Beschluss vom 16.05.2002 -
BVerwG 7 B 15.02ECLI:DE:BVerwG:2002:160502B7B15.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.05.2002 - 7 B 15.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:160502B7B15.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 15.02

  • VG Greifswald - 25.10.2001 - AZ: VG 4 A 1534/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Mai 2002
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
Dr. F r a n ß e n und die Richter am Bundesverwaltungs-
gericht G ö d e l und K l e y
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Oktober 2001 wird verworfen, soweit sie vom Kläger zu 2 erhoben worden ist, und im Übrigen zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 857 € (entspricht 99 468 DM) festgesetzt.

Die Kläger beanspruchen die Rückübertragung eines Grundstücks nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen - VermG -. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil - zum einen - die Klägerin seinerzeit weder allein noch gemeinsam mit ihren Schwestern Eigentümerin des Grundstücks gewesen sei oder ein Anwartschaftsrecht daran erworben habe und - zum anderen - der Kläger nicht bewiesen habe, dass sein Rechtsvorgänger sein Eigentum aufgrund einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG verloren habe.
Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil.
1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie durch den Kläger erhoben worden ist. Sämtliche Rügen der Kläger betreffen das mit dem Hauptantrag verfolgte Ziel, die Feststellung der Berechtigung der Klägerin aufgrund der Schädigung einer im Jahre 1952 erworbenen Eigentums- oder eigentumsähnlichen Position an dem Grundstück und damit dessen Rückgabe an die Klägerin zu erreichen.
2. Soweit die Beschwerde durch die Klägerin erhoben worden ist, bleibt sie im Ergebnis ebenfalls ohne Erfolg. Es liegen weder die gerügten Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, noch ist die nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache erkennbar.
a) Die Klägerin sieht eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs zunächst darin, dass das Verwaltungsgericht erstmals in der Begründung des Urteils ausführlich dargelegt habe, es verstehe die von Herrn G. formulierte eidesstattliche Versicherung dahin, dass das umstrittene Grundstück erworben und vermessen, aber noch nicht eingetragen gewesen sei. Die Klägerin macht geltend, sie hätte das Gericht im Falle eines Hinweises auf die beabsichtigte Ausdeutung dieser Erklärung darauf hingewiesen, dass Herrn G. die als Anlagen 1 und 2 der Beschwerde beigefügten Unterlagen (eine Eintragungsnachricht des Grundbuchamts über ein anderes Grundstück sowie das Testament des Vaters der Klägerin) vorgelegen hätten; denn dies sei der Grund dafür, dass die unter a und b der Erklärung angeführten Grundstücke näher bezeichnet seien als das unter c erwähnte umstrittene Grundstück.
Abgesehen davon, dass sich aus den von der Klägerin genannten Unterlagen nur nähere Angaben über das unter a genannte Grundstück entnehmen lassen, liegt der geltend gemachte Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach § 108 Abs. 2 VwGO nicht vor. Angenommen werden könnte ein solcher Verfahrensmangel nur, wenn die durch das Gericht gewählte Auslegung der Sache nach oder im Hinblick auf den bisherigen Verfahrensablauf für die Klägerin überraschend sein musste. So verhielt es sich jedoch nicht. Vielmehr war der Unterschied in der Bezeichnung der in der Erklärung aufgeführten Grundstücke augenfällig. Es lag daher nahe, aus dem Umstand, dass bei dem umstrittenen Grundstück lediglich das Erwerbsgeschäft und die Vermessung erwähnt wurden und - anders als bei den anderen Grundstücken - Angaben zur Grundbuchbezeichnung fehlten, auf eine seinerzeit noch nicht vorgenommene Grundbucheintragung zu schließen. Dies gilt umso mehr, als bereits das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen in seinem Bescheid vom
25. Oktober 1994 denselben Schluss gezogen hatte. Deshalb hätte es sich der Klägerin aufdrängen müssen, von sich aus die erwähnten Unterlagen dem Verwaltungsgericht vorzulegen, um die für sie nachteilige Auslegung der eidesstattlichen Versicherung zu verhindern.
