Urteil vom 17.06.2003 -
BVerwG 2 WD 2.02ECLI:DE:BVerwG:2003:170603U2WD2.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 17.06.2003 - 2 WD 2.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:170603U2WD2.02.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 2.02

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 17. Juni 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Kapitän zur See Besch,
Stabsbootsmann Schmidt
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor Söllner
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt Tesch, Marne,
als Verteidiger,
Justizobersekretärin von Förster
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der 10. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 4. Juli 2001 aufgehoben.
  2. Der Soldat hat ein Dienstvergehen begangen.
  3. Das Verfahren wird eingestellt.
  4. Die Kosten des Verfahrens und die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

Der 37 Jahre alte Soldat ist gelernter Dachdecker, die Abschlussprüfung bestand er mit Prüfungszeugnis vom 27. Februar 1985 mit dem Gesamtergebnis „befriedigend”. Anschließend war er in seinem erlernten Beruf tätig.

Zur Ableistung seines Grundwehrdienstes wurde der Soldat zum 1. Juli 1986 als Wehrpflichtiger zur Marineküstendienstschule Lehrgruppe ... in G. einberufen und aufgrund seiner Bewerbung und Verpflichtung für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr mit Wirkung vom 1. November 1986 als Matrose in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde zuletzt auf 19 Jahre und einen Monat verlängert, sie endet voraussichtlich am 31. Juli 2005. Seine Anträge auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes bzw. des militärfachlichen Dienstes sowie auf Übernahme als Berufssoldat blieben erfolglos.

Nach regelmäßigen Zwischenbeförderungen wurde der Soldat zuletzt mit Wirkung vom 1. April 1998 zum Hauptbootsmann befördert.

Der Soldat nahm in der Zeit vom 5. Januar bis 4. April 1988 am Maatenlehrgang mit der Abschlussnote „befriedigend” teil und vom 3. April 1990 bis 2. Juli 1990 besuchte er den Bootsmannlehrgang, den er ebenfalls mit der Abschlussnote „befriedigend” bestand.

Der Soldat wurde wie folgt versetzt: Zum 5. Januar 1993 zum Stab des Marinesicherungsbataillons ... in G. als Marinesicherungsbootsmann und Bootsmann Allgemeiner Dienst, zum 4. April 1995 zur AKPB des Marinesicherungsbataillons ... in R. als Marinesicherungsbootsmann und Hörsaalgruppenleiter, zum 1. Oktober 1996 zum Stab des Marinesicherungsbataillons ... in S. als Marinesicherungsbootsmann und Bootsmann Allgemeiner Dienst, zum 1. April 1998 zur .../Marineausbildungsbataillon zuerst in G. und später in P. als Marinesicherungsbootsmann und Kompaniefeldwebel und zum 1. Oktober 2001 zum Stab des F. in G. als Schüler. In der Zeit vom 7. Februar bis 8. Mai 2003 war er als Wachzugführer im ... Einsatzkontingent der Marinefliegerflottille M./K. eingesetzt.

In seiner planmäßigen dienstlichen Beurteilung vom 3. September 1998 erhielt der Soldat in der gebundenen Beschreibung elfmal die Wertung „2” und zweimal die Wertung „3”; in der freien Beschreibung wurde ihm für die Merkmale „Verantwortungsbewusstsein”, „Fähigkeit zur Einsatzführung/Betriebsführung” und „Durchsetzungsvermögen” jeweils der Ausprägungsgrad „B” zuerkannt. Zusammenfassend wurde er als ein außerordentlich verantwortungsbewusster Portepeeunteroffizier beschrieben, der die ihm übertragenen Aufgaben mit der notwendigen Akribie und sehr zuverlässig erfülle. Er setze mit ganzer Kraft seine Persönlichkeit ein, um seine Aufgaben wirkungsvoll zu erfüllen. Er besitze eine beispielgebende Einstellung zum Soldatenberuf. Der Bataillonskommandeur bezeichnete den Soldaten in seiner Stellungnahme als einen fachlich und menschlich zuverlässigen Portepeeunteroffizier, der als Kompaniefeldwebel seinen Fachbereich und das Unteroffizierkorps der Kompanie zu leiten vermöge.

