Verfahrensinformation

Die miteinander verheirateten Kläger sind albanische Staatsangehörige. Sie waren ohne gültige Aufenthaltsgenehmigungen nach Deutschland eingereist, ebenso ihre im Zeitpunkt der Einreise 15-jährige Tochter. Nach Festnahme wurden sie in Abschiebungshaft genommen, ausgewiesen und nach 33-tägiger Abschiebungshaft im Juni 2001 auf dem Luftweg nach Albanien abgeschoben. Die Bezirksregierung Lüneburg nahm die Kläger durch zwei selbständige Heranziehungsbescheide vom Dezember 2001 auf Erstattung von Abschiebungskosten nach § 82 Abs. 1 AuslG in Anspruch, die Klägerin in Höhe von 7 741 DM, den Kläger (unter Einschluss der die Tochter betreffenden Kosten) in Höhe von 15 482 DM. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat die Kostenforderung gegen die Kläger zwar der Höhe nach deutlich reduziert, den Kläger aber als (Mit-)Veranlasser gemäß § 13 Abs. 2 VwKostG als einstandspflichtig für die Abschiebungskosten seiner minderjährigen Tochter angesehen. Gegen das Berufungsurteil haben sowohl die Kläger als auch die beklagte Bezirksregierung selbständig Revision eingelegt. Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung für die Abschiebungskosten der Tochter, die Beklagte erstrebt eine Erstattung der Haftkosten auf der Grundlage eines Tagessatzes von 152,90 DM pro Person, den das Berufungsgericht auf den deutlich niedrigeren Haftkostenbeitrag nach dem Strafvollzugsgesetz reduziert hat.


Pressemitteilung Nr. 37/2005 vom 14.06.2005

Haftung der Eltern für Abschiebungskosten ihrer Kinder

Eltern können in bestimmten Fällen für Kosten in Anspruch genommen werden, die durch die Abschiebung ihrer minderjährigen Kinder entstehen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Ein albanischer Staatsangehöriger war im April 2001 ohne Pass und Visum nach Deutschland eingereist. Seine Ehefrau und seine bei der Einreise 15-jährige Tochter waren schon geraume Zeit zuvor mit gefälschten griechischen Pässen nach Deutschland gelangt. Im Mai 2001 wurden alle drei in Abschiebungshaft genommen und 33 Tage später in Begleitung von zwei Polizeibeamten nach Albanien ausgeflogen. Die Kosten der Abschiebungshaft in Höhe von etwa 2 500 Euro pro Person und die sonstigen Kosten der Abschiebung in Höhe von jeweils etwa 1 500 Euro machte die Ausländerbehörde gegen den Kläger auch für seine Tochter durch Leistungsbescheid geltend. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat eine Haftung des Klägers für die Abschiebungskosten seiner Tochter bejaht. Es stellte zur Begründung die Regelvermutung auf, es sei typischerweise davon auszugehen, dass ein Vater den illegalen Aufenthalt seiner Tochter mitveranlasst habe. Es leitete dies aus dem Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder ab. Demgegenüber vertrat der Kläger die Auffassung, dass das Ausländergesetz in § 82 (jetzt § 66 Aufenthaltsgesetz) eine abschließende Regelung getroffen habe, wer für die Kosten einer Abschiebung in Anspruch genommen werden kann. Dazu zählten der Ausländer selbst, der für seine illegale Einreise verantwortliche Beförderungsunternehmer, der Schleuser und der ihn unerlaubt beschäftigende Arbeitgeber, nicht aber Eltern oder Ehegatten.


Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner heutigen Entscheidung eine grundsätzliche Einstandspflicht der Eltern für Abschiebungskosten ihrer minderjährigen Kinder bejaht. Die Aufzählung der Kostenschuldner in § 82 Ausländergesetz ist nicht abschließend, ergänzend gilt die Veranlasserhaftung nach § 13 Verwaltungskostengesetz. Die Haftung der Eltern als Veranlasser der Kosten einer Abschiebung ihrer minderjährigen Kinder ergibt sich aus dem Recht, über den Aufenthalt der Kinder zu bestimmen. Allerdings kann die aus dem Aufenthaltsbestimmungsrecht abzuleitende Regelvermutung für eine Mitveranlassung entkräftet werden. Dies hat das Oberverwaltungsgericht nicht beachtet. Deshalb wurde die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die klagenden Eltern außerdem als verpflichtet angesehen, die Kosten ihrer eigenen 33-tägigen Abschiebungshaft in tatsächlicher Höhe zu tragen. Die Erstattungspflicht ist nicht auf einen Haftkostenbeitrag beschränkt, wie dies für Strafgefangene geregelt ist. § 83 Abs. 4 Ausländergesetz (jetzt § 67 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz) verlangt ausdrücklich die Erstattung der tatsächlich entstandenen Kosten. Er enthält eine abschließende Regelung, die für die Anwendung der Haftkostenbeitragsvorschrift des Strafvollzugsgesetzes keinen Raum lässt. Soweit Abschiebungshaft in Justizvollzugsanstalten vollstreckt wird, dürfen Ausländer allerdings nur mit den durch diese Haft verursachten spezifischen Kosten belastet werden. Da das Oberverwaltungsgericht diese Kosten nicht ermittelt hat, wurde dessen Urteil auch insoweit aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.


BVerwG 1 C 15.04 - Urteil vom 14.06.2005


Urteil vom 14.06.2005 -
BVerwG 1 C 15.04ECLI:DE:BVerwG:2005:140605U1C15.04.0

Leitsätze:

1. Für die Kosten der Abschiebung eines minderjährigen Kindes haften neben den Kostenschuldnern des § 82 AuslG (jetzt § 66 AufenthG) auch die Eltern, wenn sie die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen ihr minderjähriges Kind nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG mitveranlasst haben.

2. Die Erstattungspflicht für Kosten einer in Justizvollzugsanstalten vollzogenen Abschiebungshaft erstreckt sich auf alle erforderlichen, tatsächlich entstandenen Kosten der Abschiebungshaft (§ 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG, jetzt: § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).

  • Rechtsquellen
    AufenthG §§ 66, 67 Abs. 3 Satz 1, § 69 Abs. 2 Satz 2, § 71 Abs. 1 und 5
    AuslG §§ 57, 63 Abs. 1 und 6, § 81 Abs. 2 Satz 2, §§ 82, 83 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4, § 103 Abs. 2
    FreiheitsEntzG § 8 Abs. 2, § 14 Abs. 1
    KostO §§ 1, 137 Nr. 13
    StVollzG §§ 50, 171
    VwKostG § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 2 Satz 1

  • OVG Lüneburg - 25.03.2004 - AZ: OVG 11 LB 327/03 -
    Niedersächsisches OVG - 25.03.2004 - AZ: OVG 11 LB 327/03

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 14.06.2005 - 1 C 15.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:140605U1C15.04.0]

Urteil

BVerwG 1 C 15.04

  • OVG Lüneburg - 25.03.2004 - AZ: OVG 11 LB 327/03 -
  • Niedersächsisches OVG - 25.03.2004 - AZ: OVG 11 LB 327/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht R i c h t e r , die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht B e c k und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D ö r i g und Prof. Dr. B e r l i t
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. März 2004 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

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