Beschluss vom 18.05.2005 -
BVerwG 4 BN 21.05ECLI:DE:BVerwG:2005:180505B4BN21.05.0

Beschluss

BVerwG 4 BN 21.05

  • Bayerischer VGH München - 06.10.2004 - AZ: VGH 26 N 00.1883

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Mai 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w , den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R o j a h n und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. P h i l i p p
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die Revision ist nicht wegen der behaupteten Abweichung der angegriffenen Entscheidung von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Mai 1993 - BVerwG 4 NB 32.92 - (ZfBR 1993, 297) zuzulassen. Die Voraussetzungen einer Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind nur erfüllt, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsnorm mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz widerspricht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712). Das ist hier nicht der Fall.
Das Normenkontrollgericht hat die umstrittene textliche Festsetzung zur "abweichenden Bauweise" (§ 22 Abs. 4 BauNVO), nach der an einer seitlichen Grenze innerhalb der Baugrenzen angebaut bzw. der Grenzabstand beliebig vermindert werden kann, an dem rechtlichen Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit einer bauplanerischen Festsetzung gemessen. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, die Festsetzung sei unklar, weil sie nicht eine bestimmte Bauweise vorgebe. Die Gemeinde dürfe die Wahl der Bauweise nicht - wie hier - ausschließlich dem Belieben des Bauwerbers überlassen. Dieser rechtliche Ansatz widerspricht nicht den Anforderungen, die der beschließende Senat in seinem vorbezeichneten Beschluss vom 6. Mai 1993 an die Bestimmtheit einer auf der Grundlage von § 22 Abs. 4 BauNVO festgesetzten "abweichenden Bauweise" gestellt hat. Der Senatsbeschluss vom 6. Mai 1993 hebt
ebenfalls das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit einer Festsetzung nach § 22 Abs. 4 BauNVO hervor und fügt hinzu, dass die Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht schon dann zu unbestimmt seien, wenn sich deren Inhalt erst durch eine Auslegung erschließe. Zur Auslegung der dem nicht-revisiblen Landesrecht angehörenden Bebauungspläne ist der Verwaltungsgerichtshof als Normenkontrollgericht berufen. Im Zuge seiner Auslegung der hier umstrittenen Festsetzung ist er zu dem Ergebnis gelangt, dass die hier umstrittene Festsetzung das Gebot der Bestimmtheit für die Regelung einer "abweichenden Bauweise" gemäß § 22 Abs. 4 BauNVO verletzt. Ein Widerspruch zu den Ausführungen in dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Mai 1993 ist nicht ersichtlich.
Die Auffassung der Beschwerde, mit der hier angegriffenen Regelung zur Bauweise im Bebauungsplan B 28 werde genau die planerische Festsetzung umgesetzt, die Gegenstand des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Mai 1993 gewesen sei, trifft nicht zu. Die seinerzeit getroffene Festsetzung ließ eine geschlossene Bauweise zu, ohne sie zwingend festzusetzen. Im Gegensatz dazu geht es im vorliegenden Streitfall um eine Festsetzung, nach der an einer seitlichen Grundstücksgrenze angebaut, der Grenzabstand aber auch "beliebig" vermindert werden darf.
2. Erfolglos bleibt auch die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), das Normenkontrollgericht habe sich mit dem von der Antragsgegnerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren angeführten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Mai 1993 und dem Antragsvorbringen zu diesem Beschluss ersichtlich nicht auseinander gesetzt und damit die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Ein Gericht ist nicht verpflichtet, jedes rechtliche Vorbringen der Beteiligten in den Urteilsgründen ausdrücklich zu bescheiden. Nur dann, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass ein Gericht seine Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht erfüllt hat, liegt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216 f.>; BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1999 - BVerwG 6 B 65.98 - NVwZ-RR 1999, 745). Aus dem Schweigen der Urteilsgründe zu Einzelheiten des Parteivorbringens kann allein noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe das Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen. Die Beschwerde zeigt keine besonderen Umstände auf, aus denen sich im vorliegenden Fall etwas anderes ergeben könnte. Im Übrigen setzt sich der Verwaltungsgerichtshof (wie oben ausgeführt) mit seinen Urteilsgründen nicht in einen Widerspruch zu den Ausführungen im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Mai 1993.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.