Beschluss vom 14.03.2012 -
BVerwG 2 B 5.12ECLI:DE:BVerwG:2012:140312B2B5.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.03.2012 - 2 B 5.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:140312B2B5.12.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 5.12

  • VG Düsseldorf - 10.06.2010 - AZ: VG 35 K 5501/09.O
  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 12.10.2011 - AZ: OVG 3d A 1869/10.O

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. März 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und Dr. von der Weiden
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 67 Satz 1 Landesdisziplinargesetz - LDG NRW -, liegt nicht vor.

2 Der 1964 geborene Beklagte ist seit 1980 im Polizeidienst und seit 1988 in Diensten des klagenden Landes, zuletzt als Kriminaloberkommissar. Nach Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen im September 2005 wurde er durch amtsgerichtliches Urteil aus dem Jahre 2007 u.a. wegen gemeinschaftlichen Betruges in 19 Fällen, wegen gemeinschaftlichen Veruntreuens und Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 14 Fällen und wegen Bankrotts zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt, deren Vollziehung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts betrieben der Beklagte und ein mitangeklagter weiterer Polizist eine GmbH mit der Ehefrau des Beklagten als Strohfrau. Die GmbH war im Bauträgergeschäft tätig und gab u.a. seit Mitte 2002 im Wissen um die mangelnde Zahlungsfähigkeit Leistungen in Auftrag. Bei Bauherren und Subunternehmern ist hierdurch ein Schaden von über 200 000 € entstanden. Das Amtsgericht - Schöffengericht - hatte zuvor eine Strafobergrenzenzusage erklärt; der Beklagte hatte daraufhin ein Geständnis abgelegt. Auf die im Jahre 2009 erhobene Disziplinarklage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Dienst entfernt; seine Berufung blieb erfolglos.

3 1. Der Beklagte rügt der Sache nach zum einen, dass auch das Oberverwaltungsgericht sich auf die Feststellungen im Strafurteil gestützt habe, statt weitere Ermittlungen anzustellen und Beweise zu erheben. Er sieht hierin einen Aufklärungsmangel. Damit ist ein Verfahrensfehler nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 3 Abs. 1 LDG NRW).

4 Das Oberverwaltungsgericht war nach § 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW an die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren gebunden. Diese Bindungswirkung stand einer vom Beklagten geforderten hiervon losgelösten, eigenständigen Beweiserhebung entgegen. Zwar hat das Gericht nach § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind. Eine solche offenkundige Unrichtigkeit hat der Beklagte aber weder behauptet noch dargelegt. Insoweit trägt er zur Begründung der Aufklärungsrüge lediglich pauschal vor, im behördlichen und gerichtlichen Verfahren seien umfassend Umstände dargelegt worden, die eine von der Entscheidung des Amtsgerichts im Strafurteil abweichende Wertung - nicht Feststellung - des Verhaltens und damit eine Aufhebung des durch die strafrechtliche Verurteilung erfolgten Verdikts zuließen; eine Konkretisierung ist nicht erfolgt. Dies genügt ersichtlich nicht den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

5 Abgesehen davon hat sich das Oberverwaltungsgericht ausführlich und im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats mit der Frage einer etwaigen nach § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW gebotenen Lösung von den tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts auseinandergesetzt und die Voraussetzungen hierfür als nicht gegeben erachtet. Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW haben die für Disziplinarsachen zuständigen Gerichte zu Gunsten des Beamten die nochmalige Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, deren Richtigkeit sie bezweifeln. Danach ist die Lösung von den Tatsachenfeststellungen des rechtskräftigen Strafurteils nur zulässig, wenn das Disziplinargericht ansonsten auf der Grundlage eines unrichtigen Sachverhalts entscheiden müsste. Dies ist z.B. anzunehmen, wenn neue Beweismittel vorgelegt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen, und nach denen die Tatsachenfeststellungen jedenfalls auf erhebliche Zweifel stoßen (Beschlüsse vom 24. Juli 2007 - BVerwG 2 B 65.07 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 4 Rn. 10, 11 m.w.N., vom 26. August 2010 - BVerwG 2 B 43.10 - Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 3 Rn. 5 m.w.N. und vom 28. Dezember 2011 - BVerwG 2 B 74.11 - juris Rn. 13; stRspr). Wird dies geltend gemacht, so sind die Verwaltungsgerichte erst dann befugt, dem Vorbringen weiter nachzugehen und schließlich über eine Lösung nach der entsprechenden Norm zu entscheiden, wenn das Vorbringen hinreichend substanziiert ist. Pauschale Behauptungen oder bloßes Bestreiten genügen nicht. Es müssen tatsächliche Umstände dargetan werden, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW ergeben kann (Beschlüsse vom 26. August 2010 a.a.O. Rn. 6 und vom 28. Dezember 2011 a.a.O.). Daran fehlt es hier.

