Beschluss vom 17.10.2008 -
BVerwG 8 B 49.08ECLI:DE:BVerwG:2008:171008B8B49.08.0

Beschluss

BVerwG 8 B 49.08

  • VG Potsdam - 20.03.2008 - AZ: VG 1 K 1454/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Oktober 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 20. März 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch liegt ein Verfahrensfehler vor, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

2 1. Die von der Beschwerde für grundsätzlich gehaltene Frage, ob eine einkommensschwache Alteigentümerin überhaupt in der Lage war, einen Kredit in Höhe des Beleihungswertes für notwendige Reparaturen und Baumaßnahmen am Grundstück zu erhalten, bezieht sich auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls und ist einer grundsätzlichen rechtlichen Klärung nicht zugänglich.

3 Soweit die Beschwerde darin einen neuen rechtlichen Gesichtspunkt sieht, der für die Auslegung des § 1 Abs. 2 VermG allgemein von Bedeutung sei, würde sich die Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen, denn weder aus den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts noch aus dem erstinstanzlichen Vortrag des Klägers ist zu entnehmen, dass sich die Alteigentümerin um einen Kredit in Höhe des Beleihungswertes für notwendige Reparaturen und Baumaßnahmen bemüht hätte und dieser ihr verweigert worden wäre.

4 2. Auch die von der Beschwerde gerügten Verfahrensverstöße liegen nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat weder gegen seine Aufklärungspflicht gem. § 86 Abs.1 VwGO noch gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen.

5 Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft unterstellt, dass die im Zeitraum von 1970 bis zum Verzicht entstandenen Fehlbeträge in Höhe von 4 170 M von der Alteigentümerin aus Eigenmitteln aufgebracht worden seien, ohne für diese Annahme konkrete Feststellungen getroffen zu haben, verkennt, dass das Verwaltungsgericht dies zu Gunsten des Klägers unterstellt hat. Die Beschwerde lässt auch nicht erkennen, auf welche Weise sonst die Alteigentümerin zu den in die Reparatur des Hauses investierten Mitteln gekommen sein sollte und welche Möglichkeiten das Verwaltungsgericht insoweit für konkrete Feststellungen gehabt haben sollte.

6 Auch die Rüge, das Verwaltungsgericht hätte seine Kenntnis aus einer Vielzahl von Verfahren nicht auf das streitbefangene Verfahren übertragen dürfen, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 291 ZPO bedürfen Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, keines Beweises und damit auch keiner besonderen Ermittlungen. Gerichtskundig sind solche Tatsachen, die den Mitgliedern des Gerichts im Zusammenhang mit ihrer amtlichen Tätigkeit zuverlässig bekannt sind, zumal es sich nicht nur auf diese Erfahrung, sondern in erster Linie auf die Aussagen von Zeugen gestützt hat. Das Verwaltungsgericht durfte deshalb seine Erfahrung aus einer Vielzahl von vermögensrechtlichen Verfahren auch in das vorliegende Verfahren einbringen. Ausweislich der Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen vom 21. Juni 2007 und vom 20. März 2008 hat der auch erstinstanzlich anwaltlich vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung keine Beweisanträge gestellt. Die Beschwerde lässt nicht erkennen, inwieweit die vom Gericht auf Grund seiner Erfahrung angenommenen Tatsachen fehlerhaft sein sollen und welche konkreten Sachverhaltsermittlungen sich dem Verwaltungsgericht hätten aufdrängen müssen. Ein Verfahrensfehler wird damit nicht dargelegt.

7 Die Beschwerde legt auch nicht dar, warum sich dem Verwaltungsgericht auch ohne darauf gerichtete Beweisanträge die Notwendigkeit von Ermittlungen zur Kostenunterdeckung und drohenden Überschuldung hätte aufdrängen müssen. Die Frage der drohenden Überschuldung des streitgegenständlichen Grundstücks betraf den zentralen Punkt des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs. Es hätte deshalb ihm oblegen, alle insoweit relevanten Tatsachen vorzutragen und wenn sich - wie aus den Sitzungsniederschriften ersichtlich - in den mündlichen Verhandlungen für ihn erkennbar ergibt, dass das Gericht keine drohende Überschuldung sieht, entsprechenden weiteren Tatsachenvortrag und ggf. Beweisanträge einbringen müssen.

8 Schließlich beruht das angefochtene Urteil auch nicht auf einem Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und den Grundsatz des fairen Verfahrens oder auf einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Verwaltungsgerichts (§ 138 Nr. 1 und 4, § 67 Abs. 6 VwGO).

9 Das außergewöhnliche Verhalten des Vorsitzenden, der in einer Sitzungspause im Wartebereich vor dem Sitzungssaal mit dem sich dort ohne seine Prozessbevollmächtigte aufhaltenden Kläger gesprochen und diesen darauf hingewiesen hat, dass er bei Rückerhalt des Grundstücks ggf. Gegenansprüchen ausgesetzt sei, führt nicht zu einer fehlerhaften Besetzung des Gerichts oder einer nicht vorschriftsmäßigen Vertretung eines Beteiligten. Da das Gespräch in einer Sitzungspause stattfand, und ausweislich der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden, zu der die Beschwerde nicht Stellung genommen hat, keine förmliche Befragung, sondern eine der Höflichkeit geschuldete eher persönliche Unterhaltung war, handelte es sich nicht um Ermittlungen im anhängigen Rechtsstreit, die gegenüber dem gesamten Richterkollegium und den Prozessbeteiligten bekannt zu machen gewesen wären. Deshalb war es auch unschädlich, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers bei diesem Gespräch nicht beteiligt war. Nach Erinnerung des Beschwerdegegners hat der Vorsitzende nach Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung zudem auf das Gespräch mit dem Kläger hingewiesen. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör und gegen den Überzeugungsgrundsatz wird dadurch nicht begründet.

10 Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.

11 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf den §§ 47, 52 GKG.