Beschluss vom 15.04.2008 -
BVerwG 9 B 20.08ECLI:DE:BVerwG:2008:150408B9B20.08.0

Beschluss

BVerwG 9 B 20.08

  • Bayerischer VGH München - 05.12.2007 - AZ: VGH 6 BV 04.496

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. April 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 6 046,23 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Das Beschwerdevorbringen führt nicht zu einer Zulassung der Revision wegen eines geltend gemachten Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

3 a) Die Beschwerde rügt in erster Linie eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO zu den Gründen der Erneuerungsbedürftigkeit der Straße, für die der Kläger zu einem Straßenausbaubeitrag herangezogen wurde. Eine solche Rüge erfordert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. Urteil vom 22. Januar 1969 - BVerwG 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 <217 f.>; Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 18. Juni 1998 - BVerwG 8 B 56.98 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 154 S. 475).

4 Dem genügt das Beschwerdevorbringen nicht. Ihm ist schon nicht zu entnehmen, dass der anwaltlich vertretene Kläger auf eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung, deren Unterlassung er nunmehr rügt, bereits vor dem Berufungsgericht hingewirkt hätte, namentlich durch die Stellung dahingehender förmlicher Beweisanträge gemäß § 86 Abs. 2 VwGO in der (ersten oder zweiten) mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht. Das angestrebte Revisionsverfahren dient nicht dazu, prozessuale Versäumnisse eines Beteiligten in den Vorinstanzen nachzuholen. Dem Berufungsgericht musste sich eine weitere Aufklärung zu den Gründen der Erneuerungsbedürftigkeit der streitgegenständlichen Ausbaustraße auch nicht aufdrängen. Denn nach der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs kam es allein auf den „objektiv zu beurteilenden Erneuerungsbedarf“ an, nicht dagegen auf dessen Ursachen, also auch nicht auf den „tatsächlichen Ablauf“ der Geschehnisse, die zu dem Zustand der Erneuerungsbedürftigkeit geführt haben (UA Rn. 20 a.E.) und die der Kläger vor allem darin sieht, dass der Beklagte Lkw-Schwerlastverkehr über die Straße zugelassen hat. Wenn die Beschwerde demgegenüber annimmt, der Verwaltungsgerichtshof habe die Frage, ob übermäßiger Lkw-Verkehr der Grund dafür sei, dass bloße Reparaturen an der Straße nicht mehr möglich gewesen seien, als „erheblich erkannt“ und er habe unterstellt, dass der Lkw-Verkehr nicht zur Zerstörung des ursprünglich vorhandenen und tragfähigen Unterbaus geführt habe (Beschwerdebegründung S. 3, sub II.1), geht dies an der Begründung des angefochtenen Urteils vorbei. Da es darauf nach der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht ankam, ist nicht ersichtlich, weshalb sich ihm eine Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugen (zwei Anwohner und ein technischer Beamter des Beklagten) oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen sollen. Von daher gehen auch die weiteren Vorwürfe der fehlenden eigenen Sachkunde des Gerichts und der unzulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung (Beschwerdebegründung S. 10, sub II.6 und II.7) ins Leere.

5 b) Entgegen der Ansicht der Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 9, sub II.6) begründet die Nichtvernehmung der beiden Anwohner als Zeugen auch keinen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG). Eine Gehörsrüge kann nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, dass das Gericht auf Vortrag oder Beweisanregungen eines Beteiligten nicht eingeht, auf die es aus Rechtsgründen (hier: nach der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts) nicht entscheidungserheblich ankommt.

6 c) Der Verwaltungsgerichtshof hat schließlich auch nicht dadurch gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass er in dem angefochtenen Urteil die Ausführungen des erwähnten technischen Beamten verwertet hat, die dieser in der ersten mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2006 gemacht hat, an der zwei andere Beisitzer als in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 23. November 2007 teilgenommen hatten, auf die das angefochtene Urteil ergangen ist. Zum einen handelte es sich bei den Ausführungen des technischen Beamten mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht um eine Beweiserhebung, sondern lediglich um eine ergänzende informatorische Anhörung zur (auch fachtechnischen) Abrundung des Sachverhalts, zum anderen waren seine Ausführungen zu Protokoll genommen worden (Niederschrift vom 23. Oktober 2006, S. 2) und somit als Bestandteil der Verfahrensakten auch ohne erneute Anhörung des Beamten durch die anders besetzte Richterbank in der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2007 verwertbar.

