Beschluss vom 18.08.2010 -
BVerwG 1 WB 22.10ECLI:DE:BVerwG:2010:180810B1WB22.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.08.2010 - 1 WB 22.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:180810B1WB22.10.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 22.10

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer als Vorsitzenden,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz
am 18. August 2010 beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der 19.. geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet, sofern sie nicht über die besondere Altersgrenze hinaus verlängert wird, derzeit mit Ablauf des 31. Oktober 20... Zuletzt wurde der Antragsteller am 21. Februar 2002 zum Oberst befördert und mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 eingewiesen. Er wird seit Anfang 2007 in der ..dienststelle der Bundeswehr - ... - als Gruppenleiter verwendet.

2 Der vorliegende Rechtsstreit betraf die Nachbesetzung des nach Besoldungsgruppe B 3 bewerteten Dienstpostens des Leiters der Abteilung ... in der ...dienststelle der Bundeswehr zum 1. November 2009. Am 15. Juli 2009 hatte der Leiter des Referats PSZ I 5 im Bundesministerium der Verteidigung den Antragsteller darüber unterrichtet, dass ihn der Inspekteur der Luftwaffe für diesen Dienstposten nominiert habe. Mit Schreiben vom 1. Februar 2010 beantragte der Antragsteller seine rückwirkende Versetzung zum 1. November 2009 auf den strittigen Dienstposten; zur Begründung verwies er auf die Nominierung durch den Inspekteur der Luftwaffe sowie darauf, dass er seit November 2009 mit der Führung der Abteilung ... beauftragt sei.

3 Auf Empfehlung des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis entschied der Abteilungsleiter PSZ im Bundesministerium der Verteidigung am 15. März 2010, den Dienstposten des Abteilungsleiters ... in der ...dienststelle der Bundeswehr mit Oberst i.G. W. zu besetzen. Der Auswahlentscheidung liegt ein vom Bundesministerium der Verteidigung - PSZ I 2 - erstellter Kandidatenvergleich zugrunde, der die Eignung, Leistung und Befähigung von drei betrachteten Bewerbern (Oberst i.G. S., Oberst i.G. W. und der Antragsteller) darstellt und mit einer Empfehlung zugunsten von Oberst i.G. W. abschließt.

4 Gegen diese Auswahlentscheidung stellte der Antragsteller mit Schreiben vom 19. März 2010 Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht, den er mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 7. Mai und 13. Juli 2010 weiter begründete. Unter dem 10. August 2010 teilte der Antragsteller mit, dass er mit Wirkung zum 1. Februar 2011 auf den nach Besoldungsgruppe B 3 bewerteten Dienstposten eines Kommandeurs des ...kommandos N. in H. versetzt worden sei. Im Hinblick auf diese Verwendungsentscheidung erklärte er den vorliegenden Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragt,
dem Antragsgegner die Kosten aufzuerlegen.

5 Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat mit Schreiben vom 12. August 2010 der Erledigungserklärung des Antragstellers zugestimmt und sich nochmals ausführlich zur Sache geäußert. Er ist der Auffassung, dass die Verfahrenskosten dem Bund nicht aufzuerlegen seien.

6 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 542/10 - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

7 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - m.w.N.).

8 Billigem Ermessen entspricht es, die dem Antragsteller erwachsenen notwendigen Auslagen dem Bund aufzuerlegen, weil das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers im Hauptantrag, die Entscheidung vom 15. März 2010 über die Nachbesetzung des Dienstpostens des Abteilungsleiters ... in der ...dienststelle der Bundeswehr aufzuheben und den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, das entsprechende Versetzungsbegehren des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, nach dem bisherigen Sach- und Streitstand voraussichtlich Erfolg gehabt hätte.

9 Nach der Entscheidungsvorlage des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 2 -, deren Erwägungen sich der für die Auswahlentscheidung zuständige Abteilungsleiter PSZ im Bundesministerium der Verteidigung zu eigen gemacht hat, wurde der ausgewählte Kandidat Oberst i.G. W. im Vergleich der dienstlichen Beurteilungen als etwas leistungsstärker eingeschätzt als der Antragsteller, wohingegen dem Antragsteller die etwas bessere Eignung für den strittigen Dienstposten zugesprochen wurde. In der Gesamtsicht wurden beide Bewerber als gleichrangig für die Besetzung des Dienstpostens in Betracht gezogen. Auf der Grundlage der gleichrangigen Nominierung gab schließlich zugunsten von Oberst i.G. W. den Ausschlag, dass er werdegangsbedingt breiter aufgestellt sei, über die höhere Perspektivzeichnung verfüge und über die hier zu entscheidende Verwendung weiter aufgebaut werden könne.

