Beschluss vom 18.02.2004 -
BVerwG 5 B 4.04ECLI:DE:BVerwG:2004:180204B5B4.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.02.2004 - 5 B 4.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:180204B5B4.04.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 4.04

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 06.10.2003 - AZ: OVG 2 A 1712/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Februar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. F r a n k e und Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 16 000 € festgesetzt.

Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde ist nicht begründet.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Die von den Klägern zur Klärung gestellten Fragen,
"welches Beweismaß anzulegen ist und welche Anforderungen an die Beweiserhebung durch das Gericht bzw. an die Vermittlung der zu bildenden Überzeugung durch Zeugen zu richten sind" und
"ob aus den Umständen der Ausstellung des Inlandspasses eine von der Regelvermutung abweichende Qualifizierung der Formerklärungen vorzunehmen ist, geht es um die Aufklärung von Vorgängen, die sehr viele Jahre - vorliegend zum Zeitpunkt der Beweiserhebung durch das Oberverwaltungsgericht fast 27 Jahre - zurückliegen",
bezeichnen schon keine grundsätzlicher Klärung zugängliche Rechtsfragen. Das Vorbringen zur Stützung der Grundsatzrüge betrifft der Sache nach die einzelfallbezogene Würdigung des Sachverhaltes und die Bewertung der - wechselnden - Angaben der Klägerin zu 1 sowie der Angaben der Zeugen zu den Umständen der Ausstellung des ersten Inlandspasses der Klägerin zu 1; damit ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt.
2. Soweit die Beschwerde mit dem - näher ausgeführten - Vorbringen,
das Berufungsgericht habe in mehrfacher Hinsicht gegen die von dem Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zu der Frage verstoßen, "wann einem Bürger ein faires Verfahren gewährt bzw. verweigert wird und wann unzumutbar hohe Darlegungs- und Beweisanforderungen zu verfassungsrechtlich nicht mehr vertretbaren Hürden beim Zugang zum gerichtlichen Verfahren mit dem Ziel einer gerechten Entscheidung führen" und
es sei mit dem Verfassungsrecht nicht vereinbar, "von einer darlegungs- und beweisbelasteten Prozesspartei bei der Schilderung entscheidungserheblicher Vorgänge eine Präzision und Widerspruchsfreiheit zu verlangen, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen über die durchschnittliche Erinnerungsfähigkeit des Menschen schlechterdings nicht zu erwarten sind",
sinngemäß den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (Divergenz) hätte geltend machen wollen, genügte dieses Vorbringen bereits nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Es sind weder die von dem Bundesverfassungsgericht aufgestellten abstrakten Rechtssätze, von denen das Berufungsgericht abgewichen sein soll, hinreichend bezeichnet noch hiervon abweichende, von dem Berufungsgericht aufgestellte Rechtssätze benannt. Auch insoweit greift die Beschwerde in der Sache die einzelfallbezogene Bewertung des Sachverhaltes durch das Berufungsgericht dahin an, dass die Eintragung der russischen Nationalität in den ersten Inlandspass der Klägerin zu 1 nicht ohne oder gegen deren Willen erfolgt sei. Dies vermag den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht auszufüllen.
3. Die Revision kann auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden.
3.1 Soweit die Beschwerde die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts angreift, übersieht sie, dass die Beweiswürdigung revisionsrechtlich regelmäßig dem sachlichen Recht zuzurechnen ist und deshalb mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung grundsätzlich ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht bezeichnet werden kann (stRspr; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Februar 1978 - BVerwG 1 B 13.78 - <Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 8> und vom 12. Januar 1995 - BVerwG 4 B 197.94 - <Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 1, 4 >). Eine Verletzung der Denkgesetze im Rahmen der Tatsachenwürdigung der Vorinstanz, die ausnahmsweise als Verfahrensmangel in Betracht gezogen werden könnte (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272 f.>; Beschluss vom 12. Januar 1995 <a.a.O. S. 4>), liegt ersichtlich nicht vor. Ein Tatsachengericht hat nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen; es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr; BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 147.86 - <Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1, 4> m.w.N.). Nach dem Sachverhalt darf denkgesetzlich ausschließlich eine einzige Folgerung möglich sein, die das Gericht nicht gezogen hat (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 1995 <a.a.O. S. 4>). Davon kann im vorliegenden Fall angesichts der eingehenden Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht, die in dem Beschwerdevorbringen nicht angemessen erfasst wird, keine Rede sein.
3.2 Auch ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist nicht festzustellen. Das Gericht kann sich im Rahmen der ihm durch § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO auferlegten Aufgabe, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesenen Gründe anzugeben, auf die wesentlichen Gründe beschränken. Daraus, dass das Gericht sich nicht mit allen Gesichtspunkten des Vorbringens der Beteiligten und des festgestellten Sachverhalts in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich auseinander gesetzt hat, kann daher noch nicht geschlossen werden, es habe die fraglichen Gesichtspunkte bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Mai 1984 - BVerwG 8 C 108.82 - <Buchholz 448.0 § 11 WPflG Nr. 35 S. 16> sowie Urteil vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - <Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 2>), vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass es seiner Entscheidung das Vorbringen der Beteiligten vollständig und richtig zu Grunde gelegt hat (BVerwG, Urteil vom 25. März 1987 <a.a.O.>). Eine Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO bzw. des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist darum nur anzunehmen, wenn sich aus den besonderen Umständen deutlich ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 54, 43 <45 f.>; 65, 293 <295>; 86, 133 <145 f.>).
Anhaltspunkte dafür ergibt die Beschwerde nicht. Das Vorbringen der Beschwerde, das Berufungsgericht sei auf das Vorbringen, die Klägerin zu 1 habe sich noch Jahre nach der Ausstellung des ersten Inlandspasses und lange Zeit vor der Einführung der erleichterten Revision des Nationalitäteneintrags um eine Eintragung der deutschen Nationalität bemüht, nicht eingegangen und habe es offensichtlich übersehen, kann schon deswegen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht begründen, weil es hierauf nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zur Auslegung des § 6 Abs. 2 BVFG in der hier anzuwendenden Fassung des Spätaussiedlerstatusgesetzes vom 30. August 2001 (BGBl I S. 2266) nicht entscheidungserheblich ankam.
3.3 Die Rüge des Klägers zu 4, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft lediglich über seine Einbeziehung in einen seiner Mutter, der Klägerin zu 1, zu erteilenden Aufnahmebescheid befunden und ein weitergehendes Klagebegehren übergangen, greift nicht durch. Sie vernachlässigt bereits, dass der Kläger zu 4 der nach § 88 VwGO statthaften Ausdeutung des Klagebegehrens durch das Verwaltungsgericht (Urteil des Verwaltungsgerichts vom 5. März 2002, S. 4), er begehre lediglich die Einbeziehung in einen der Klägerin zu 1 zu erteilenden Aufnahmebescheid, und dem hierauf beschränkten Entscheidungsausspruch des Verwaltungsgerichts in dem Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht nicht entgegengetreten ist und lediglich beantragt hat, die Berufung zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG.