Beschluss vom 14.08.2002 -
BVerwG 6 B 55.02ECLI:DE:BVerwG:2002:140802B6B55.02.0

Beschluss

BVerwG 6 B 55.02

  • VG Berlin - 13.05.2002 - AZ: VG 23 A 228.01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. August 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht B ü g e und Dr. G r a u l i c h
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die allein auf die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Der Kläger rügt die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO). Zur Begründung bringt er vor, sein Vortrag zur Notwendigkeit der von ihm absolvierten Hyposensibilisierungstherapie und seines Anspruchs auf Durchführung dieser Therapie bei einem Arzt seines Vertrauens finde im verwaltungsgerichtlichen Urteil keine Berücksichtigung. Er habe einen Anspruch darauf, dass das Gericht seinen gesamten Vortrag zur Kenntnis nehme, in Erwägung ziehe und in der Urteilsbegründung dazu Stellung nehme.
Zutreffend geht die Beschwerde davon aus, dass sich ein Verstoß gegen § 108 Abs. 2 VwGO auch aus Mängeln in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils ergeben kann. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) gebietet es nämlich, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten in Erwägung zieht (BVerfGE 58, 353 <356> m.w.N.). Das Gericht ist gehalten, in den Entscheidungsgründen in angemessener Weise zum Ausdruck zu bringen, weshalb es von einer Auseinandersetzung mit dem Parteivorbringen abgesehen hat (Urteile vom 6. September 1988 - BVerwG 4 C 15.88 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 206 S. 38 und vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - Buchholz 406.12 § 15 BauNVO Nr. 25 S. 9 <12>). Daraus folgt allerdings nicht die Verpflichtung, sich mit jedem Argument in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (Beschluss vom 9. März 1988 - BVerwG 7 B 188.87 - Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 81 S. 21 <22>). Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen auch in seine Erwägung einbezogen hat (Beschluss vom 9. Juni 1981 - BVerwG 7 B 121.81 - Buchholz 312 EntlG Nr. 19 S. 2 <3>), so dass nur bei Vorliegen deutlich gegenteiliger Anhaltspunkte ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör angenommen werden kann (Beschluss vom 27. Oktober 1998 - BVerwG 8 B 132.98 - Buchholz 428 § 1 Nr. 162).
Diesen Anforderungen genügt das Urteil, welches sich mit der Anfechtung der Tauglichkeitsfeststellung in einem Überprüfungsbescheid (§ 8 a WPflG) befasst. Das Verwaltungsgericht hat sich bereits in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Protokolls mit der Hyposensibilisierungstherapie des Klägers beschäftigt und - vergeblich - versucht, diese zum Inhalt einer gütlichen Einigung zwischen den Beteiligten - mit dem Ziel einer Zurückstellung des Klägers für die Zeit der Therapie - zu machen. In den Entscheidungsgründen setzt das Verwaltungsgericht sich auf zwei Seiten mit der rechtlichen Bedeutung der Hyposensibilisierungstherapie auseinander.
Die vom Kläger vorgebrachte Besorgnis, er könne in erhebliche Gefahr für Gesundheit und Leben geraten, wenn die Therapie von einem Arzt mit mangelnder Sachkunde durchgeführt werde, hat das Gericht gesehen. Es hat ausdrücklich auf die Bereitschaft der Beklagten verwiesen, die Therapie während der Ableistung des Grundwehrdienstes durch Überweisung an einen Facharzt durchführen zu lassen. Darüber hinaus bestand keine Notwendigkeit, sich mit der Rechtserheblichkeit des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger und dem gegenwärtig von ihm konsultierten Arzt auseinander zu setzen. Es ist nämlich kein Rechtssatz erkennbar, welcher dem Kläger einen Anspruch geben würde, die begonnene Hyposensibilisierungstherapie während des Grundwehrdienstes ausschließlich bei einem Arzt seines Vertrauens durchführen zu lassen.
Zu einer weitergehenden Auseinandersetzung mit dem klägerischen Arztwunsch war das Verwaltungsgericht aber auch wegen des von ihm eingenommenen materiellen Rechtsstandpunkts nicht gehalten. Es hat nämlich darüber hinaus die Ansicht vertreten, die Wehrdienstfähigkeit des Klägers wäre selbst dann nicht beeinträchtigt, wenn er die Therapie abbräche. Zu den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die das angefochtene Urteil selbständig tragen, verhält sich die Beschwerdebegründung jedoch nicht hinreichend, so dass der Beschwerde auch aus diesem Grunde der Erfolg versagt bleiben muss (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass den Beschwerden des Klägers durch eine medikamentöse Behandlung während des Grundwehrdienstes Rechnung getragen werden könne. Zur Darlegung einer diesbezüglichen Verletzung rechtlichen Gehörs genügte die bloße Bezugnahme in der Beschwerdebegründung auf das außergerichtliche Schreiben des Klägers vom 5. November 2001 nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.