Beschluss vom 14.11.2011 -
BVerwG 2 B 78.10ECLI:DE:BVerwG:2011:141111B2B78.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.11.2011 - 2 B 78.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:141111B2B78.10.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 78.10

  • OVG Rheinland-Pfalz - 10.09.2010 - AZ: OVG 2 A 10664/10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. November 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert
sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Fleuß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. September 2010 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Divergenz gestützte Beschwerde (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) hat keinen Erfolg.

2 1. Der Kläger steht seit 1991 als Polizeibeamter im Dienst des Beklagten. Anlässlich seiner Versetzung von der Bereitschaftspolizei zu einem Polizeipräsidium im Juni 2007 wurde er darauf hingewiesen, dass hierdurch sein bisheriger Anspruch auf unentgeltliche Heilfürsorge entfalle. Im November 2008 beantragte der Kläger, ihm durch eine nachträgliche Erklärung zu ermöglichen, die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Wahlleistungen bei stationären Behandlungen sicherzustellen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte unter Hinweis darauf ab, dass die mit Inkrafttreten der Regelung am 1. Januar 2003 in Gang gesetzte Ausschlussfrist von drei Monaten bereits abgelaufen sei. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, die Ausschlussfrist gelte auch für heilfürsorgeberechtigte Beamte der Bereitschaftspolizei und sei bereits am 1. April 2003 abgelaufen. Der Beklagte sei auch nicht nach Treu und Glauben gehindert, sich auf diese Ausschlussfrist zu berufen. Selbst wenn dem Kläger das Recht zustünde, das Wahlrecht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach seiner Versetzung zum Polizeipräsidium auszuüben, sei die Erklärung vom November 2008 verspätet.

3 2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. Beschluss vom 21. Juni 1995 - BVerwG 8 B 61.95  - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (vgl. Beschluss vom 17. Januar 1995 - BVerwG 6 B 39.94  - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55).

4 a) Hinsichtlich des Senatsurteils vom 28. Mai 2008 - BVerwG 2 C 12.07  - (Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 30) liegt in Bezug auf die Frage der Nichtigkeit der Beihilfenverordnung Rheinland-Pfalz (BVO RP) in der Fassung der Vierzehnten Landesverordnung zur Änderung der Beihilfenverordnung vom 10. Dezember 2002 (GVBl S. 510) keine Divergenz vor. Denn der Senat hat in diesem Urteil die Nichtigkeit der Beihilfenverordnung gerade nicht festgestellt. Vielmehr hat er die Frage, ob die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Verordnung und damit auch die Beihilfenverordnung unwirksam sind, mangels Entscheidungserheblichkeit dahingestellt sein lassen (Urteil vom 28. Mai 2008 a.a.O. Rn. 17). Das Oberverwaltungsgericht ist im Anschluss an die Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, dass die Beihilfenverordnung für einen Übergangszeitraum weiterhin anzuwenden ist.

5 b) In Bezug auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 1993 - BVerwG 6 C 10.92 - (Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 111) und den Beschluss vom 27. April 2010 - BVerwG 1 WB 14.09  - (Buchholz 449 § 28 SG Nr. 8) wird die geltend gemachte Divergenz nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend bezeichnet.

6 Das Beruhen i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt zumindest die Möglichkeit voraus, dass das abweichende Gericht ohne die Abweichung zu einem dem Rechtsmittelführer sachlich günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (Beschluss vom 14. August 1962 - BVerwG 5 B 83.61 - BVerwGE 14, 342 <346>). Insoweit wird in der Beschwerdebegründung geltend gemacht, die materiellrechtliche Ausschlussvorschrift des § 5a Abs. 2 BVO RP sei mangels einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage von Verfassungs wegen auf eine behördliche Verfahrensfrist ohne Ausschlusswirkung reduziert. Eine solche Reduzierung kann der in der Beschwerdebegründung bezeichneten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entnommen werden. Das Urteil vom 22. Oktober 1993 betrifft eine Fallgestaltung, in der neben einer Zuweisung einer staatlichen Aufgabe an einen Landkreis durch eine gesetzliche Bestimmung eine Regelung des verpflichteten Landkreises über eine Ausschlussfrist in einer bloßen Verwaltungsvorschrift getreten war. Das Bundesverwaltungsgericht hat hier der Verwaltungsvorschrift den Charakter einer materiellrechtlichen Ausschlussfrist abgesprochen und ist von einer bloßen behördlichen Verfahrensfrist ohne Ausschlusswirkung ausgegangen (Urteil vom 22. Oktober 1993 a.a.O. S. 59 ff.). Im Beschluss vom 27. April 2010 hat das Bundesverwaltungsgericht zum Ausdruck gebracht, dass die für das Begehren maßgebliche Fassung der Norm im Gegensatz zu später in Kraft getretenen Regelungen nicht als materiellrechtliche Ausschlussfrist auszulegen ist (Beschluss vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33 f.).

