Beschluss vom 17.02.2017 -
BVerwG 5 B 16.16ECLI:DE:BVerwG:2017:170217B5B16.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.02.2017 - 5 B 16.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:170217B5B16.16.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 16.16

  • VG Köln - 19.09.2013 - AZ: VG 26 K 908/13
  • OVG Münster - 15.12.2015 - AZ: OVG 12 A 2415/13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Februar 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen
und Dr. Harms
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 2015 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (1.) und von Verfahrensmängeln (2.) gestützte Beschwerde ist unzulässig.

2 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 1. Februar 2011 - 7 B 45.10 - juris Rn. 15 und vom 21. Oktober 2014 - 5 B 30.14 - juris Rn. 2). Diese Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.

4 a) Die Beschwerde formuliert bereits keine Rechtsfrage im vorgenannten Sinne. Hierfür genügt es nicht, wenn sie darlegt, dass die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht dadurch entfallen könne, dass die Regelungen zum studiendauerabhängigen Teilerlass zukünftig an Bedeutung verlören (Beschwerdebegründung S. 2). Selbst wenn das Oberverwaltungsgericht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu Unrecht aus diesem Grund abgelehnt haben sollte, ließe dies die Notwendigkeit, eine Rechtsfrage zu formulieren, die für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig gehalten wird, nicht entfallen. Eine Zulassung der Revision kommt auch dann nur in Betracht, wenn die Beschwerde den Darlegungsanforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde in vollem Umfang entspricht.

5 Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerde auch insofern nicht, als sie darüber hinaus geltend macht, die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits für den Kläger sei auch deshalb gegeben, weil der Kläger sich mit einem fehlerhaften und unter einem Verfahrensmangel leidenden Urteil abfinden müsse, nur weil das Berufungsgericht die unzutreffende Auffassung vertrete, dass diesem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung zukomme (Beschwerdebegründung S. 3). Geltend gemachte Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall verleihen einer Rechtssache ebenso wie mögliche Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (BVerwG, Beschluss vom 13. März 2003 - 5 B 253.02 - Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 26 S. 2).

6 2. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

7 Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Pflicht zur Bezeichnung des Verfahrensmangels erfordert die schlüssige Darlegung einer Verfahrensrüge (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. März 2000 - 9 B 530.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308 S. 15 und vom 1. Dezember 2000 - 9 B 549.00 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 60 S. 18 f.).

8 a) Die Beschwerde macht zunächst geltend, das Berufungsgericht habe den ausführlichen und substantiierten Sachvortrag des Klägers einschließlich Beweisangeboten zu der Frage, ob die von ihm besuchte Berufsakademie gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BAföG nach Art und Inhalt der Ausbildung als Hochschule im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG oder als gleichwertige Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 3 BAföG anzusehen sei, unbeachtet gelassen und in seinem Urteil ungerechtfertigt als "pauschale Behauptung" bewertet. Stattdessen habe es entgegen des anderslautenden Klägervortrags selbst die Behauptung aufgestellt, das duale Studium sei während der Studienzeit des Klägers kein prägendes Kennzeichen der Fachhochschullandschaft gewesen (Beschwerdebegründung S. 4).

9 Soweit dieses Vorbringen für sich genommen als Rüge eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu verstehen sein sollte, genügt es den Darlegungsanforderungen nicht. Nach dem Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist es Sache des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien Beweiswürdigung eine Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Die Freiheit, die der Überzeugungsgrundsatz dem Tatsachengericht zugesteht, bezieht sich auf die Bewertung der für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzuordnen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 - 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272 > m.w.N.; Beschlüsse vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f. und vom 14. Juli 2010 - 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4, jeweils m.w.N.). Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der einen Verfahrensfehler begründet, kann ausnahmsweise dann anzunehmen sein, wenn die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, missachtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2013 - 6 C 23.12 - Buchholz 442.066 § 21 TKG Nr. 4 Rn. 84, Beschlüsse vom 14. Juli 2010 - 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4 und vom 12. März 2014 - 5 B 48.13 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 62 Rn. 22, jeweils m.w.N.). Dies hat die Beschwerde, die der Sache nach lediglich vorträgt, das Gericht habe die Tatsachen anders gewürdigt als der Kläger in seinem Schriftsatz vom 27. März 2015 (gemeint sein dürfte wohl der Schriftsatz vom 24. März 2015), nicht dargelegt.

