Beschluss vom 15.08.2007 -
BVerwG 4 BN 30.07ECLI:DE:BVerwG:2007:150807B4BN30.07.0

Beschluss

BVerwG 4 BN 30.07

  • OVG Rheinland-Pfalz - 25.04.2007 - AZ: OVG 8 C 10751/06

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. August 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. April 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die von der Beschwerde behauptete rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wird nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargelegt. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. nur Beschluss vom 20. November 2006 - BVerwG 4 B 50.06 -). Die vorgetragenen Grundsatzrügen werden diesen Anforderungen nicht gerecht.

3 1.1 Soweit die Antragsteller unter 1. der Beschwerdeschrift einen Leitsatz aus der angefochtenen Entscheidung mit der Begründung wiedergeben, der Leitsatz mache die grundsätzliche Bedeutung der Sache deutlich, und vortragen, das Normenkontrollgericht halte „im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen dafür gegeben, dass von den grundsätzlichen Forderungen des FFH-Rechts an den Lebensraumschutz abgewichen werden kann“, fehlt es bereits an der Formulierung einer klärungsbedürftigen Frage. Es genügt nicht, lediglich einen Leitsatz aus der angefochtenen Entscheidung zu zitieren. Im Übrigen folgt aus dem Umstand, dass eine Entscheidung mit einem Leitsatz versehen wird, nicht, dass der Entscheidung deswegen eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.

4 1.2 Auch soweit die Antragsteller unter 2. rügen, für die Annahme einer Befreiungslage nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG fehlten die notwendigen Feststellungen und einwenden, dass es nicht Aufgabe des Gerichts sein könne, die von der Behörde unterlassene Prüfung einer Befreiungslage nachzuholen, verzichten sie auf die Formulierung einer klärungsbedürftigen Frage. Sie stellen nur ihre Rechtsauffassung der Auffassung des Normenkontrollgerichts entgegen und behaupten, „(d)iese Fragen sind von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung“. Abgesehen davon setzen sich die Antragsteller auch nicht mit der vom Normenkontrollgericht in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auseinander (UA S. 30). Insofern fehlt es auch an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit.

5 1.3. Soweit die Antragsteller unter 3. vortragen, die eigentliche Zielsetzung der Baumaßnahme sei nicht die Verkehrsentlastung der Innerortslage, sondern die überörtliche Verkehrsversorgung, die nicht mittels eines Bebauungsplans geregelt werden dürfe, und meinen hierin liege eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, fehlt es wiederum an der Formulierung einer Frage. Sollte der Vortrag sinngemäß auf die Frage nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit einer „überörtlichen“ Straßenplanung zielen, wird nicht beachtet, dass nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden, unter Bezugnahme auf die ermittelten Verkehrsprognosen getroffenen Feststellungen des Normenkontrollgerichts (UA S. 9 f., 16 f., 32 f.) das Ziel der Verkehrsentlastung der Innerortslage „eindeutig im Vordergrund“ steht und hierin „zugleich ein örtlicher Bezug“ liegt (UA S. 10), mithin von einer „örtlich“ veranlassten Straßenplanung auszugehen ist. Auf den von den Antragstellern monierten Gesichtspunkt der überörtlichen Verkehrsversorgung käme es in einem Revisionsverfahren nicht an.

6 1.4 Bei der ebenfalls auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Straßenplanung zielenden, nunmehr unter 4. ausdrücklich formulierten Frage, „in wie weit mittels eines Bebauungsplanes die Gemeinde berechtigt ist, ohne Beteiligung überörtlicher Behörden eine Verkehrsplanung durchzuführen, die zumindest auch der Aufnahme des überörtlichen Verkehrs dient und damit in eine Fernstraßenplanung eingreift, für die eine Rechtsgrundlage fehlt“, wird der rechtsgrundsätzliche Klärungsbedarf nicht dargelegt. Die Antragsteller verzichten auch hier auf eine Auseinandersetzung mit der vom Normenkontrollgericht in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (UA S. 9). Soweit die Antragsteller „ergänzend“ vortragen, es liege ein Verstoß gegen § 1 Abs. 4 BauBG vor, weil die im Landesentwicklungsplan für Ortsumgehungen geltenden Prinzipien des Vorrangs der Verkehrssubstitution bzw. -vermeidung nicht berücksichtigt würden, zeigen die Antragsteller keinen Klärungsbedarf auf, sondern wenden sich in der Art einer Berufungsbegründung gegen die (weitere) Feststellung des Normenkontrollgerichts, dass der angefochtene Bebauungsplan (auch) in Einklang mit den Zielen des Landesentwicklungsprogramms stehe (UA S. 12).

