Beschluss vom 19.02.2003 -
BVerwG 6 B 6.03ECLI:DE:BVerwG:2003:190203B6B6.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.02.2003 - 6 B 6.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:190203B6B6.03.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 6.03

  • Sächsisches OVG - 25.10.2002 - AZ: OVG 4 B 792/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Februar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. G e r h a r d t und
V o r m e i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, dass einer der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe vorliegt.
1. Die Beschwerde macht zunächst geltend, die Revision sei gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, weil die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweiche.
Eine die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigende Divergenz liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erfordert in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen nicht (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 –
Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328).
Die Beschwerde entnimmt dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 1979 - BVerwG 7 B 196.79 - (Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 123), auf den allein sie ihre Abweichungsrüge stützt, den "Grundsatz, dass, soweit es den Prüflingen nach bestandener Prüfung allein darum geht, das Prüfungsergebnis zu verbessern, das Rechtsschutzinteresse nur dann gegeben ist, wenn die im Einzelnen angegebene Verbesserung reale positive Folgen hat." Mit diesem Vorbringen ist eine Divergenz bereits deshalb nicht dargetan, weil ein dem formulierten "Grundsatz" entsprechender Rechtssatz in dem Beschluss vom 3. Dezember 1979 weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgestellt worden ist. Wenn in dem Beschluss vom 3. Dezember 1979 ausgeführt wird, das Berufungsgericht habe im Hinblick auf die bei einer Punktwertänderung von 2/100 zunächst einmal bedeutungslos erscheinenden Änderung des Abschlusszeugnisses die Frage nach dem Rechtsschutzinteresse des Klägers aufwerfen und es - nach-dem sich der Kläger hierzu einer Äußerung enthalten habe - verneinen dürfen, ist damit keine Aussage darüber getroffen, was der Kläger zur Darlegung eines konkreten Rechtsschutzinteresses hätte vorbringen müssen.
Die Divergenzrüge hat auch dann keinen Erfolg, wenn sie dahin verstanden wird, dass die Beschwerde dem Oberverwaltungsgericht vorhalten will, es habe entgegen den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 3. Dezember 1979 dem Kläger keine Darlegung zu seinem Rechtsschutzinteresse abverlangt. In dem mit der Beschwerdeentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 1979 abgeschlossenen Verfahren hatte das Oberverwaltungsgericht, weil ihm die von dem damaligen Kläger erstrebte Änderung des Punktwerts der Examensnote um 2/100 Punkte auf den ersten Blick bedeutungslos erschien, die Frage nach dem Bestehen eines Rechtsschutzinteresses des Klägers aufgeworfen; da der Kläger sich einer Äußerung hierzu enthalten hatte, hatte es ihm in seinem Urteil ein solches Interesse abgesprochen. Dieser der damals abgelegten Prüfung und dem damaligen Prozessverhalten des Klägers geltenden Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts ist das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 3. September 1979 gefolgt. Demgegenüber hatte das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Verfahren keine Zweifel am Bestehen des Rechtsschutzbedürfnisses; seinem Urteil liegt vielmehr erkennbar die Vorstellung zugrunde, dass im Hinblick auf die derzeit bestehende Konkurrenzlage zwischen den Absolventen der Zweiten Juristischen Staatsprüfung, der das Land Sachsen mit der Vergabe von Platznummern Rechnung trägt, auch kleinste Veränderungen der Noten erheblich sein und konkrete Nachteile gar nicht vorgetragen werden können. Mit dieser Einschätzung hat sich das Oberverwaltungsgericht zu der auf eine andere Tatsachen- und Prozesslage bezogenen Aussage des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 3. Dezember 1979 nicht in Widerspruch gesetzt.
2. Die Beschwerde hat auch nicht dargelegt, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht.
Die aufgeworfene Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Kläger an der begehrten Entscheidung eines Gerichts über seine Prüfungsgesamtnote in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung ein schützenswertes Interesse haben kann, entzieht sich wegen der Weite ihres Gegenstandes der Beantwortung in einem Revi-
sionsverfahren. Sie ist dahin zu konkretisieren, dass sie sich auf Klagen bezieht, mit denen nur geringfügige ("kaum messbare") Notenverbesserungen erreicht werden können. Nicht ersichtlich ist indes, inwiefern sie revisionsgerichtlicher Klärung bedarf.
Wie die Beschwerde nicht verkennt, bedarf der das Verfahrensrecht beherrschende Grundsatz, dass die Gerichte nicht unnütz und mutwillig in Anspruch genommen werden dürfen, keiner weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren. Wann dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Es hat seine Entscheidung nicht, wie die Beschwerde meint, auf "eine Art Gesetzesvollzugsanspruch" gestützt oder darauf abgestellt, dass jegliche Verbesserung der Prüfungsgesamtnote ein Rechtsschutzbedürfnis begründen kann, sondern auf die herausragende Bedeutung der Zweiten Juristischen Staatsprüfung abgehoben. Das Oberverwaltungsgericht ist damit typisierend vorgegangen und hat eine Fallgruppe gebildet, für die die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses in der Regel übereinstimmend zu beantworten sein wird. Diese Fallgruppe ist aber nicht anhand rechtlicher Merkmale gebildet worden, sondern ergibt sich aus tatsächlichen Umständen. Die Beschwerde hat nicht dargelegt, welche rechtlichen Gesichtspunkte vor diesem Hintergrund in einem Revisionsverfahren zu klären sein könnten.
Der Umstand, dass ein Verwaltungsgericht eines anderen Landes in einer Frage wie der aufgeworfenen eine andere Auffassung als das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Verfahren vertritt, genügt für sich allein nicht, die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache zu begründen.
3. Der Beklagte hat eine Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht ausdrücklich erhoben. Daran ist der beschließende Senat gebunden. Das Beschwerdevorbringen zum Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung stellt sich jedoch der Sache nach als Rüge unrichtiger Anwendung von Verfahrensrecht dar. Im Hinblick darauf bemerkt der Senat, dass er die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für zutreffend erachtet und demnach auch eine Verfahrensrüge ohne Erfolg geblieben wäre.
4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes folgt aus § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.