Beschluss vom 16.04.2012 -
BVerwG 9 B 98.11ECLI:DE:BVerwG:2012:160412B9B98.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.04.2012 - 9 B 98.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:160412B9B98.11.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 98.11

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 05.10.2011 - AZ: OVG 14 A 591/10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. April 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und Dr. Christ
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2 Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Fragen,
ob mit dem Begriff des „Berufs“ in § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG abweichend von dem verfassungs- und gewerberechtlichen Begriff nur ein solcher Beruf gemeint ist, für den entweder an öffentlichen Schulen ausgebildet wird und für den ein Ausbildungsbedarf besteht,
und
ob zur Beurteilung, ob eine Ausbildung „ordnungsgemäß“ auf einen Beruf im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG vorbereitet, auf die objektive Notwendigkeit der vermittelten Ausbildungsinhalte für die Berufsergreifung abzustellen ist,
rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision, weil insoweit ein Klärungsbedarf nicht erkennbar ist.

3 Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG nicht jeden Beruf im verfassungsrechtlichen Sinne erfasst, sondern nur solche bestimmten Berufe, für deren Ausübung spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten notwendig sind. Diese Voraussetzung sei hinsichtlich der Tätigkeit eines „Spirituellen Heilers“ nicht gegeben. Nach dem von der Klägerin eingereichten Informationsmaterial sei die „Geistheilung“ - und damit auch die „Spirituelle Heilung“ - ein Oberbegriff für eine Vielzahl höchst unterschiedlicher alternativmedizinischer, esoterischer, religiöser oder magischer Behandlungsmethoden, die vom Handauflegen über Gebete und Rituale bis hin zur Unterstützung durch Klänge oder Steine und von der christlichen Krankensalbung bis zum Schamanismus reichten. Der Tätigkeit als „Spiritueller Heiler“ ließen sich daher keine bestimmten Ausbildungsinhalte zuordnen, wie es zur Beurteilung der „ordnungsgemäßen Berufsvorbereitung“ in § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG erforderlich wäre. Nach dem Merkmal der „ordnungsgemäßen Berufsvorbereitung“ müsse die in Rede stehende Leistung objektiv geeignet sein, der Berufsvorbereitung zu dienen. Damit sei auch für die Inhalte der beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten auf deren objektive Notwendigkeit abzustellen. Es lasse sich nicht feststellen, dass es für den Beruf des „Spirituellen Heilers“ objektiv notwendig der von der Klägerin vermittelten Ausbildungsinhalte bedürfe, die von der Wirbelsäulenbegradigung durch energetische Hilfe bis zum schamanischen Mantra zur Herstellung eines Energieflusses durch eine Verbindung zwischen Menschen, Gott und der Mutter Natur reichten. Dies gelte bereits hinsichtlich der Existenz der von der Klägerin im Rahmen der Ausbildung behandelten Gegenstände. Erst recht fehle es an einer objektiven Bestimmtheit ihrer Eigenschaften im Einzelnen.

4 Die Beschwerdebegründung lässt nicht erkennen, dass insoweit Anlass für eine revisionsgerichtliche Klärung bestehen könnte. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG nur Berufe erfasst, für deren Ausübung spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten notwendig sind (vgl. Urteil vom 3. Dezember 1976 - BVerwG 7 C 73.75 - Buchholz 401.2 § 4 UStG Nr. 1 S. 3). Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Beschwerde zitierten Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23. August 2007 - V R 4/05 - (BFHE 217, 327). Die dortigen Ausführungen betreffen nicht die Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Vorbereitung auf einen Beruf im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG, sondern die Definition des gemeinschaftsrechtlichen Begriffs des - von der Umsatzsteuer zu befreienden - „Schul- und Hochschulunterrichts“ i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem). Wie vom Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen, setzt die ordnungsgemäße Vorbereitung auf einen Beruf i.S.v. § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG nach den vorgenannten Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts voraus, dass bestimmte Ausbildungsinhalte feststellbar sind, die für die Ausübung des jeweiligen Berufes „objektiv notwendig“ sind. Der Einwand der Beschwerde, das Bundesverwaltungsgericht sei im Urteil vom 3. Dezember 1976 (a.a.O.) lediglich davon ausgegangen, dass die steuerlich privilegierte Leistung „objektiv geeignet“ sein müsse, der Berufsvorbereitung zu dienen, verfehlt bereits die maßgebliche Erwägung des Oberverwaltungsgerichts. Dieses unterscheidet nämlich zwischen den für einen bestimmten Beruf objektiv notwendigen (feststehenden) Ausbildungsinhalten (Kenntnissen und Fertigkeiten) und der Frage, ob die konkret erbrachten Leistungen objektiv geeignet sind, diese Ausbildungsinhalte zu vermitteln; nur so könne festgestellt werden, ob eine „ordnungsgemäße Berufsvorbereitung“ im Sinne von § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG stattfinde. Diese Auffassung steht erkennbar in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Auch wenn im Urteil vom 3. Dezember 1976 nicht ausdrücklich von einer „objektiven“ Notwendigkeit die Rede ist, so liegt doch auf der Hand, dass von einer - gerichtlich überprüfbaren - „Notwendigkeit“ spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten für die Ausübung eines bestimmten Berufs nur dann gesprochen werden kann, wenn die Ausbildungsinhalte nicht in das freie Belieben des jeweils Ausbildenden gestellt sind. Nur für den Fall, dass sich eine objektive Notwendigkeit von Ausbildungsinhalten in Bezug auf ein bestimmtes Berufsbild feststellen lässt, macht auch die - vom Bundesverwaltungsgericht geforderte - Überprüfung der objektiven Eignung der konkreten Leistungen zur Berufsvorbereitung Sinn. Davon abgesehen ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sich hier schon nicht feststellen lässt, ob die von der Klägerin vermittelten Ausbildungsgegenstände überhaupt existieren und erst recht nicht, welche objektiven Eigenschaften ihnen zukommen. Danach kann offenkundig auch nicht überprüft werden, ob die konkrete Tätigkeit der Klägerin „objektiv geeignet“ ist, der Vorbereitung auf den Beruf des „Spirituellen Heilers“ zu dienen.

5 Ohne Erfolg bleibt schließlich die Rüge, die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts stehe in Widerspruch zur Auslegung der Ordnungsgemäßheit der Ausbildung durch den Gerichtshof der Europäischen Union, wonach der Anspruch auf Steuerbefreiung jegliche Unterweisung zum Zweck der Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten umfasse, sofern die betreffenden Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hätten (EuGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - C-445/05 - Slg. 2007, I-4844 Rn. 26). Abgesehen davon, dass diese Ausführungen lediglich den bereits oben erwähnten gemeinschaftsrechtlichen Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ und nicht die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufsvorbereitung betreffen, übersieht die Beschwerde, dass das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich offengelassen hat, ob Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG eine richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG im Hinblick auf die Ausbildung zum „Spirituellen Heiler“ erzwingt. Es hat stattdessen darauf abgestellt, dass es jedenfalls an dem nach der Richtlinie erforderlichen staatlichen Anerkenntnis für die Ausbildung zum „Spirituellen Heiler“ fehle. Mit dieser tragenden Erwägung setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.