Kapitänleutnant der Reserve H., damaliger Disziplinarvorgesetzter des Soldaten, sagte als Leumundszeuge aus, er sei mit der Arbeit des Soldaten zufrieden gewesen, eine administrative Überprüfung habe dieser gut überstanden, und er habe keine Mängel bei dem Soldaten feststellen können. Kapitänleutnant S., Disziplinarvorgesetzter des Soldaten nach dessen Ablösung vom Dienstposten des Kompaniefeldwebels der .../Marineausbildungsbataillon in P., sagte als Leumundszeuge vor dem Truppendienstgericht aus, der Soldat habe sich zu einer „wertvollen Stütze” des S 1-Offiziers entwickelt und sich sehr intensiv um die Belange des Bataillons gekümmert.

In der Sonderbeurteilung vom 12. Februar 2003 erhielt der Soldat in den Einzelmerkmalen viermal die Wertung „7” und zwölfmal die Wertung „6”. Bei „Eignung und Befähigung” wurde ihm für „Verantwortungsbewusstsein” und „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung” die Wertung „E” sowie für „Geistige Befähigung” und „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung” die Wertung „D” zuerkannt. Bei „Verwendungshinweise” erhielt der Soldat für Fachverwendungen und Stabsverwendungen die Stufe „Besonders geeignet”. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen” wurde über ihn ausgeführt:

„Hauptbootsmann T. ist ein hervorragender Portepeeunteroffizier, der stets ausgeglichen, optimistisch und gut gelaunt seinen Dienst im Sinne der soldatischen Pflichten versieht. Er stellt einen sehr hohen Anspruch an sich selbst und an seine Untergebenen. Mit viel Geschick und Motivation gelingt es ihm seine hohen Ziele zu erreichen, wobei er sein unterstelltes Personal optimal einsetzt. Sein Umgang mit Menschen ist durch Kameradschaft und Fürsorge geprägt.

Mit seinem offenen, humorvollen, selbstbewussten und positivem Auftreten hat Hauptbootsmann T. Anerkennung bei seinen Vorgesetzten, Kameraden und Untergebenen gefunden.

Es ist sehr bedauerlich, dass ein Soldat mit seinen hervorragenden Eigenschaften und Fähigkeiten die Marine verlässt.”

In einem Beurteilungsbeitrag des Vertreters „Militärische Sicherheit” der Einsatzgruppe der Flottille der Marineflieger M./K. wird über den Soldaten unter „IV. Bewährung im Einsatz” ausgeführt, er habe sich im ... Einsatzkontingent der Marinefliegerflottille M. absolut bewährt und sei seinen Vorgesetzten stets eine große Hilfe und Ansprechpartner in allen fachlichen Belangen gewesen. Die Tatsache, dass der Soldat die Bundeswehr und die Marine verlassen werde, stelle einen Verlust an fachlicher Expertise und Persönlichkeit in der stets unterbesetzten Verwendungsreihe 76 dar.

Dem Soldaten wurden am 19. September 1994, 26. Juni 1996 und 4. Mai 2003 jeweils eine mit der Gewährung von Sonderurlaub verbundene förmliche Anerkennung wegen vorbildlicher Pflichterfüllung erteilt.

Seit dem 20. Juni 1991 ist er berechtigt, das Abzeichen für Leistungen im Truppendienst der Stufe Gold zu tragen.

Der Auszug aus dem Zentralregister des Generalbundesanwalts vom 7. Februar 2003 enthält keine Eintragung über eine strafgerichtliche Verurteilung. Der Disziplinarbuchauszug vom 11. Februar 2003 weist keine disziplinare Maßregelung aus.

Der Soldat ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.

Nach Auskunft der Wehrbereichsverwaltung ..., Außenstelle K. - Gebührniswesen - vom 28. Januar 2002 erhält er Dienstbezüge aus der 7. Dienstaltersstufe der Besoldungsgruppe A 8 mit Amtszulage des Bundesbesoldungsgesetzes in Höhe von 2.410,37 € brutto und 2.196,71 € netto, tatsächlich werden ihm einschließlich Kindergeld 2.436,58 € ausbezahlt.

Die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Soldaten sind geordnet.

II

III