Beschluss vom 18.09.2008 -
BVerwG 4 B 39.08ECLI:DE:BVerwG:2008:180908B4B39.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.09.2008 - 4 B 39.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:180908B4B39.08.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 39.08

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 23.11.2007 - AZ: OVG 1 LB 8/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. September 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und Dr. Jannasch
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. November 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

2 Das Oberverwaltungsgericht hat die materielle Baurechtswidrigkeit der beiden Windfänge an der nördlichen Seitenwand des Gebäudes D. 14 der Klägerin daraus hergeleitet, dass sie - erstens - gegen § 13 Abs. 2 Satz 2 Ortsgestaltungssatzung der Gemeinde Nieblum (OGS), - zweitens - gegen § 11 OGS und - drittens - gegen die Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans verstießen. Ist die vorinstanzliche Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4; stRspr). Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. Da bereits hinsichtlich des ersten Begründungselements des angefochtenen Urteils der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht gegeben ist, kann offen bleiben, ob das Urteil im Übrigen auf Verfahrensmängeln beruht.

3 1. Die Klägerin rügt als Verletzung des rechtlichen Gehörs, dass das Oberverwaltungsgericht in seiner Begründung auf ihr zentrales Vorbringen nicht eingegangen sei. Diese Rüge greift nicht durch. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Argument in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen auch in seine Erwägung einbezogen hat. Daher kann nur bei Vorliegen deutlich gegenteiliger Anhaltspunkte ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör angenommen werden (stRspr; vgl. Beschluss vom 27. Oktober 1998 - BVerwG 8 B 132.98 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 162 m.w.N.). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich. Mit seinen Ausführungen macht das Oberverwaltungsgericht hinreichend deutlich, dass es das Vorbringen der Klägerin gewürdigt hat, sich ihm jedoch nicht anschließen konnte.

4 Das Oberverwaltungsgericht hat das Argument der Klägerin, die Regelung zu den Windfängen in der OGS sei willkürlich, weil Windfänge an Gebäuden mit Hartdächern im Bereich A des Bebauungsplans ohne Einschränkung, an Gebäuden mit Hartdächern im Bereich B des Bebauungsplans Windfänge dagegen nur straßenseitig zulässig seien, im Tatbestand seines Urteils ausdrücklich erwähnt (UA S. 5). Auch in den Entscheidungsgründen ist es darauf eingegangen, indem es deutlich gemacht hat, dass es § 13 Abs. 2 OGS anders versteht als die Klägerin. In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts hat es die Bestimmung verfassungskonform dahin ausgelegt, dass im gesamten Geltungsbereich des Bebauungsplans, also auch im Bereich A, alle anderen als straßenseitige Windfänge unzulässig sind (UA S. 7); eine Ungleichbehandlung der Gebäude mit Hartdächern in den Bereichen A und B des Bebauungsplans hat es verneint.

5 Mit dem noch weitergehenden Vorbringen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 16. November 2004, die Ortsgestaltungssatzung sei insgesamt ungültig, da sie nicht von einem erkennbaren Gestaltungskonzept getragen sei (hierzu Beschwerde unter I.1.b.), hat das Oberverwaltungsgericht sich in seinem Urteil ausdrücklich auseinandergesetzt; es hebt unter Bezugnahme auf den Schriftsatz der Beigeladenen vom 4. Juli 2006 hervor, der Satzung liege ein nachvollziehbares Konzept zugrunde (UA S. 7).

6 2. Die Aufklärungsrüge bleibt erfolglos.

7 2.1 Die Klägerin wendet sich gegen die zur Verneinung eines Bestandsschutzes vom Oberverwaltungsgericht getroffene Aussage, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass die Windfänge oder einer davon bereits vor Inkrafttreten (des Bebauungsplans bzw.) der Ortsgestaltungssatzung errichtet worden sei (UA S. 8). Sie rügt, sie habe vorgetragen, dass der seitliche Windfang bereits „vor Inkrafttreten der Gestaltungssatzung, nämlich im Jahre 1998“, errichtet worden sei. Da der Beklagte dies nicht bestritten habe, sei ein Nachweis nicht erforderlich gewesen. Damit wird ein Aufklärungsmangel nicht aufgezeigt. Denn das Oberverwaltungsgericht hat zwar die Ortsgestaltungssatzung in der Fassung vom 15. März 2002 herangezogen; diese hat jedoch die frühere Satzung vom 20. Juli 1989 abgelöst, deren § 13 Abs. 2 in beiden Fassungen übereinstimmt (OVG UA S. 2; ebenso Urteil des VG S. 2). Bei seinen Ausführungen zum Bestandsschutz (UA S. 8) ist das Oberverwaltungsgericht ersichtlich davon ausgegangen, dass die Klägerin sich darauf nur hätte berufen können, wenn sie nachgewiesen hätte, dass die Windfänge bzw. einer davon vor dem Inkrafttreten der Satzung vom 20. Juli 1989 errichtet worden sind. Dies behauptet die Klägerin indes selbst nicht.

8 2.2 Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Funktionslosigkeit der Ortsgestaltungssatzung ist ein Aufklärungsmangel nicht dargelegt. Das Oberverwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, es habe keine Veranlassung, im Hinblick auf die vorgelegten Bilder zu prüfen, ob die Satzung funktionslos geworden sei. Die Klägerin habe weder einen Beweisantrag gestellt noch hätten die Bilder Veranlassung gegeben, von Amts wegen Ermittlungen durchzuführen, denn die Klägerin habe es unterlassen, nähere Einzelheiten, insbesondere die Identität (Standort und Eigentümer) der Gebäude mitzuteilen. Hiergegen wendet die Beschwerde ein, auf der Rückseite der Fotos sei angegeben, um welche Gebäude es sich handele. Den Akten des Oberverwaltungsgerichts kann entnommen werden, dass die von der Klägerin mit Schreiben vom 12. September 2006 vorgelegten Fotografien auf der Rückseite jeweils eine Angabe der Straße, nicht jedoch einer Hausnummer oder eines Grundstückseigentümers, enthalten (OVG-GA 143). Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass sie damit die vom Oberverwaltungsgericht vermissten Angaben zur Identität der Gebäude - etwa im Hinblick auf die geringe Größe des betroffenen Orts - ausreichend vorgetragen habe, kann die Aufklärungsrüge keinen Erfolg haben. Denn die Beschwerde trägt nichts dafür vor, dass die von ihr vermisste weitere Beweiserhebung zu dem Ergebnis geführt hätte, die Ortsgestaltungssatzung sei in dem hier betroffenen Bereich funktionslos geworden (vgl. zu den rechtlichen Anforderungen an die Funktionslosigkeit Urteil vom 28. April 2004 - BVerwG 4 C 10.03 - Buchholz 406.12 § 3 BauNVO Nr. 15 m.w.N.). Die Ausführungen in der Beschwerde zu der Frage, ob die angegriffene Entscheidung auf den geltend gemachten Verfahrensfehlern beruhen kann (unter II.) gehen hierauf nicht ein. Im Übrigen enthält auch der Schriftsatz im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht, mit dem die erwähnten Fotos vorgelegt worden sind, keine (rechtlichen oder tatsächlichen) Ausführungen zur Frage einer möglichen Funktionslosigkeit der Satzung.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.