Beschluss vom 15.04.2008 -
BVerwG 10 B 100.07ECLI:DE:BVerwG:2008:150408B10B100.07.0

Beschluss

BVerwG 10 B 100.07

  • Sächsisches OVG - 28.03.2007 - AZ: OVG A 2 B 38/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. April 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck
beschlossen:

  1. Dem Kläger wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ..., ..., beigeordnet.
  2. Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. März 2007 wird aufgehoben.
  3. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  4. Die Entscheidung über die Kosten in der Hauptsache bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  5. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

1 Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor (§ 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO).

2 Die Beschwerde hat mit der von ihr erhobenen Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) Erfolg. Die Beschwerde rügt insoweit zu Recht, dass das Berufungsgericht es unterlassen hat, von Amts wegen die Echtheit des vom Kläger vorgelegten Schriftstücks, das von dem iranischen Sepah-Pasdaran-Corps herrühren soll, durch ein Sachverständigengutachten oder eine gutachterliche Stellungnahme zu klären. Damit verstieß es gegen seine richterliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Wegen dieses Verfahrensmangels verweist der Senat die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO im Interesse der Verfahrensbeschleunigung an das Berufungsgericht zurück.

3 Das Berufungsgericht hat die Frage der Echtheit des vorgelegten Schriftstücks, aus dessen Inhalt sich ergibt, dass der Kläger wegen seiner Konversion zum Christentum nach Rückkehr in den Iran verfolgt werden sollte, ersichtlich als für die Klärung des geltend gemachten Anspruchs auf Flüchtlingsschutz (§ 60 Abs. 1 AufenthG) erheblich angesehen (UA S. 12 f.). Dann hätte sich ihm aber die Klärung der Echtheit durch ein Sachverständigengutachten oder eine gutachterliche Stellungnahme - etwa des Auswärtigen Amtes - aufdrängen müssen. Denn dem Gericht lag zur Echtheit des Dokuments bisher keine gutachterliche Äußerung vor. Eine eigene Sachkunde ergibt sich aus der Bezugnahme des Gerichts auf die in das Verfahren eingeführten Lageberichte des Auswärtigen Amtes von 1999 und 2006 (UA S. 12 f.) nicht (zur Darlegung der eigenen Sachkunde vgl. Beschluss vom 5. August 2005 - BVerwG 1 B 181.04 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 313 = juris Rn. 6). Diese begründen nämlich in Bezug auf das hier vorgelegte Schriftstück keine gesicherte Auskunftslage. Insbesondere ist dem Lagebericht vom 20. April 1999 (vgl. einerseits S. 27 <V 2.>, andererseits S. 53) nicht eindeutig zu entnehmen, was hinsichtlich des vom Kläger vorgelegten Schriftstücks zu gelten hat. Dabei handelt es sich nach seinem Vorbringen um ein Schriftstück der Sepah Pasdaran, das ein dort beschäftigter Verwandter des Klägers dessen Eltern übermittelt hat und das „eigentlich“ für den geheimdienstinternen Verkehr bestimmt war (Schriftsatz vom 9. März 2006, S. 2).

4 Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in früheren Entscheidungen darauf hingewiesen, dass die Einholung von amtlichen Auskünften und Sachverständigengutachten nicht allein wegen der Schwierigkeit der Beurteilung der Echtheit von in Kopie vorgelegten Urkunden und deren voraussichtlich nicht abschließend zu ermittelnder Echtheit abgelehnt werden darf (Beschluss vom 5. August 2005 - BVerwG 1 B 181.04 - a.a.O. Rn. 5). Allerdings bleibt es auch nach Einholung einer sachverständigen Äußerung durch das Berufungsgericht nach der erfolgten Zurückverweisung dabei, dass das Tatsachengericht über den Beweiswert sowohl hinsichtlich der Echtheit als ausländischer Urkunde (vgl. § 438 ZPO) als auch hinsichtlich deren Inhalt nach seiner freien tatrichterlichen Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) zu befinden hat.

5 Auf die von der Beschwerde weiter geltend gemachte Grundsatzrüge kommt es nicht mehr entscheidend an.