Beschluss vom 19.03.2003 -
BVerwG 7 B 132.02ECLI:DE:BVerwG:2003:190303B7B132.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.03.2003 - 7 B 132.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:190303B7B132.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 132.02

  • VG Berlin - 20.06.2002 - AZ: VG 22 A 390.98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. März 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
G ö d e l und K l e y
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Der Kläger begehrt die Feststellung seiner vermögensrechtlichen Berechtigung und seines Anspruchs auf Erlösauskehr hinsichtlich eines in Berlin-Mitte gelegenen Teilgrundstücks und dessen investiver Veräußerung. Das Verwaltungsgericht hat seiner Klage stattgegeben, weil der seinerzeitigen Inanspruchnahme der Fläche eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 des Vermögensgesetzes - VermG - zugrunde gelegen habe und die Rückgabe des Grundstücks im Zeitpunkt seiner investiven Veräußerung nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG ausgeschlossen gewesen sei.
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (1.), noch ist die nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gerügte Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erkennbar (2.). Schließlich liegen auch keine Verfahrensmängel vor, auf denen das angegriffene Urteil im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruht (3.).
1. a) Die Beigeladene hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
"ob die Inanspruchnahme eines Grundstücks nach der Aufbauverordnung vor dem Erlass der Anweisung des Stadtbauamtes über die Erweiterung der Anwendung der Aufbauverordnung vom 2. Mai 1959 für Baumaßnahmen einer politischen Partei für sich genommen eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG ist."
Die Beantwortung dieser Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich in einem Revisionsverfahren so nicht stellen würde. Das Verwaltungsgericht hat eine unlautere Machenschaft der Behörden der DDR nicht allein deswegen bejaht, weil auf das Grundstück zugunsten der NDPD bereits vor der genannten Anweisung zugegriffen wurde; vielmehr hat es die maßgebliche Manipulation darin gesehen, dass die Inanspruchnahme aufgrund eines vorgeschobenen Zwecks durchgeführt wurde.
b) Ebenso wenig grundsätzlich klärungsbedürftig sind die im Zusammenhang mit dem vom Verwaltungsgericht verneinten Rückgabeausschluss aufgeworfenen Fragen der Beigeladenen,
"ob die Restitution einer nicht mit öffentlichen Wegen verbundenen Teilfläche eines Grundstücks im Rechtssinne auch dann im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG möglich ist, wenn hierdurch ein mit der Zerlegung entstehendes anderes Grundstück mit einem Notwegerecht belastet werden muss, über dessen Grundfläche das frühere Gesamtgrundstück erschlossen war,"
und
"ob die Restitution einer nicht mit öffentlichen Wegen verbundenen Teilfläche eines Grundstücks im Rechtssinne auch dann im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG möglich ist, wenn der Restituar schuldrechtlich verpflichtet ist, die Fläche nach erfolgter Restitution an einen Nachbarn zu übereignen, über dessen Grundstück eine Erschließung der Fläche möglich ist."
Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat der Kläger, in dessen Eigentum die an die C-Straße angrenzende Teilfläche des von der Inanspruchnahme betroffenen Grundstücks verblieben war, im Jahre 1992 diese und die umstrittene Fläche an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts verkauft, welche die Absicht hatte, beide Flächen gemeinsam zu bebauen. Der Vertrag über die umstrittene Fläche wurde unter der aufschiebenden Bedingung der bestandskräftigen Restitution abgeschlossen. Gescheitert ist das Bauvorhaben infolge der investiven Veräußerung der Streitfläche durch die Beigeladene. Damit steht fest, dass die Streitfläche bis zu der durch die investive Veräußerung eintretenden Unmöglichkeit der Restitution im Falle der Rückgabe wegen der Zusammenführung der beiden Teilflächen in einer Hand erschlossen und damit rückgabefähig gewesen wäre. Die Vorstellung der Beigeladenen, der Kläger habe durch die Veräußerung des straßenseits gelegenen Grundstücks die Restitution der seinerzeit abgetrennten rückwärtigen Fläche unmöglich gemacht, obwohl das Veräußerungsgeschäft beide Flächen zum Gegenstand hatte, geht fehl. Gerade weil die Veräußerung der beiden Flächen miteinander verknüpft war, blieb die Zuwegung für die hintere Fläche im Falle der Restitution ebenso sichergestellt wie ohne die Veräußerung; denn anstelle der umfassenden Eigentumszuordnung an den Kläger sollte die umfassende Eigentumszuordnung an die Erwerberin treten.
