Beschluss vom 14.10.2015 -
BVerwG 2 B 62.14ECLI:DE:BVerwG:2015:141015B2B62.14.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.10.2015 - 2 B 62.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:141015B2B62.14.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 62.14

  • VG Potsdam - 17.01.2012 - AZ: VG 17 K 1287/09.OL
  • OVG Berlin-Brandenburg - 11.03.2014 - AZ: OVG 81 D 1.12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Oktober 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. März 2014 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die allein auf einen Verfahrensmangel gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und § 70 LDG BB).

2 1. Der 1952 geborene Beklagte steht als Lehrer auf Lebenszeit (Besoldungsgruppe A 12 LBesO BB) im Dienst der Klägerin. Er unterrichtete zuletzt an einer Grundschule. Durch Urteil von April 2008 verhängte das Amtsgericht gegen den Beklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in drei Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit sexuellem Missbrauch von Kindern, eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach im Berufungsverfahren erzielter Verständigung und Geständnis des Beklagten bestätigte das Landgericht den Schuldspruch und reduzierte das Strafmaß auf eine Freiheitsstrafe von 11 Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte.

3 Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Die dagegen erhobene Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Der dem Beklagten vorgeworfene Sachverhalt sei erwiesen. Unerheblich sei, dass das Strafurteil auf der Grundlage eines Geständnisses des Beklagten ohne weitere Beweisaufnahme ergangen sei. Denn bei dem Geständnis handele es sich um kein inhaltsleeres Formalgeständnis während der Hauptverhandlung im Berufungsverfahren, sondern um ein solches, das aufgrund der in die Berufungsverhandlung eingeführten tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil ergangen sei, das seinerseits auf einer umfangreichen Beweisaufnahme durch die Vernehmung von 22 Zeugen basiere. Darüber hinaus habe der Beklagte vor dem Oberverwaltungsgericht erklärt, die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im Strafverfahren nicht in Frage zu stellen. In der Sache habe der Beklagte die Missbrauchshandlungen in den Räumen der Schule zur Unterrichtszeit und gegenüber Schülerinnen begangen, deren Lehrer er war. Darin liege ein schwerwiegendes Dienstvergehen.

4 2. Der Beklagte hat keinen Verfahrensmangel i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bezeichnet, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Mit der vom Kläger erhobenen Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht, weil es seine Entscheidung auf unzureichende tatsächliche Feststellungen im Strafprozess gestützt und Zeugen nicht vernommen habe, ist der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise bezeichnet.

5 Nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO muss ein Verfahrensmangel sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substanziiert dargetan werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. November 1992 - 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5 S. 2 und vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f.). Für die Feststellung eines Verfahrensfehlers kommt es auf die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts an, anderenfalls kann die Entscheidung nicht auf dem vermeintlichen Verfahrensfehler i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO "beruhen".

6 Die Beschwerdebegründung genügt den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht. Sie legt nicht ansatzweise dar, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden haben soll, welche Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der Sachaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Sie legt auch nicht dar, warum sich solche Aufklärungsmaßnahmen - die der anwaltlich vertretene Kläger auch vor dem Oberverwaltungsgericht nicht selbst beantragt hat - dem Oberverwaltungsgericht auch ohne entsprechenden Hinweis hätten aufdrängen sollen. Die Verfahrensrüge ist kein Mittel, um Versäumnisse eines Beteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 7 B 43.11 - Buchholz 445.4 § 58 WHG Nr. 1 Rn. 26). Für eine solche Sachaufklärung bestand für das Oberverwaltungsgericht kein Anlass, weil der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht ausdrücklich erklärt hat, die strafgerichtlichen Feststellungen zum Sachverhalt nicht in Frage zu stellen (vgl. die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung, Bl. 115 R der Gerichtsakte).

7 Außerdem wäre der gerügte Verfahrensfehler auch nicht entscheidungserheblich. Angesichts dieser Erklärung zu Protokoll bedurfte es für das Oberverwaltungsgericht unabhängig von der Frage der Bindungswirkung an die strafgerichtlichen Feststellungen keiner Sachaufklärung mehr. Dementsprechend hat das Oberverwaltungsgericht auch die Möglichkeit einer Lösung von den strafgerichtlichen Feststellungen verneint.

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 78 Abs. 1 Satz 1 LDG BB. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil sich die Höhe der Gerichtskosten streitwertunabhängig aus dem Gesetz ergibt (§ 79 Abs. 1 Satz 1 LDG BB i.V.m. Nr. 10 und 62 der Anlage zu § 78 BDG).