Beschluss vom 16.08.2016 -
BVerwG 8 B 17.15ECLI:DE:BVerwG:2016:160816B8B17.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.08.2016 - 8 B 17.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:160816B8B17.15.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 17.15

  • VG Berlin - 20.05.2015 - AZ: VG 29 K 169.13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. August 2016
durch die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, Hoock und Dr. Rublack
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. Mai 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger begehrt als alleiniger Erbe seiner 1999 verstorbenen Adoptivmutter die Feststellung seiner Berechtigung wegen des Verlustes von Aktienbeteiligungen und Genussscheinen an der I. AG. Den Antrag auf Rückübertragung bzw. Entschädigung lehnte das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen mit Bescheid vom 20. Februar 2013 mit der Begründung ab, der Antrag sei nicht fristgemäß eingegangen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen.

2 Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision, die sich auf die Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und des Verfahrensmangels beruft (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), hat keinen Erfolg.

3 1. Der Kläger macht geltend, das Verwaltungsgericht habe den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt, weil es sich nicht damit befasst habe, wie ein juristischer Laie den Inhalt des Schreibens des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen des Landes Brandenburg vom 9. März 1993 habe verstehen müssen. Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr eingehend dargelegt, dass dieses Schreiben nach Überzeugung der Kammer auch aus einer laienhaften Perspektive nicht als Mitteilung des Landesamtes an die Adoptivmutter des Klägers dahingehend verstanden werden könne, dass ein Antrag nicht mehr gestellt werden müsse (UA S. 9). Der Kläger legt auch nicht substantiiert dar, dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Würdigung des Schreibens vom 9. März 1993 und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstießen. Seinem Vorbringen lässt sich weder entnehmen, dass die von der Vorinstanz gezogenen Schlussfolgerungen denklogisch schlechthin unmöglich noch dass sie objektiv willkürlich wären. Vielmehr beschränkt sich der Kläger darauf, der Tatsachenwürdigung des Verwaltungsgerichts seine hiervon abweichende Auffassung entgegenzusetzen. Damit ist ein Verstoß gegen die Denkgesetze nicht dargetan. Gleiches gilt für den Vorwurf des Klägers, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, als "Frl. R." sei die Tante Gerd R. - und nicht die Adoptivmutter des Klägers - bezeichnet worden.

4 Das Vorbringen des Klägers, in Anbetracht des Schreibens vom 9. März 1993 hätte die Fristversäumung des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG nicht zum Tragen kommen dürfen, vielmehr hätte ihm Nachsicht gewährt werden müssen, führt ebenfalls nicht auf einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz. Das Verwaltungsgericht hat die Voraussetzungen einer Nachsichtgewährung mit der Begründung verneint, die Frist für die geltend gemachten Rückübertragungs- bzw. Entschädigungsansprüche sei bereits am 31. Dezember 1992 abgelaufen gewesen, sodass das erst danach verfasste Schreiben des Landesamtes vom 9. März 1993 bei der Adressatin kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend habe begründen können, dass ein Antrag ihrerseits nicht mehr erforderlich sei. Der Einwand des Klägers, der von einem Fristablauf erst am 30. Juni 1993 ausgeht, bezeichnet keine fehlerhafte Sachverhaltswürdigung, sondern wendet sich gegen die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende materiell-rechtliche Rechtsauffassung zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche des § 30a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 und 2 VermG. Sie kann nicht mit der Verfahrensrüge angegriffen werden.

5 Soweit der Kläger schließlich einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz darin zu erkennen meint, dass das Verwaltungsgericht keine Feststellungen zum Ausmaß des Vermögensverlustes getroffen habe, liegt ein Verfahrensmangel nicht vor. Der Kläger legt insbesondere nicht dar, dass das Verwaltungsgericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergangen hätte. Es hat die ihm vorliegenden Unterlagen einschließlich der auszugsweise in Kopie im Verwaltungsvorgang enthaltenen Lastenausgleichsakte des Landesausgleichsamtes München ausgewertet und ist unter eingehender Würdigung der vorhandenen Informationen zu dem Schluss gelangt, dass ein verfolgungsbedingter Vermögensverlust der Rechtsvorgängerin des Klägers hinsichtlich der Aktien und Genussscheine an der I. AG nicht festgestellt werden könne (UA S. 11). Soweit der Kläger sinngemäß Aufklärungsmängel gemäß § 86 Abs. 1 VwGO geltend macht, fehlt eine substantiierte Darlegung, weshalb sich der Vorinstanz die Beiziehung weiterer Akten auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung auch ohne förmlichen Beweisantrag hätte aufdrängen müssen.

6 2. Auch die vom Kläger erhobene Divergenzrüge führt nicht zur Zulassung der Revision. Eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts liegt nur vor, wenn sich die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat (BVerwG, Beschlüsse vom 3. Juni 2008 - 9 BN 3.08 - juris Rn. 2 und vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3 m.w.N.). Einen solchen Widerspruch von Rechtssätzen zeigt der Kläger nicht auf. Er arbeitet schon keinen abstrakten Rechtssatz des angegriffenen Urteils heraus, mit dem sich das Verwaltungsgericht in Widerspruch zu einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts gesetzt hätte. Vielmehr beanstandet er lediglich die Rechtsanwendung der Vorinstanz in Bezug auf die Ablehnung einer Nachsichtgewährung als fehlerhaft. Dass das Verwaltungsgericht einen von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2013 - 8 C 24.12 - (juris Rn. 28 ff.) und - 8 C 25.12 - (juris Rn. 29 ff.) abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, ergibt sich hieraus nicht. Abgesehen davon unterstellt der Kläger auch in diesem Zusammenhang, dass die Anmeldefrist erst am 30. Juni 1993 abgelaufen sei, und stützt seinen Vortrag damit auf eine andere Rechtsauffassung als diejenige, die dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugrunde liegt.

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.