6 2. Außerdem rügt der Beklagte, dass angesichts der erheblichen Dauer des Verfahrens nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine positive disziplinarrechtliche Prognose geboten gewesen sei. Einem Zulassungsgrund ordnet er dieses Vorbringen nicht zu; insbesondere ist ein Aufklärungsmangel nicht dargelegt.

7 Abgesehen davon ist geklärt, dass eine lange Verfahrensdauer den Verbleib im Beamtenverhältnis nicht rechtfertigen kann, wenn der Beamte durch ein Dienstvergehen das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört hat. Daran vermögen eine lange Verfahrensdauer oder ein langes Zurückliegen des Dienstvergehens nichts zu ändern. Das verlorene Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf wiederhergestellt werden (vgl. zuletzt Beschluss vom 26. Oktober 2011 - BVerwG 2 B 69.10 - juris Rn. 33 m.w.N.; stRspr). Abgesehen davon liegt hier auch keine lange Verfahrensdauer in diesem Sinne vor.

8 3. Schließlich rügt der Beklagte, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts, ihm keinen über sechs Monate hinausgehenden Unterhaltsbeitrag zuzubilligen, bedenklich sei, weil er bislang keinen anderen Beruf ausgeübt habe, aufgrund seiner Suspendierung und seines Lebensalters auf dem Arbeitsmarkt nur schwer vermittelbar sei und für zwei Kinder Unterhaltspflichten habe. Die Nichtzuerkennung eines Unterhaltsbeitrages für einen längeren Zeitraum stelle für ihn und seine Angehörigen eine derart unbillige Härte dar, „dass diese von grundsätzlicher Bedeutung und aus diesem Umstand anfechtbar“ sei. Auch insoweit verfehlt er ersichtlich das Darlegungserfordernis nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO für die Rüge der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Er rügt lediglich in der Art einer Berufungsbegründung die seiner Ansicht nach unrichtige Anwendung materiellen Rechts im Einzelfall. Damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.

9 Im Übrigen lassen Auslegung und Anwendung des § 10 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW durch das Oberverwaltungsgericht einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht erkennen. Durch die Gewährung eines Unterhaltsbeitrages für die Dauer von sechs Monaten soll dem Beamten der Übergang in einen anderen Beruf oder in eine andere Art der finanziellen Existenzsicherung erleichtert werden. Diesem Zweck liegt die Erwartung zugrunde, dass sich der Beamte nachweisbar und in ausreichendem Maße, d.h. fortlaufend um die Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit oder um eine andere Art der Sicherung seiner finanziellen Grundlagen bemüht. Der Nachweis dieser Bemühungen und deren Erfolglosigkeit sind auch Voraussetzung einer etwaigen Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrags (stRspr; vgl. Urteil vom 8. Juni 2005 - BVerwG 1 D 3.04 - juris Rn. 28 m.w.N.). Die vom Beklagten vorgetragenen Umstände liegen innerhalb des von § 10 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW erfassten üblichen Bereichs und begründen keine besondere Härte nach § 10 Abs. 3 Satz 3 LDG NRW.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 74 Abs. 1 LDG NRW. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil die Gerichtskosten gesetzlich betragsgenau festgesetzt sind (§ 75 Satz 1 LDG NRW, Nr. 10 und 62 Gebührenverzeichnis zum LDG NRW).