Beschluss vom 15.12.2003 -
BVerwG 4 B 104.03ECLI:DE:BVerwG:2003:151203B4B104.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.12.2003 - 4 B 104.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:151203B4B104.03.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 104.03

  • OVG Berlin-Brandenburg - 15.08.2003 - AZ: OVG 2 B 18.01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Dezember 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. L e m m e l und G a t z
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 15. August 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12 500 € festgesetzt.

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Revision wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, wegen einer Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts oder wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen ist.
1. a) Die Frage, ob eine Behörde, hier das Gewerbeamt der DDR, eine Erlaubnis zum Betrieb eines bestimmten Gewerbes erteilen darf, wenn die sonstigen Vo-raussetzungen für das Gewerbe nicht vorliegen, sowie die Frage, welche Bindungswirkung die Erteilung einer Genehmigung, ein bestimmtes Gewerbe zu betreiben, auf die bauliche Genehmigung hat, wenn die Frage der Gebietsverträglichkeit von der Art des Gewerbes abhängt, knüpft an die Auslegung und Anwendung des § 3 der Durchführungsverordnung zum Gewerbegesetz vom 8. März 1990 (GBl DDR I S. 140) durch das Berufungsgericht an. Sie rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil sie nicht dem revisiblen Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) zuzuordnen ist. Recht der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ist Bundesrecht, wenn und soweit es nach Art. 9 des Einigungsvertrages - EV - als Bundesrecht fortgilt (vgl. Eyermann/Schmidt, VwGO, 11. Aufl., § 137, Rn. 5 m.w.N.). Das ist bei dem Gewerbegesetz vom 6. März 1990 (GBl DDR I S. 138) und den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Durchführungsverordnungen nicht der Fall. Diese Regelwerke gehören nicht dem Recht der DDR an, das gemäß Art. 9 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage II EV in Kraft geblieben ist. Vielmehr sind sie mit dem Wirksamwerden des Beitritts durch das Gewerberecht der Bundesrepublik Deutschland abgelöst worden (Art. 8 EV; vgl. auch Landmann/Rohmer/Kahl, GewO, Einl., Rn. 28).
b) Wegen der Frage, ob der Begriff der nicht störenden Gewerbebetriebe in § 84 der Deutschen Bauordnung vom 2. Oktober 1958 - GBl DDR 1958, Sonderdruck Nr. 287) anders auszulegen ist als der wortgleiche Begriff in § 4 Abs. 2 BauNVO, kann die Revision ebenfalls nicht zugelassen werden. Auch die Deutsche Bauordnung ist nicht nach Art. 9 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage II EV in Bundesrecht übergeleitet worden, sondern mit dem Wirksamwerden des Beitritts außer Kraft getreten.
c) Die übrigen als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Rechtsfragen betreffen die Ausübung des Ermessens, das den Behörden bei der Entscheidung über eine Nutzungsuntersagung oder Beseitigungsanordnung eingeräumt ist. Sie können nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie sich auf die landesrechtliche, nach § 173 VwGO in Verbindung mit § 560 ZPO irrevisible Vorschrift des § 70 Abs. 1 BauO Bln. beziehen.
2. Die Rüge, die angefochtene Entscheidung weiche von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - (BVerwGE 55, 369) ab, ist unzulässig, weil sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt. Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz zu einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch tritt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. De-zember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712). Der Tatbestand der Divergenz muss in der Beschwerdebegründung nicht nur durch Angabe der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Darlegung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze bezeichnet werden. Hieran lässt es die Beschwerde fehlen. Sie arbeitet keine Rechtssätze aus dem Berufungsurteil heraus, die von Rechtssätzen aus dem Urteil des Senats vom 26. Mai 1978 abweichen, sondern beanstandet eine fehlerhafte Umsetzung der vom Berufungsgericht akzeptierten Senatsrechtsprechung auf den zu entscheidenden Fall. (Angebliche) Subsumtionsmängel sind indes nicht mit einer Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gleichzusetzen.
3. Die Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt und dadurch gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, greift nicht durch. Da das Berufungsgericht der Ansicht ist, bei dem Autohandelsplatz des Klägers handele es sich um eine genehmigungsbedürftige gewerbliche Gesamtanlage, hatte es keinen Anlass, die für eine Genehmigungsfreiheit der einzelnen baulichen Anlagen (Steinsplittauffüllung und Ausstellungsplatz, Container, Fahnenmaste, Werbeanlagen, Einfriedung) maßgeblichen Tatsachen festzustellen. Die verfahrensrechtliche Aufklärungspflicht gebietet dem Tatrichter nur die Aufklärung solcher Umstände, auf die es nach seiner eigenen, dem Urteil zugrunde gelegten Rechtsauffassung ankommt. Ob diese Auffassung zutrifft, ist keine Frage der Aufklärungspflicht, sondern des anzuwendenden materiellen Rechts (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; Beschluss vom 2. Juli 1998 - BVerwG 11 B 30.97 - Buchholz 451.171 § 6 AtG Nr. 2).
Die Beschwerde zeigt überdies nicht auf, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsermittlung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Solcher Darlegungen hätte es bedurft, weil die Aufklärungsrüge kein Mittel darstellt, mit dem sich Versäumnisse in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, kompensieren ließen (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1986 - BVerwG 8 C 10.84 - BVerwGE 74, 222 <223>).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertentscheidung auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.