Beschluss vom 14.08.2006 -
BVerwG 10 B 29.06ECLI:DE:BVerwG:2006:140806B10B29.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.08.2006 - 10 B 29.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:140806B10B29.06.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 29.06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. August 2006
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar, Prof. Dr. Rubel und Dr. Nolte
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 208,06 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde die Frage auf,
„ob die Verpflichtung zur Tragung von Benutzungsgebühren einer öffentlichen Einrichtung zulässig ist, wenn die Benutzung allein durch einen rechtlich selbständigen Dritten erfolgt, dessen Versorgung allein im öffentlichen Interesse steht, die Inanspruchnahme gegen den Willen des Verpflichteten erfolgt und zu einer faktischen Verlagerung von öffentlichen Aufgaben auf den privaten Verpflichteten führt“.

3 Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie betrifft - wie die Beschwerde selbst erkennt - die Frage der hinreichenden Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme der Klägerin. Diese Frage ist auf der Grundlage des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes sowie des Satzungsrechts der Klägerin zu entscheiden und betrifft mithin Normen des irrevisiblen Landesrechts, deren Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) und eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung deswegen nicht begründen kann.

4 Die aufgeworfene Frage wird auch nicht dadurch zu einer solchen des revisiblen Rechts, dass die Beschwerde in der Auslegung und Anwendung der genannten landesrechtlichen Normen durch den Verwaltungsgerichtshof einen Verstoß gegen Art. 2 und Art. 14 GG sieht. Die Rüge einer Verletzung von Bundes(verfassungs)recht bei der vorinstanzlichen Auslegung und Anwendung irrevisiblen Landesrechts vermag die Zulassung der Grundsatzrevision nur zu rechtfertigen, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des Bundes(verfassungs)rechts darlegt, nicht aber dann, wenn nicht das Bundesrecht, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 7. März 1996 - BVerwG 6 B 11.96 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 7 m.w.N.). Die Klärungsbedürftigkeit von Bundesrecht zeigt die Beschwerde jedoch nicht auf. Denn ihre Anknüpfung an die genannten Grundrechte beschränkt sich auf das - höchstrichterlich insoweit geklärte - Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für Grundrechtseingriffe. Wenn die Beschwerde geltend macht, für die Inanspruchnahme der Klägerin reichten die vom Verwaltungsgerichtshof herangezogenen Rechtsgrundlagen nicht aus, vielmehr bedürfte es hierfür einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung, so führt dies über die bloße Kritik der Auslegung und Anwendung von irrevisiblem Landesrecht nicht hinaus und vermag eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zu begründen.

5 Dasselbe gilt für die weitere in diesem Zusammenhang von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
„ob das dinglich gesicherte Leitungsrecht zugunsten des Grundstücks L. 3 nicht sogar eine Erschließung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 WAS darstellt mit der Folge, dass das Grundstück L. 3 selbst unmittelbar dem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegt, §§ 5, 4 WAS“.

6 2. Die von der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.

7 a) Die Klägerin sieht einen Verstoß gegen die sich aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebende Pflicht des Gerichts, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, darin, dass der Verwaltungsgerichtshof davon ausgehe, dass ein Antrag auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang nicht vorliege, obwohl die Klägerin in ihrem Schreiben vom 6. November 2000 an die Beklagte die Einstellung der Wasserversorgung schriftlich beantragt habe. Dass der Verwaltungsgerichtshof insoweit Sachvortrag der Klägerin „übergangen“ hätte, wie die Klägerin meint, ist jedoch schon deswegen nicht erkennbar, weil er das genannte Schreiben im Tatbestand des Urteils ausdrücklich erwähnt und in den Gründen dadurch beschieden hat, dass er eine einseitige Erklärung nicht als ausreichend ansieht, um ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis zu beenden (UA S. 8). Der Sache nach rügt die Klägerin mit ihrem Vorbringen ohnehin einen Fehler in der Sachverhaltswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof, weil sie der Auffassung ist, das Schreiben stelle einen Antrag auf Befreiung im Sinne von § 22 Abs. 3 WAS dar. Ein solcher - angeblicher - Fehler ist aber revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und kann deswegen einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht begründen (vgl. Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f.). Anhaltspunkte für das Vorliegen des Ausnahmefalls einer gegen Denkgesetze verstoßenden oder sonst von Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung sind nicht erkennbar. Der Verwaltungsgerichtshof ist ersichtlich davon ausgegangen, dass das Schreiben vom 6. November 2000 nicht als Befreiungsantrag im Sinne von § 22 Abs. 3 WAS zu werten ist, sondern ihm allenfalls nach § 22 Abs. 2 WAS Bedeutung zuzumessen sei, was aber das öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis nicht beenden könnte. Diese Erwägung ist jedenfalls nachvollziehbar und deswegen im vorliegenden Zusammenhang nicht zu beanstanden. Dass die Entscheidung auf dem von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen könnte, ist ohnehin nicht erkennbar, weil der Verwaltungsgerichtshof - von der Beschwerde unwidersprochen - davon ausgegangen ist, dass eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang oder eine teilweise Beschränkung der Benutzungspflicht, selbst wenn sie beantragt worden wäre, jedenfalls von der Beklagten nicht gewährt worden ist.

8 b) Als weiteren Verfahrensmangel rügt die Klägerin, das Berufungsurteil verletze den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, weil es sich nicht mit der Frage auseinander setze, ob ein Benutzungszwang bereits deshalb nicht bestehe, weil die Klägerin in dem angegriffenen Zeitraum objektiv keinen Wasserbedarf gehabt habe unabhängig davon, ob der Anschluss- und Benutzungszwang aufgrund des Befreiungsantrages der Klägerin vom 6. November 2000 beendet worden sei. Auch diese Rüge greift jedoch nicht durch. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verlangt vom Gericht, den Sachvortrag der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. z.B. Urteil vom 20. November 1995 - BVerwG 4 C 10.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 22). Er verbietet dem Gericht jedoch nicht, eine von der Meinung der Beteiligten abweichende Rechtsauffassung zu vertreten (Beschluss vom 15. Juni 2000 - BVerwG 4 BN 20.00 -). Nur dies hat der Verwaltungsgerichtshof in der angegriffenen Entscheidung getan. Er ist der vom Verwaltungsgericht vertretenen, von der Klägerin im Berufungsverfahren übernommenen und vom Verwaltungsgerichtshof im Tatbestand seines Urteils wiedergegebenen Ansicht, die Klägerin habe nicht dem Benutzungszwang unterlegen, weil kein Wasser- bzw. Entwässerungsbedarf bestanden habe, nicht gefolgt. Er ist vielmehr in Auslegung irrevisiblen Rechts davon ausgegangen, dass der von der Klägerin unstreitig veranlasste Anschluss- und Benutzungszwang hier nur durch eine Befreiung oder eine Beschränkung der Benutzungspflicht beendet werden konnte. Auf das Fortbestehen eines konkreten Wasser- oder Entwässerungsbedarfs kommt es danach - was angesichts der mangelnden Praktikabilität eines solchen Abgrenzungskriteriums auch durchaus nahe liegen mag - jedenfalls nicht an. Dass sich diese Rechtsauffassung für die Klägerin als überraschend darstellen musste (vgl. zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei Überraschungsentscheidungen Beschluss vom 23. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 80.91 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 241 m.w.N.), macht sie selbst nicht geltend. Auf dieser Grundlage erweist sich die Rüge der Klägerin als bloße Kritik an der rechtlichen Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs, die die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels nicht begründen kann.

9 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.