Beschluss vom 16.12.2002 -
BVerwG 9 B 53.02ECLI:DE:BVerwG:2002:161202B9B53.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.12.2002 - 9 B 53.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:161202B9B53.02.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 53.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 04.03.2002 - AZ: OVG 20 D 120/97.AK

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Dezember 2002
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
H i e n und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S t o r o s t und Prof. Dr. R u b e l
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. März 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) legt die Beschwerde nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dar (vgl. hierzu näher BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Zwar macht sie diesen Zulassungsgrund geltend, lässt aber nicht erkennen, auf welchen Teil des ohnehin weitgehend in der Art einer allgemeinen Kritik an der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts gehaltenen Beschwerdevorbringens er sich beziehen soll. Sollte die Grundsatzrüge die Ausführungen zur mangelnden Ermächtigungsgrundlage und zur "fehlenden Anhörung/Öffentlichkeitsbeteiligung" betreffen, wofür spricht, dass diese jedenfalls keinem anderen der geltend gemachten Zulassungsgründe zugeordnet werden können, so ergäbe sich auch in diesem Fall kein Zulassungsgrund: Hinsichtlich der Ermächtigungsfrage beschränkt sich die Beschwerde lediglich auf die Behauptung, dass Flugverfahren einer Festlegung durch untergesetzliche Normen "sehr wohl" verschlossen seien und erfüllt auch insoweit nicht die genannten Darlegungsanforderungen. Sie formuliert weder eine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage noch gibt sie an, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Hierzu hätte es auch einer Auseinandersetzung mit den die Frage der Ermächtigungsgrundlage ausführlich behandelnden Gründen des angegriffenen Urteils bedurft (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 30. April 1980 - BVerwG 7 C 88.78 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 55 m.w.N.), zumal die Beschwerde aus der Revisionsentscheidung in dieser Sache (BVerwGE 111, 276) erkennen konnte, dass das Bundesverwaltungsgericht ersichtlich von der grundsätzlichen Tragfähigkeit der Rechtsgrundlage ausgegangen ist, weil sich anderenfalls die ausgesprochene Zurückverweisung nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO erübrigt hätte.
Aus der von der Beschwerde aufgeworfenen Anhörungsthematik lässt sich eine im Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung nicht herleiten. Denn das Oberverwaltungsgericht hat einen Nichtigkeitsgrund insoweit nicht allein deswegen verneint, weil weder dem Kläger noch den betroffenen Gemeinden ein Anhörungsrecht zustehe. Es hat seine Entscheidung insoweit selbständig tragend auf den weiteren Grund gestützt, dass klägerseits nicht aufgezeigt worden sei, was im Falle einer Anhörung vorgetragen worden wäre und angesichts der Zielsetzung sowie der gewählten Vorgehensweise der Beklagten für die konkret getroffene Entscheidung zugunsten des Klägers hätte relevant werden können. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil, das in je selbständig tragender Weise mehrfach begründet ist, nur stattgegeben werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20. August 1993 - BVerwG 9 B 512.93 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 320). Die Beschwerde hat insoweit zwar die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt und geltend gemacht, sie habe "sehr wohl und ausführlich vorgetragen, was im Falle einer durchgeführten Anhörung vorgetragen worden wäre". Diese bloße Behauptung erfüllt jedoch nicht die Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die substantiierte Darlegung eines Zulassungsgrundes (vgl. näher BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - a.a.O.).
Auch die Divergenzrügen greifen nicht durch. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nur dann im Sinne der schon genannten Vorschrift des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundesverfassungsgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen der genannten Art genügt nicht den Zulassungsanforderungen einer Divergenz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - a.a.O.). Diese Voraussetzungen erfüllt das Beschwerdevorbringen nicht.
Soweit die Beschwerde meint, die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur "Kontrolle der Deutschen Flugsicherung GmbH" stünden im Widerspruch zur Revisionsentscheidung in dieser Sache, wonach das Luftfahrt-Bundesamt für die abschließende Entscheidung verantwortlich bleibe und für die Einhaltung der für die Abwägung erforderlichen Maßstäbe Sorge tragen und die Nachprüfbarkeit ihrer Einhaltung sicherstellen müsse, versäumt sie es, diesen Rechtssätzen widersprechende Rechtssätze des Oberverwaltungsgerichts zu benennen. Solche divergierenden Rechtssätze sind auch nicht erkennbar. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit ausdrücklich die Anforderungen des Revisionsurteils seiner Entscheidung zugrunde gelegt und ist deswegen zutreffend davon ausgegangen, dass die Deutsche Flugsicherung GmbH gegenüber dem Luftfahrt-Bundesamt auf eine - wenn auch weitgehende - "Hilfe" bei der Vorbereitung von Flugverfahren beschränkt ist, die eine - hier auch stattgefundene - hinreichende Prüfung der letztlich gefundenen Flugverfahren durch das Luftfahrt-Bundesamt, das für die Entscheidung verantwortlich bleibe, nicht entbehrlich mache. Wenn die Beschwerde rügt, die insoweit getroffenen "Feststellungen" des Oberverwaltungsgerichts träfen nicht zu, für die "Einhaltung der für die Abwägung erforderlichen Maßstäbe" werde nicht Sorge getragen und "die Nachprüfbarkeit ihrer Einhaltung" werde nicht sichergestellt, wendet sie sich in Wahrheit gegen die nach ihrer Ansicht fehlerhafte Anwendung von Rechtssätzen sowie gegen tatsächliche Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, was eine Zulassung wegen Divergenz nicht begründen kann.