2. Die in demselben Zusammenhang erhobene Divergenzrüge der Beigeladenen ist gleichfalls unbegründet.
Die Beigeladene sieht eine Abweichung von dem Urteil des Senats vom 15. Juni 2000 - BVerwG 7 C 20.99 - (Buchholz 428 § 4 Abs. 1 VermG Nr. 3) darin, dass das Verwaltungsgericht die Rückgabe des Streitgrundstücks auch deswegen nicht für unmöglich gehalten habe, weil es über das Grundstück K-Straße 55 faktisch erschlossen gewesen sei, das zusammen mit der zu restituierenden Fläche früher Teil eines einheitlichen Grundstücks gewesen sei. Diese Rüge kann schon deswegen nicht zum Erfolg des Rechtsbehelfs führen, weil das Verwaltungsgericht die Rückgabefähigkeit der Streitfläche - wie dargelegt - bereits zutreffend daraus abgeleitet hat, das es über das nicht enteignete Vordergrundstück an der C-Straße erschlossen gewesen wäre, und es sich bei der vom Verwaltungsgericht angenommenen faktischen Erschließung über das Grundstück K-Straße 55 um eine Zusatzerwägung ("im Übrigen") handelt. Ist eine Entscheidung aber in selbständig tragender Weise doppelt begründet, so kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 m.w.N.) die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur Erfolg haben, wenn hinsichtlich jeder der beiden Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt. Daran fehlt es hier, weil mit Blick auf die in erster Linie gegebene Begründung für die Rückgabefähigkeit des Grundstücks kein Zulassungsgrund gegeben ist.
3. Schließlich sind auch die von der Beigeladenen gerügten Verfahrensmängel nicht feststellbar.
a) Die Beigeladene macht eine Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO geltend, weil das Verwaltungsgericht allein aus dem Wortlaut der Anweisung vom 2. Mai 1959 und ohne weitere Ermittlungen zur Überzeugung gelangt sei, dass vor In-Kraft-Treten dieser Anweisung Grundstücke ausschließlich für Baumaßnahmen des Staates oder staatlicher Einrichtungen hätten in Anspruch genommen werden dürfen. Das gerügte Ermittlungsdefizit besteht nicht. Da die Beigeladene keine in diese Richtung zielenden Beweisanträge gestellt hat, läge ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO nur dann vor, wenn sich dem Gericht solche Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Das ist - auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes der Beigeladenen vom 19. Juni 2002 - nicht der Fall. Zwar hat die Beigeladene dort einen sachverständigen Zeugen dafür benannt, dass
"die Möglichkeit von Inanspruchnahmen für Baumaßnahmen der Parteien und Massenorganisationen nach dem Aufbaugesetz in den 50er Jahren der allseits gebilligten Rechtsauffassung und Verwaltungspraxis in der DDR"
entsprochen habe. Dem brauchte das Verwaltungsgericht jedoch angesichts des aus seiner Sicht klaren Wortlauts der Anweisung vom 2. Mai 1959, wonach solche Maßnahmen "nunmehr" möglich waren (in diesem Sinne auch der beschließende Senat in seinem Urteil vom 26. Juni 1997 - 7 C 25.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 113), und den mit einer wortgetreuen Auslegung in Einklang stehenden Feststellungen, dass der Antrag auf Inanspruchnahme mit "Bauten der Regierung" einen den wahren Sachverhalt verschleiernden Zweck nannte und darüber hinaus vom Büro des Ministerrats als Planträger anstelle der Demos gestellt worden war, nicht weiter nachzugehen.
b) Soweit die Beigeladene sich darauf beruft, nur deshalb von der Stellung förmlicher Beweisanträge abgesehen zu haben, weil der Kammervorsitzende zugesagt habe, weitere Ermittlungen anzustellen und in jedem Fall die Revision zuzulassen, kann auch das nicht zum Erfolg der Beschwerde führen.
Der Kammervorsitzende hat in seiner vom Senat erbetenen dienstlichen Äußerung vom 29. Januar 2003 in Abrede gestellt, einschränkungslos weitere Ermittlungen zugesagt zu haben; vielmehr habe er dies vom Inhalt des ihm erst eine Stunde vor Sitzungsbeginn vorgelegten Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigen der Beigeladenen vom 19. Juni 2002 abhängig gemacht. Dies ist ohne weiteres nachvollziehbar und deckt sich zudem mit den Erinnerungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen tritt dieser dienstlichen Äußerung in seiner Stellungnahme dazu auch insoweit nicht mehr entgegen. Er beruft sich allerdings nach wie vor darauf, dass der Kammervorsitzende die Zulassung der Revision zugesagt habe, und zwar allgemein, also insbesondere auch im Hinblick auf die Zulässigkeit der Inanspruchnahme des Grundstücks nach der Aufbauverordnung; die Zusage habe sich - anders als in der dienstlichen Äußerung zum Ausdruck komme - nicht auf die Frage des Restitutionsausschlusses beschränkt. Für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde kann jedoch dahingestellt bleiben, ob und inwieweit der Kammervorsitzende die Zulassung der Revision in Aussicht gestellt hat. Eine solche - den Spruchkörper ohnehin nicht bindende - Zusage rechtfertigte es jedenfalls nicht, von weiterem für notwendig gehaltenen Tatsachenvortrag oder gar der Stellung von Beweisanträgen abzusehen; denn diese Möglichkeiten fanden mit dem Abschluss der Tatsacheninstanz ihr Ende, gleichgültig ob die Revision zugelassen werden würde oder nicht.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.