Beschluss vom 18.01.2008 -
BVerwG 8 B 89.07ECLI:DE:BVerwG:2008:180108B8B89.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.01.2008 - 8 B 89.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:180108B8B89.07.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 89.07

  • OVG Mecklenburg-Vorpommern - 19.06.2007 - AZ: OVG 2 L 290/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Januar 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte zu 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 47 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Soweit sich die Beschwerde gegen die richterliche Überzeugungsbildung wendet (§ 108 Abs. 1 VwGO) und damit einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht, hat sie schon deswegen keinen Erfolg, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Würdigung des Sachverhalts dem materiellen Recht zuzurechnen ist. Die Beweiswürdigung des Tatrichters ist auf Grund des § 137 Abs. 2 VwGO vom Revisionsgericht nur auf die Verletzung allgemein verbindlicher Beweisgrundsätze überprüfbar, zu denen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB), die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze gehören (vgl. Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225). Von einem Verstoß gegen diese Grundsätze kann vorliegend keine Rede sein.

3 Der Vertrag zur Bildung der „Verwaltungsgemeinschaft Zentrale Wohngeldstelle Rügen“ vom 1. Januar 1996 war nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts von der Rechtsaufssichtsbehörde nicht genehmigt worden. Das Oberverwaltungsgericht ist daher davon ausgegangen, dass dieser Vertrag nicht wirksam geworden ist. Unabhängig davon hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass der Vertrag keine Anspruchsgrundlage für einen Ausgleichsanspruch für die im Zusammenhang mit der Auflösung der „Verwaltungsgemeinschaft Zentrale Wohngeldstelle Rügen“ erfolgten personellen Aufwendungen im Falle von Kündigungen enthält. Entgegen dem Vortrag der Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht den Regelungsgehalt dieses Vertrages nicht herangezogen, um den tatsächlichen oder hypothetischen Willen der Parteien zu ermitteln. Wörtlich heißt es dazu im Urteil: „Au(ch) die Frage, ob ein derartiger Anspruch in ergänzender Auslegung des Vertrages gemäß § 62 Satz 2 VwVfG M-V i.V.m. §§ 133, 157 BGB dem hypothetischen Willen der Vertragsschließenden abzuleiten ist, bedarf bereits wegen der Unwirksamkeit des Vertrages keiner abschließenden Klärung“ (vgl. UA S. 7).

4 Zur Anwendbarkeit einer öffentlichrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag kam das Oberverwaltungsgericht, weil nach seiner maßgeblichen Rechtsauffassung das öffentliche Recht eine „planwidrige Lücke“ aufweist. Ob der Vertrag, der zum 1. Januar 1996 in Kraft treten sollte, nach seinem Wortlaut und dem Zusammenhang der Vertragsregelungen den zur Entscheidung anstehenden Fall geregelt hat oder nicht, war für das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidend, weil es von dessen Unwirksamkeit ausgegangen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat in Konsequenz dazu geprüft, ob sich aus der Mecklenburg-Vorpommernschen Kommunalverfassung oder dem Gesetz über die Funktionalreform eine Anspruchsgrundlage ergibt und dies verneint.

5 Das Gericht hatte zu einer Auseinandersetzung mit den zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüchen keine Veranlassung. Es hat auch nicht, wie die Beschwerde vorgibt, entschieden, dass § 730 BGB möglicherweise vorliegend analog anwendbar ist. Das Oberverwaltungsgericht hat keine weitere Prüfung vorgenommen, weil es unter Berücksichtigung des Verlaufs der arbeitsgerichtlichen Verfahren die Aufwendungen des Klägers für notwendig erachtet und keine Anhaltspunkte für Ansprüche gesehen hat, die die Forderung des Klägers über die vorgenommene Reduzierung hinaus schmälern könnten.

6 Soweit die Beschwerde die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, weil das Oberverwaltungsgericht die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht angewendet und die Gesamtumstände des Einzelfalles in seiner Entscheidung nicht gewürdigt habe - insbesondere das Zugeständnis der Betriebszugehörigkeit von ca. 35 Jahren der gekündigten Mitarbeiterinnen - greift diese Rüge nicht durch. Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (Urteil vom 29. November 1985 - BVerwG 9 C 49.85 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 177). Grundsätzlich ist auch davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen sowohl zur Kenntnis genommen als auch in seine Erwägungen mit einbezogen hat, so dass nur bei Vorliegen deutlicher gegenteiliger Anhaltspunkte ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs angenommen werden kann (Beschluss vom 9. Juni 1981 - BVerwG 7 B 121.81 - Buchholz 312 EntlG Nr. 19). Derartige Anhaltspunkte bestehen im vorliegenden Fall nicht. Von seinem als entscheidungstragend eingestuften Rechtsstandpunkt musste sich das Oberverwaltungsgericht nicht mit dem Vortrag des Beklagten, dass vorliegend die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft bürgerlichen Rechts anwendbar seien, näher befassen. Des Weiteren stellen die umfänglichen Ausführungen der Beschwerde zur Untermauerung der Gehörsrüge weitgehend eine Kritik der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts dar, was die Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht begründen kann.

7 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab, weil diese nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 GKG.