10 Diese - an sich plausiblen - Erwägungen begegnen durchgreifenden Bedenken, weil der Leistungsvergleich zwischen Oberst i.G. W. und dem Antragsteller auf der Grundlage zeitlich überholter, nicht mehr aktueller dienstlicher Beurteilungen vorgenommen wurde (vgl. zu den Grundsätzen des Senats für den Eignungs- und Leistungsvergleich am Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG Beschluss vom 25. März 2010 - BVerwG 1 WB 27.09 - Rn. 24 ff. m.w.N. <zur Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen>). In die tabellarische Übersicht der Beurteilungen wurden für Oberst i.G. W. Beurteilungen aus den Jahren 2001, 2003, 2005 und 2007, für den Antragsteller (ebenso wie für den weiteren Bewerber Oberst i.G. S.) dagegen Beurteilungen aus den Jahren 1999, 2001 und 2003 eingestellt; jüngere planmäßige Beurteilungen hat der Antragsteller aus Altersgründen nicht mehr erhalten (Nr. 205 Buchst. a <1> ZDv 20/6). Ein echter Leistungsvergleich zwischen Oberst i.G. W. und dem Antragsteller wurde in der Entscheidungsvorlage des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 2 - nur auf der Ebene der Beurteilungen aus dem Jahre 2003 gezogen; diese Beurteilungen und die entsprechenden Beurteilungszeiträume (2001 bis 2003) liegen jedoch so weit zurück, dass sie für die im Frühjahr 2010 zu treffende Auswahlentscheidung keine Aussagekraft mehr haben.

11 Hiervon abgesehen hat die Entscheidungsvorlage nur noch - einseitig - die weiteren Beurteilungen von Oberst i.G. W. aufgegriffen und deren positive Entwicklung herausgestellt. Zur Leistungsentwicklung und zum aktuellen Leistungsstand des Antragstellers wurden dagegen keine Aussagen getroffen;
insbesondere wurde für den Antragsteller keine Sonderbeurteilung (Nr. 206 ZDv 20/6) eingeholt. Auf eine aktuelle Leistungseinschätzung, insbesondere in Form einer Sonderbeurteilung, durfte jedoch nicht verzichtet werden, auch nicht aus der Erwägung, dass „sich das bisher gezeigte Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbild eines Soldaten mit jahrzehntelanger Berufserfahrung so kurz vor der Zurruhesetzung nicht mehr maßgeblich und signifikant ändert, weil der Soldat über eine gefestigte Persönlichkeit verfügt“ (Schreiben des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 12. August 2010, unter II.15.). Ob der Satz zutrifft, dass ein 52-jähriger Stabsoffizier - wie es der Antragsteller im Jahre 20.. war - generell zu keiner nennenswerten Persönlichkeits- und Leistungsentwicklung mehr in der Lage ist, erscheint zweifelhaft. Unabhängig davon geht es jedenfalls nicht an, sich in einem Leistungsvergleich am Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG auf Erkenntnisse zu beschränken, die sieben bis neun Jahre (Beurteilungszeitraum 2001 bis 2003) zurückliegen.

12 Ist der Leistungsvergleich in der durchgeführten Form nicht tragfähig, so ist damit zugleich die Grundlage der gleichrangigen Nominierung von Oberst i.G. W. und des Antragstellers und in der weiteren Folge auch das Ergebnis der Auswahlentscheidung in Frage gestellt. Es lässt sich jedenfalls nicht ausschließen, dass die Auswahlentscheidung bei Einbeziehung einer aktuellen, den neueren planmäßigen Beurteilungen von Oberst i.G W. vergleichbaren Leistungseinschätzung auch zugunsten des Antragstellers hätte ausfallen können. Der Antrag, den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, über das Begehren des Antragstellers auf Versetzung auf den hier strittigen Dienstposten erneut zu entscheiden, wäre deshalb voraussichtlich erfolgreich gewesen.