Das Gericht war auch aufgrund seiner Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO nicht gehalten, vorab auf die von ihm bevorzugte Auslegung der eidesstattlichen Versicherung hinzuweisen. Zwar begründet diese Norm im Einzelfall weitergehende Pflichten des Gerichts als der Anspruch der Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs, aber auch sie verlangt keine Hinweise auf Gesichtspunkte, die bereits früher im Verwaltungsverfahren erörtert worden sind oder auf der Hand liegen (BVerwG, Urteil vom 11. November 1970 - BVerwG 6 C 49.68 - BVerwGE 36, 264 <267>).
b) Eine weitere Verletzung ihres Rechts auf § 108 Abs. 2 VwGO sieht die Klägerin darin, dass das Verwaltungsgericht in seiner Urteilsbegründung keine Erläuterung für einen von ihr aufgezeigten Widerspruch zwischen Grundbucheintragungen gegeben habe, mit denen sie die fehlende Beweiskraft des Grundbuchs belegt habe. Der gerügte Verfahrensmangel ist nicht erkennbar. Dass das Verwaltungsgericht diesen Vortrag der Klägerin zur Kenntnis genommen hat, ergibt sich bereits aus dessen Wiedergabe im Tatbestand des Urteils. Das Verwaltungsgericht hat die Argumentation aber auch - wie es der Anspruch der Klägerin aus § 108 Abs. 2 VwGO gebietet - in Erwägung gezogen; denn es geht in den Entscheidungsgründen ausdrücklich auf "die von der Klägerin aufgeführten Ungereimtheiten hinsichtlich der Grundbucheintragungen" ein, obwohl es daraus nicht dieselben Schlüsse zieht wie die Klägerin.
c) Ebenfalls zu Unrecht rügt die Klägerin eine Verletzung der gerichtlichen Pflicht zur Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO. Aus der dem Urteil zugrunde liegenden materiellrechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichts bestand keine Veranlassung, der Ordnungsmäßigkeit der durch das Katasteramt aufgestellten Eigentumsfolge (Bl. 154 der VG-Akte) nachzugehen; denn die Kammer hielt diese Eigentumsfolge von vornherein nicht für geeignet, das Gegenteil der im Grundbuch eingetragenen Tatsachen zu beweisen.
Auch die übrigen im Anschluss daran erhobenen Sachaufklärungsrügen können nicht zum Erfolg des Rechtsbehelfs führen. Sie genügen entweder nicht den Anforderungen an die Begründung solcher Rügen oder zielen auf die Ermittlung von Tatsachen, die offenkundig ungeeignet sind, eine Eigentumserstellung der Klägerin zu belegen, oder verkennen, dass es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts ist, ohne entsprechenden Vortrag der Beteiligten oder sonstige Anhaltspunkte, also gleichsam ins Blaue hinein, Ermittlungen anzustellen. Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses zu diesem Teil der Beschwerde sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit den Aufklärungsrügen wiederum eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs geltend macht, weil das Verwaltungsgericht den Beteiligten nicht vorab die eingeholte Auskunft des Grundbuchamts zur Kenntnis gegeben habe, bleibt ihre Beschwerde ebenfalls ohne Erfolg; denn eine Gehörsrüge ist nur dann ordnungsgemäß begründet, wenn der Beschwerdeführer substantiiert darlegt, was es bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte (BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 1986 - BVerwG 7 B 163.86 - Buchholz 312 EntlG Nr. 45 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Die Behauptung, bei rechtzeitiger Kenntnis des Inhalts der Auskunft hätten sachdienliche Beweisanträge gestellt werden können, ist zu pauschal, um zu belegen, dass eine konkrete Äußerungsmöglichkeit abgeschnitten worden ist.
d) Auch die abschließend erhobene Grundsatzrüge genügt nicht den Begründungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Klägerin nennt keine konkrete, über den Einzelfall hinausweisende Rechtsfrage, deren Beantwortung der Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verleihen könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO sowie § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und § 73 Abs. 1 Satz 1 GKG.