10 b) Soweit die Beschwerde weiter ausführt, das Berufungsgericht habe damit auch entgegen seiner auf dem Untersuchungsgrundsatz beruhenden Verpflichtung den Sachverhalt nicht weiter ausgeforscht und sei der auf dem substantiierten Sachvortrag beruhenden Anregung des Klägers, die Akkreditierungsunterlagen bei der Dualen Hochschule anzufordern, nicht nachgekommen (Beschwerdebegründung S. 4), rügt sie eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO.

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Aufklärungsrüge kein Mittel darstellt, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. Deshalb muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, BVerwG, vgl. Beschluss vom 29. Juli 2015 - 5 B 36.14 - juris Rn. 7 m.w.N.).

12 Die Beschwerde trägt insoweit vor, der Kläger habe zu den vom Gericht in seinen Hinweisen vom 27. Februar 2015 aufgestellten Kriterien für die Einordnung einer Ausbildungsstätte als Hochschule ausführlich Stellung genommen und substantiiert vorgetragen, warum die Kriterien eines (Fach-)Hochschulstudiums erfüllt seien, und die Anforderung der Akkreditierungsunterlagen angeregt (Beschwerdebegründung S. 3). Durch Einsichtnahme in die Unterlagen hätte das Berufungsgericht feststellen können, dass diese den klägerischen Vortrag bestätigten und das damalige Studium des Klägers organisatorisch und inhaltlich dem jetzigen Studienplan der den Fachhochschulen gleichgestellten Dualen Hochschule Baden-Württemberg entsprochen habe (Beschwerdebegründung S. 4). Damit genügt die Beschwerde den Darlegungsanforderungen bereits deshalb nicht, weil sie nicht darlegt, aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Oberverwaltungsgericht die Beweisaufnahme auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen. Solche Ausführungen sind erforderlich gewesen, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am 15. Dezember 2015 ausweislich der Niederschrift des Protokolls keinen auf die Anforderung der Akkreditierungsunterlagen bei der Dualen Hochschule gerichteten Beweisantrag gestellt hat.

13 c) Soweit die Beschwerde in dem Umstand, dass das Berufungsgericht entgegen der Anregung des Klägers die Akkreditierungsunterlagen nicht angefordert hat, außerdem eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 108 Abs. 2 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG sieht (Beschwerdebegründung S. 4), genügt sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ebenfalls nicht.

14 Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Beteiligten müssen demgemäß auch Gelegenheit erhalten, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen und Rechtsfragen sachgemäß, zweckentsprechend und erschöpfend erklären zu können. Ausweislich der Entscheidungsgründe hat das Oberverwaltungsgericht das Vorbringen des Klägers, schon zu der Zeit seiner Ausbildung hätten das Ausbildungsprogramm, die Ausbildungsstruktur und das Ausbildungsziel den Gegebenheiten an einer Fachhochschule entsprochen, an denen es nämlich auch duale Studiengänge gebe, zur Kenntnis genommen und dahingehend gewürdigt, es vernachlässige, dass das duale Studium jedenfalls während seiner Ausbildung an der Berufsakademie kein prägendes Kennzeichen der Fachhochschullandschaft, insbesondere in Baden-Württemberg, gewesen sei (UA S. 15). Gemessen an dieser Rechtsauffassung war der Inhalt der Akkreditierungsunterlagen, die aus Sicht des Klägers nur seine vom Gericht gewürdigte Behauptung bestätigen, nicht entscheidungserheblich. Bereits deshalb kann in dem Umstand, dass das Gericht der Anregung auf Beiziehung dieser Unterlagen nicht gefolgt ist, kein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gesehen werden.

15 3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

16 4. Die Kostenentscheidung gründet auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO nicht erhoben.