7 2. Der Rechtssache kommt auch nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

8 a) Soweit die Beschwerde sich gegen die Auslegung des (auch in Art. 46 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes verwandten) Begriffs „Gemeindestraße“ in der Ausbaubeitragssatzung der Beklagten wendet, genügt sie schon nicht den Darlegungserfordernissen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), weil sie keine rechtsgrundsätzliche Frage formuliert, sondern in der Art eines zulassungsfreien oder zugelassenen Rechtsmittels Kritik an der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts äußert.

9 Zudem betrifft die in Rede stehende Auslegung irrevisibles Recht. Ein bundesrechtlicher Klärungsbedarf ergibt sich auch nicht daraus, dass die vom Berufungsgericht vertretene Auslegung nach Ansicht der Beschwerde gegen „die allgemeinen Grundsätze über die Auslegung von Rechtsnormen“ verstößt. Solche Auslegungsregeln sind dem Bundesrecht nur zuzuordnen, wenn und soweit sie der Anwendung von Bundesrecht dienen. Sie sind dagegen Teil des revisionsgerichtlicher Prüfung grundsätzlich nicht unterliegenden Landesrechts (§ 137 Abs. 1 VwGO), wenn und soweit es sich - wie hier - um ihre Anwendung im Rahmen von Landesrecht handelt. Eine generelle Zuordnung der Auslegungsregeln zum Bundesrecht würde dazu führen, dass jede Fehlauslegung irrevisiblen Rechts, die letztlich immer auf der Verletzung von irgendwelchen Auslegungsgrundsätzen beruhen muss, eben wegen dieser Verletzung als ein Verstoß gegen Bundesrecht deklariert und damit revisibel gemacht werden könnte (Beschlüsse vom 30. August 1972 - BVerwG 7 B 43.71 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 53 S. 19 und vom 7. Januar 2008 - BVerwG 9 B 81.07 - NVwZ 2008, 337 <338>; Eichberger, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 137 Rn. 69 m.w.N.). Daher vermag die Rüge, Landesrecht sei unter Verstoß gegen Bundes(verfassungs)recht, hier unter Überschreitung der Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung, angewandt worden, für sich genommen noch nicht eine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts aufzuzeigen; vielmehr muss zusätzlich dargelegt werden, dass die Auslegung der einschlägigen Grundsätze des Bundes(verfassungs)rechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben (Beschluss vom 21. September 2001 - BVerwG 9 B 51.01 - Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 44 S. 28). Dafür trägt die Beschwerde nichts vor.

10 b) Soweit die Beschwerde Fragen „nach der Natur der straßenverkehrsrechtlichen Anordnung nach § 45 StVO“ aufwirft und für grundsätzlich klärungsbedürftig hält,
„unter welchen Voraussetzungen Anordnungen auf der Grundlage des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO in ihrer Wirkung die Widmungsentscheidung des Straßenbaulastträgers überlagern“,
weiterhin,
„inwieweit eine straßenverkehrsrechtlich nach § 45 StVO angeordnete Verkehrsbeschränkung zu einer dauernden Einschränkung des Widmungsumfangs einer Straße führt“,
führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Die Grundsatzrüge muss auch insoweit schon deshalb scheitern, weil das Berufungsgericht die Frage, ob die im Streitfall angeordnete straßenverkehrsrechtliche Tonnagebegrenzung zu einer dauernden Einschränkung des Widmungsumfangs der Ausbaustraße geführt hat, offen gelassen hat (UA Rn. 19); dies räumt die Beschwerde selbst ein. Eine Grundsatzrüge kann aber nur auf Fragen gestützt werden, die sich in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen; das ist nicht der Fall, wenn es auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten und nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Sachverhalts auf die Frage nicht ankommt (vgl. etwa Beschluss vom 30. Juni 1992 - BVerwG 5 B 99.92 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 309 S. 43). So liegt es hier. Denn das Berufungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht mit bindender Wirkung auch für das Revisionsgericht (vgl. § 137 Abs. 2 ZPO) festgestellt, dass die in Rede stehende verkehrsrechtliche Beschränkung nur wegen der begrenzten Tragfähigkeit der Brücke, nicht dagegen wegen der gesamten Straße angeordnet worden ist (UA Rn. 19). Danach wäre auch in dem angestrebten Revisionsverfahren in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, dass die verkehrsrechtliche Tonnagebeschränkung für die Brücke nicht zu einer Einschränkung der wegerechtlichen Widmung der gesamten Ausbaustraße geführt hat.

11 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.