Erfolglos rügt die Beschwerde auch Divergenzen im Zusammenhang mit "Abwägungsfehlern aus unrichtiger Sachverhaltsermittlung". Mit der Rüge, das Oberverwaltungsgericht weiche von der Revisionsentscheidung ab, wenn es feststelle, dass der Kläger in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf Abwägung nicht verletzt sei, beanstandet die Beschwerde wiederum nur die fehlerhafte Anwendung von Rechtssätzen; denn das Oberverwaltungsgericht bestreitet gerade nicht dieses in der Revisionsentscheidung entwickelte Recht des Klägers bei der Festlegung von Abflugrouten, sondern legt in den von der Beschwerde wiedergegebenen Passagen lediglich dar, aus welchen tatsächlichen Gründen es nicht verletzt ist. Dasselbe gilt für die Rüge, das Oberverwaltungsgericht weiche von Rechtssätzen der Revisionsentscheidung im Hinblick auf die Anforderungen an das zur Ermittlung der tatsächlichen Gegebenheiten verwendete Kartenmaterial ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die in der Revisionsentscheidung formulierten Anforderungen nicht in Frage gestellt, sondern dargelegt, dass das verwendete Kartenmaterial hinreichend aussagekräftig und aktuell gewesen ist, um eine angemessene Erfassung und Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten zu ermöglichen.
Mit den Rügen zahlreicher Widersprüche zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 1978 (BVerwG 4 C 79.76 u.a. - BVerwGE 56, 110 <122>) legt die Beschwerde eine Divergenz schon deswegen nicht hinreichend dar, weil sie den einschlägigen Rechtssatz dieser Entscheidung unzutreffend wiedergibt. In der Sache will die Beschwerde geltend machen, das Oberverwaltungsgericht habe nicht "alle verfügbaren Daten" ermittelt und deswegen den Sachverhalt unzureichend festgestellt. Die von der Beschwerde angeführte Entscheidung, die insoweit ohnehin nicht allgemein die Sachverhaltsermittlung, sondern die Erstellung von Prognosen betrifft, stellt aber in Wahrheit auf die "erheblichen" Umstände ab (a.a.O.). Welche Umstände für die Festlegung von Flugrouten von Bedeutung sind, hat die Revisionsentscheidung konkretisiert. Danach wird der anzulegende Prüfungsmaßstab durch die besondere sachliche Eigenart der Flugroutenfestlegung bestimmt und begrenzt (BVerwGE 111, 276 <283>). Daraus folgt, dass bei der Sachverhaltsermittlung allein eine generalisierende Betrachtungsweise gefordert ist (a.a.O., S. 284). Diesen Maßstab hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt und angewendet. Es geht deswegen ins Leere, wenn die Beschwerde in der Sache beanstandet, das Oberverwaltungsgericht habe aufgrund unzutreffender rechtlicher Maßstäbe bzw. unzureichender tatsächlicher Feststellungen nicht "alle verfügbaren Daten" ermittelt.
Soweit auch in diesem Zusammenhang die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt wird (Benennung des sachverständigen Zeugen Prof. B. und Beweisangebot eines Sachverständigengutachtens), sind die bereits erwähnten Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO wiederum ebenso wenig erfüllt wie mit der Rüge im Zusammenhang mit "Abwägungsfehlern bezüglich des Kartenmaterials", die sich darauf beschränkt, der Kläger habe "sehr wohl" vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der Sachverhaltsermittlung insoweit unzutreffende Annahmen zugrunde lägen. Das gilt auch, soweit die Beschwerde das Verhalten des Oberverwaltungsgerichts im Zusammenhang mit der (Nicht-)Vorlage von Kartenmaterial in der mündlichen Verhandlung unsubstantiiert als "Verfahrensmangel" rügt.
Auch die im Zusammenhang mit "Abwägungsfehlern aufgrund der fehlenden Prüfung von Alternativen" gerügte Divergenz mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1992 (BVerwG 4 B 1-11.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89) begründet keinen Zulassungsgrund, weil sich die Beschwerde auch hier auf die Rüge fehlerhafter Anwendung von Rechtssätzen beschränkt, ohne konkrete Rechtssätze zu nennen, mit denen das Oberverwaltungsgericht von dieser Entscheidung abweicht.
Schließlich greift auch die Rüge der Beschwerde nicht durch, es liege eine Überraschungsentscheidung vor, weil das Oberverwaltungsgericht die Regelung der DIN-Norm 45643 nicht berücksichtigt habe. Eine - unzulässige - Überraschungsentscheidung trifft ein Gericht, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 80.91 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 241 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Wie sich aus den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ergibt, hat der Kläger die DIN-Vorschrift selbst in das Verfahren eingebracht. Gerade dem Kläger als Anwalt musste klar sein, dass sich das Oberverwaltungsgericht als Erstes die Frage der Anwendbarkeit der DIN-Norm stellen musste, zumal sie in der bisherigen Praxis ersichtlich keine Verwendung gefunden hatte und somit kein allgemeiner Konsens über ihre Anwendbarkeit bestand. Wenn sich das Oberverwaltungsgericht zur Beantwortung dieser Frage auf die in der DIN-Norm selbst an zentraler Stelle enthaltene Regelung stützt, wonach sie nur in Verfahren nach § 19 a LuftVG Anwendung findet, ist darin kein Überraschungsmoment zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, wobei für die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen die Erwägungen der Vorinstanz maßgeblich sind, sowie auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 GKG.