7 Abgesehen davon ist die Zulässigkeit einer isolierten Straßenplanung im Wege des so genannten planfeststellungsersetzenden Bebauungsplans (UA S. 10) ebenso geklärt (Urteil vom 3. Juni 1991 - BVerwG 4 C 64.70 - BVerwGE 38, 152) wie geklärt ist, dass § 1 Abs. 3 BauBG den Gemeinden die Möglichkeit eröffnet, im Rahmen der Selbstverwaltung das Festsetzungsinstrumentarium des § 9 BauBG für eine eigene „Verkehrspolitik“ zu nutzen (Urteil vom 28. Januar 1999 - BVerwG 4 CN 5.98 - BVerwGE 108, 248 = NVwZ 1999, 1222; Beschluss vom 22. April 1997 - BVerwG 4 BN 1.97 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 91).

8 2. Ebenso wenig führen die geltend gemachten Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zum Erfolg der Beschwerde.

9 2.1 Soweit die Antragsteller unter 2. die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, wird nicht dargelegt, welche verfahrensrechtliche Position betroffen sein könnte. Mit dem Vortrag zur „Rechtsstaatlichkeit eines fairen Verfahrens“ bzw. den „rechtsstaatlichen Gründen“ werden keine Verfahrensrechte der Antragsteller beschrieben, sondern nur materiell-rechtliche Argumente gegen die vom Normenkontrollgericht vertretene Auffassung angeführt, wonach es nur darauf ankommt, ob die Befreiungsvoraussetzungen objektiv im Zeitpunkt der Beschlussfassung gegeben waren (UA S. 30).

10 2.2 Soweit die Antragsteller unter 3. - sinngemäß wohl als Gehörsverstoß - rügen, die „angesichts eines überregionalen Verkehrsvorhabens drohenden hohen Lärmimmissionen für die ... Antragsteller“ seien bei der Abwägung unberücksichtigt geblieben, und unter 6. - ausdrücklich als Gehörsverstoß - geltend machen, es sei „keine ausreichende Abwägung hinsichtlich der Immissionsbelastung durchgeführt“ worden, wird nicht beachtet, dass das Normenkontrollgericht die Abwägung hinsichtlich der „zusätzlichen Verkehrslärmbelastung der Wohngrundstücke der Antragsteller“ als fehlerfrei erachtet und auf der Grundlage eines schalltechnischen Gutachtens festgestellt hat, dass die Anwesen der Antragsteller „keinen unzumutbaren Lärmbelastungen ausgesetzt“ sind und an allen Messpunkten die Immissionsgrenzwerte unterschritten werden (UA S. 31 f.).

11 2.3 Bei dem Einwand unter 3., das Gutachten der Modus Consult Ulm GmbH aus dem Jahr 2005 orientiere sich nicht an aktuellen Verkehrsuntersuchungen, fehlt es an der Darlegung, auf welchen Zulassungsgrund diese Rüge führen soll. Sofern der Einwand mit Blick auf den - unter 5. vorgetragenen - Vorwurf der Nichtberücksichtigung des neuen Gutachtens der Modus Consult Ulm GmbH als Gehörsrüge zu verstehen sein sollte, greift die Rüge nicht. Denn das Normenkontrollgericht hat die Kritik der Antragsteller an dem Gutachten aus dem Jahr 2005 ausdrücklich im Tatbestand erwähnt (UA S. 4) und in den Entscheidungsgründen im Einzelnen dargelegt, dass die der Abwägung zugrunde gelegte Untersuchung keine Mängel aufweise (UA S. 18).

12 2.4 Soweit die Antragsteller als Gehörsverstoß unter 5. die Nichtberücksichtigung ihres Vortrags zu dem in den Beiakten befindlichen Gutachten der Modus Consult Ulm GmbH vom 26. Oktober 2006 rügen, wird nicht beachtet, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht bedeutet, dass jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden wäre. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (Beschluss vom 26. Juni 1995 - BVerwG 8 B 44.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 2). Sofern die Rüge auf den Einwand zielt, aus dem neu eingeholten Gutachten ergebe sich, dass das Gutachten aus dem Jahr 2005 - entgegen der Auffassung des Normenkontrollgerichts - nicht aussagekräftig sei, wird kein verfahrensrechtlicher Verstoß aufgezeigt, sondern die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung angegriffen. Dass das Normenkontrollgericht die jeweiligen Gutachten nicht in der von den Antragstellern für richtig gehaltenen Weise gewürdigt hat, stellt keinen Verfahrensmangel dar.

13 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.