwerde nicht geltend.

6 1.2 Nicht zu entscheiden ist, ob der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache bereits entgegensteht, dass das Verwaltungsgericht nicht - wie die Beschwerde voraussetzt - festgestellt hat, dass die Altarflügel durch die Verbindung mit dem Mittelteil und der 1940 erfolgten Weihe Bestandteile einer (einheitlichen) kirchlichen öffentlichen Sache geworden seien, sondern dies gerade nicht abschließend entschieden hat (UA S. 11 f.). Wegen der tatrichterlich festgestellten Trennbarkeit der Altarflügel von dem Mittelteil des Altares und der „Sonderrechtsfähigkeit“ der Altarflügel ist eine Rückgabe jedenfalls tatsächlich möglich. Dabei ist nicht zu vertiefen, ob die Altarflügel bereits dadurch ihre Eigenschaft verlieren (können), dem liturgischen Gebrauch gewidmete Sache zu sein. Eine etwaige Widmung zum liturgischen Gebrauch, die nicht auf im Eigentum der sie nutzenden Religionsgemeinschaft stehenden Sachen beschränkt ist (s. Schütz, Res sacrae, in: J. Listl/D. Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Zweiter Band, 2. Aufl., Berlin 1995, § 38 S. 11), steht schon wegen der kirchenrechtlich nicht ausgeschlossenen Möglichkeit der Entwidmung (s. Schütz S. 15 f.) der faktisch möglichen „Rückgabe“ im Sinne einer Rückübertragung des Eigentums an den Altarflügeln rechtlich nicht entgegen. Angesichts der vom Verwaltungsgericht festgestellten tatsächlichen Trennbarkeit von Mittelteil und Altarflügeln ist auch das von der Beigeladenen herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 9. Dezember 2004 - BVerwG 7 C 4.04 - Buchholz 428 § 4 Abs. 1 VermG Nr. 12) nicht übertragbar, nach dem die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks von der Natur der Sache her ausgeschlossen sein kann, wenn die Rückgabe die Aufteilung eines neu zugeschnittenen Grundstücks verlangt und infolge dieser Aufteilung eine bauliche Funktionseinheit aus Gebäude und ihm zugeordneten Flächen eigentumsrechtlich zerschnitten wird. Offen bleiben kann, ob bereits durch diese Entscheidung geklärt ist, dass für einen - vermögens- oder ausgleichsrechtlichen - Rückübertragungsausschluss kraft „Natur der Sache“ die rechtliche Verknüpfung durch Widmung als res sacra nicht ausreicht.

7 Die in § 5 Abs. 2 AusglLeistG kraft Gesetzes unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehenen Beschränkungen der Nutzung eines zurückzuübertragenden Gegenstandes durch einen unentgeltlichen öffentlichen Nießbrauch bestätigen, dass die Rückübertragung des Eigentums nicht notwendig die (sofortige und uneingeschränkte) Befugnis umfasst, alle Eigentümerbefugnisse ausüben zu können. Die Rückübertragung bewirkt ebenso wenig wie ein Eigentümerwechsel, dass die Überlagerung des privatrechtlichen Eigentums durch die religiöse Zweckbestimmung und die hieraus folgenden Beschränkungen der Eigentümerbefugnisse erlöschen. Dann aber ist nicht klärungsbedürftig, dass die Beschränkung der Verkehrsfähigkeit eines Gegenstandes und die Pflicht des Eigentümers, die der religiösen Zweckbestimmung entsprechende Benutzung der Sache zu dulden (s. Schütz a.a.O. S. 11 f.), der Rückübertragung des Eigentums nicht entgegensteht. Unter welchen Voraussetzungen einem Eigentümer ein Anspruch auf Entwidmung zustehen kann (dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 1998 - 2 BvR 1275/96 - BVerfGE 99, 100; BVerwG, Urteil vom 15. November 1990 - BVerwG 7 C 9.89 - BVerwGE 87, 115; VG Augsburg; Urteil vom 1. Oktober 2002 - Au 9 K 02.537 - juris), ist nicht Gegenstand des Verfahrens nach dem Ausgleichsleistungsgesetz und für die Auslegung und Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 1 AuslGlLeistG auch nicht inzident zu prüfen.

8 1.3 Es bedarf auch nicht der Klärung in einem durchzuführenden Revisionsverfahren, dass die Rückgabe nicht wegen einer entsprechenden Anwendung des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG ausgeschlossen ist. Angesichts der in § 5 Abs. 3 Satz 1 AusglLeistG ausdrücklich angeordneten entsprechenden Anwendung des § 10 des Vermögensgesetzes erscheint bereits fraglich, ob die in § 5 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG getroffene Regelung zum Ausschluss der Rückübertragung beweglicher Sachen überhaupt eine entsprechende Anwendung der Regelungen zum Ausschluss der Rückübertragung von Eigentumsrechten an Grundstücken und Gebäuden (§ 5 VermG) zulässt. Eine unbeabsichtigte Regelungslücke in § 5 AusglLeistG, die durch eine entsprechende Anwendung des § 5 VermG zu schließen ist, ist weder schlüssig dargelegt noch erkennbar. Der von der Beigeladenen als möglich erachteten entsprechenden Anwendung des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG steht jedenfalls entgegen, dass § 5 VermG den Ausschluss der Rückübertragung von Grundstücken und Gebäuden erfasst, während § 5 Abs. 1 Satz 1 AusglLeistG nur auf die Rückübertragung beweglicher, nicht in einen Einheitswert einbezogener Sachen anzuwenden ist. Überdies erfasst, wie auch die Beschwerdebegründung anerkennt, § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG nur Grundstücke und Gebäude, die dem Gemeingebrauch gewidmet sind. Die Beschwerdebegründung behauptet zwar für die Widmung als res sacra, dass sie „zu einer öffentlich-rechtlichen Überlagerung des Eigentums wie bei einer öffentlich-rechtlichen Widmung zum Gemeingebrauch“ führe, legt dies aber nicht näher dar (a.A. etwa Wolff/Bachhof, Verwaltungsrecht, Band 2, 6. Aufl., München 2000, § 76 Rn. 27, nach denen die res sacrae insofern keine eigenständige Kategorie des öffentlichen Sachenrechts bilden, als sie je nach ihrem Widmungszweck den Sachen im Gemein-, Anstalts- und Verwaltungsgebrauch zuzurechnen seien; für die Einordnung als öffentliche Sachen sui generis demgegenüber Schütz a.a.O. S. 7). Eine dem Gemeingebrauch im Verständnis des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG vergleichbare, zulassungsfreie Nutzung beliebiger Dritter an einem dem liturgischen Gebrauch gewidmeten Altar dürfte ausscheiden.

9 2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen, dass der derzeitige, von der Rückgabe betroffene Eigentümer nicht nach § 65 Abs. 2 VwGO beigeladen worden sei. Das Unterbleiben der Beiladung anderer, gleichfalls notwendig beizuladender Personen ist für die Rechtsstellung desjenigen, der ordnungsgemäß am Verfahren beteiligt worden ist und damit dem Zweck der notwendigen Beiladung entsprechend auf das Verfahrensergebnis einwirken konnte, ohne Bedeutung (Beschluss vom 4. April 2000 - BVerwG 7 B 190.99 - VIZ 2000, 661).

10 3. Von einer weitergehenden Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

11 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur Streitwertbemessung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und folgt der nachvollziehbaren und auch von den Beteiligten nicht beanstandeten Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts.