Beschluss vom 17.09.2003 -
BVerwG 3 B 50.03ECLI:DE:BVerwG:2003:170903B3B50.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.09.2003 - 3 B 50.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:170903B3B50.03.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 50.03

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 12.02.2003 - AZ: OVG 2 L 280/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. September 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B o r g s - M a c i e j e w s k i und L i e b l e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Februar 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 941 € festgesetzt.

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO) gestützte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung dazu beitragen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die weitere Entwicklung des Rechts zu fördern. Die aufgeworfene Rechtsfrage muss insbesondere klärungsbedürftig und in dem erstrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sein. Diesen Anforderungen wird der Beschwerdevortrag nicht gerecht.
a) Für klärungsbedürftig hält der Beigeladene zum einen die Frage:
"Kann bei Beendigung eines Pachtverhältnisses eine Milch-Referenzmenge auf einen Verpächter übergehen, der selbst kein Milcherzeuger ist und zeitnah keinen Antrag nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MGV - jetzt § 17 Abs. 1 Satz 1 ZAV - stellt?"
Diese Frage ist aus mehreren Gründen ungeeignet, die Revision zu eröffnen:
Zum einen beantwortet sich diese Frage anhand der Regelungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV). Diese Verordnung ist durch § 30 Zusatzabgabenverordnung (ZAV) vom 12. Januar 2000 aufgehoben worden, soweit in letzterer nicht die Fortgeltung einzelner MGV-Regelungen bestimmt ist. Bei diesem Komplex handelt es sich somit um ausgelaufenes bzw. auslaufendes Recht, dessen Auslegung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in aller Regel keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt. Der Senat verweist insoweit auf seinen Beschluss vom 30. Januar 2001 (BVerwG 3 B 186.00 ), der dem Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen aus seiner damaligen Beteiligung bekannt ist.
Die aufgeworfene Frage entbehrt zum anderen einer dem Darlegungserfordernis (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) gerecht werdenden Präzisierung. Sie erfasst nämlich eine Vielzahl denkbarer Fallgestaltungen, so dass es Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen wäre, das spezifische Problem seines Falles herauszuarbeiten.
Selbst wenn man zu Gunsten des Beigeladenen annähme, er wolle geklärt wissen,
ob durch die Rückgabe einer Milcherzeugungsfläche im Jahre 1991 an den Verpächter, der nicht selbst Milcherzeuger war, die diesbezügliche Referenzmenge auch dann übergegangen ist, wenn der Verpächter die Fläche sogleich ohne besondere Erwähnung der Referenzmenge weiterverpachtet hatte,
käme dieser Frage keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Richtigkeit der hierzu von der Vorinstanz eingenommenen Position drängt sich so sehr auf, dass der Senat einen Klärungsbedarf nicht anzuerkennen vermag: Erfolgte nämlich - wie im vorliegenden Fall - der Referenzmengenübergang unabdingbar kraft Gesetzes (mit der Überlassung der korrespondierenden Milcherzeugungsflächen an den Verpächter und sodann an den neuen Pächter), so ergibt die Forderung, diese Rechtsfolge hätte zusätzlich vertraglich vereinbart (bzw. "erwähnt") werden müssen, keinen Sinn. Die Beschwerde verkennt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Juni 2002 (- C-401/99 - AgrarR 2002, 283), wenn es ihm entnehmen zu können glaubt, der Gerichtshof verlange eine vertragliche Referenzmengenübertragung auch in Fällen, in denen die Vertragsparteien den Eintritt der aus ihrem faktischen Verhalten resultierenden Rechtsfolgen weder bewirken noch verhindern können (vgl. Beschluss vom 7. Februar 1992 - BVerwG 3 B 5.92 - Buchholz 451.512 MGVO Nr. 49, S. 211).
b) Das Oberverwaltungsgericht hat auch den Einwand des Beigeladenen zurückgewiesen, der Anspruch der Klägerin sei wegen verspäteter Antragstellung verwirkt. Den hierzu von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie im Wesentlichen durch das Urteil des Senats vom 9. Dezember 1998 (BVerwG 3 C 1.98 - BVerwGE 108, 93, 96) bereits beantwortet worden sind. Dort heißt es u.a.,
"dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde ...".
Damit unvereinbar ist die der Beschwerde zugrunde liegende Ansicht, schon "das bloße Unterlassen einer Antragstellung" (richtiger: die mehrjährige Untätigkeit) könne eine Vertrauensgrundlage im Sinne des Verwirkungstatbestandes zu Gunsten des Pächters geschaffen haben. Zutreffend hat dagegen das Berufungsgericht ein zusätzliches vertrauensbildendes Verhalten verlangt. Die von der Beschwerde nicht substantiiert bestrittene Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, ein Verhalten der Klägerin, aus dem der Beigeladene hätte schließen können, dass diese ihr Recht nicht mehr geltend machen werde, sei nicht ersichtlich, bindet den Senat (§ 137 Abs. 2 VwGO) und entzieht der Beschwerde ihre Grundlage.
2. Die mit der Beschwerde erhobene Abweichungsrüge ist ebenfalls unbegründet.
Der Beigeladene meint, das Berufungsurteil weiche von dem vorstehend erwähnten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 1998 ab: Während das Bundesverwaltungsgericht angenommen habe, auch das Antragsrecht des Verpächters könne verwirkt werden, vertrete das Berufungsgericht die Auffassung, die Kenntnis des Pächters von dem Antragsrecht des Verpächters schließe den Verwirkungstatbestand aus. Der Senat vermag nicht nachzuvollziehen, inwiefern das eine dem anderen widerspräche. Hinter der Abweichungsrüge verbirgt sich in Wirklichkeit Kritik an der Rechtsanwendung des Berufungsgerichts auf den vorliegenden Fall, die eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aber nicht begründen vermag. Die - angeblich - unrichtige Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten und vom Berufungsgericht nicht in Frage gestellten Rechtsgrundsatzes auf den zu entscheidenden Einzelfall ist keine Abweichung i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (stRspr. des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. Beschluss vom 29. Juni 1992 - BVerwG 3 B 102.91 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 17) und kann für sich genommen nicht zur Zulassung der Revision führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 GKG.