7 Die Beschwerdebegründung hätte sich im Rahmen des Merkmals des Beruhens mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass bei der Annahme der Unwirksamkeit der materiellrechtlichen Ausschlussvorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 2 BVO RP die gesamte Regelung des § 5a Abs. 2 BVO RP unwirksam ist. Denn die Ausschlussvorschrift ist nach dem Wortlaut der Norm untrennbarer Bestandteil der Anspruchsgrundlage des § 5a Abs. 2 BVO RP („Anspruch auf Beihilfen für die Aufwendungen für Wahlleistungen …, wenn er … innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten erklärt, …“). Fällt die Regelung des tatsächlich auf § 90 Satz 2 LBG (in der Fassung des Siebzehnten Landesgesetzes zur Änderung des Landesbeamtengesetzes vom 20. November 2002, GVBl S. 433) gestützten § 5a Abs. 2 BVO RP weg, gibt es keine Vorschrift, die den Anspruch auf Beihilfen für die Aufwendungen für Wahlleistungen regelt. Dann besteht auch der vom Kläger mit der Klage verfolgte Anspruch nicht, ihn zur Ausübung seines Wahlrechts zuzulassen, Beihilfe für Wahlleistungen in Anspruch zu nehmen.

8 c) Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 2006 - BVerwG 2 C 5.06  - (Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 38) liegt keine Divergenz vor.

9 Die in der Beschwerdebegründung zitierte Aussage im herangezogenen Senatsurteil (a.a.O. Rn. 17) bezieht sich auf die Fallgestaltung, dass sich der Dienstherr, wozu er regelmäßig nicht verpflichtet ist, dazu entschließt, die Beamten über Gestaltungsmöglichkeiten und Berechtigungen zu unterrichten. In diesem Fall müssen die Hinweise sachlich richtig, unmissverständlich und vollständig sein, um den Beamten vor nachteiligen Fehlschlüssen aus dieser Unterrichtung zu bewahren. Zu den Anforderungen an die tatsächliche und rechtliche Qualität von Hinweisen des Dienstherrn an seine Beamten hinsichtlich der ihnen offen stehenden Möglichkeiten stellt das Oberverwaltungsgericht keinen der Divergenzentscheidung widersprechenden Rechtssatz auf. Der Sache nach zielt die Begründung der Beschwerde insoweit darauf ab, das Oberverwaltungsgericht habe den im Senatsurteil vom 21. September 2006 (a.a.O.) aufgestellten Rechtssatz zur Richtigkeit und Vollständigkeit von Hinweisen des Dienstherrn in Bezug auf den Umstand, dass der Kläger wegen seiner Verwendung bei der Bereitschaftspolizei ursprünglich heilfürsorgeberechtigt war, nicht oder nicht richtig angewendet.

10 3. Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Insoweit genügt die Begründung nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

11 Den Ausführungen unter II 3 der Beschwerdebegründung ist nicht genau zu entnehmen, worin der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sieht. Denn es wird lediglich auf die „unter II 1, 2“ dargelegten - angeblichen - Divergenzen verwiesen. Es ist aber nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts im Zulassungsverfahren zu ermitteln, in welcher Hinsicht der Kläger der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimessen könnte. Im Übrigen ist das Oberverwaltungsgericht, wie dargelegt, überwiegend nicht von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen. In Bezug auf das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für eine materiellrechtliche Ausschlussfrist wird nicht aufgezeigt, inwieweit angesichts der in der Beschwerde angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch Klärungsbedarf besteht.

12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.