Beschluss vom 14.03.2007 -
BVerwG 2 B 55.06ECLI:DE:BVerwG:2007:140307B2B55.06.0

Beschluss

BVerwG 2 B 55.06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. März 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dawin und Dr. Kugele
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens der Anhörungsrüge.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge ist zulässig, insbesondere nicht verfristet. Dabei kann der Zeitpunkt des Beginns der Zwei-Wochen-Frist, innerhalb der gemäß § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO die Rüge zu erheben ist, offenbleiben. Bestimmt sich dieser Zeitpunkt allein nach § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach die Frist mit der Erlangung der Kenntnis von der Gehörsverletzung zu laufen beginnt, und gilt der fiktive Zeitpunkt „mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post“ nur für die Berechnung der an die „Bekanntgabe“ einer Entscheidung anknüpfenden Ausschlussfrist nach § 152a Abs. 2 Satz 3 VwGO (in diesem Sinne: Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl. 2007, § 321a Rn. 23 ff. für die bis auf eine unbedeutende Abweichung mit § 152a VwGO wortgleiche Vorschrift des § 321a Abs. 2 ZPO, ferner: Musielak, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 321a Rn. 9a; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl. 2005, § 321a Rn. 6; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 321a Rn. 14), ist die Rüge rechtzeitig erhoben. Denn dann begann die Frist am 31. August 2006. An diesem Tag ging die am Mittwoch, dem 23. August 2006 abgesendete Ausfertigung des Senatsbeschlusses vom 4. August 2006 in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein. Die Frist endete folglich am 14. September 2006; an diesem Tag ist der Schriftsatz, mit dem die Anhörungsrüge erhoben worden ist, beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen.

2 Gilt der fingierte Bekanntgabetermin nach § 152a Abs. 2 Satz 3 VwGO auch für die Frist nach § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO (so Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 152a Rn. 8 f.; ferner: Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 152a Rn. 15; Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 152a Rn. 22), obwohl der Gesetzgeber die im Gesetzgebungsverfahren erhobene Forderung nach einer generellen Anknüpfung an die Bekanntgabe nicht übernommen hat (vgl. die Nachweise bei Eyermann a.a.O.), ist die Frist zwar am 11. September 2006 abgelaufen. Doch ist der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein darauf gerichteter ausdrücklicher Antrag ist nach § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO entbehrlich. Die Fristversäumung wäre auch unverschuldet. Die Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten, die in dem auf dem Begleitschreiben zu dem übersandten Beschluss vom 4. August 2006 angebrachten Vermerk „Anhörungsrüge FA 14. 09.“ zum Ausdruck kommt (vgl. auch den Schriftsatz vom 18. Dezember 2006), der Zeitpunkt des Beginns der Zwei-Wochen-Frist nach § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO sei nicht der fingierte Bekanntgabezeitpunkt, ist jedenfalls vertretbar.

3 Die Rüge ist jedoch unbegründet.

4 Soweit sie geltend macht, der Senat nehme dem Rechtsmittel der Divergenzbeschwerde dadurch die nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotene Effektivität, dass er die in der von der Beschwerde in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die einkommensteuerrechtliche Abzugsfähigkeit von im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung entstandenen Kosten als nicht divergenzfähig beurteilt hat, macht sie keinen Gehörsverstoß i.S.d. § 152a VwGO geltend. Inhalt dieser Rüge ist vielmehr die nach Auffassung der Klägerin unzutreffende Auslegung der verfahrensrechtlichen Regelung des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

5 Die weitere Rüge, der Senat habe dadurch einen Gehörsverstoß begangen, dass er nicht auf den von der Klägerin vorgetragenen gemeinschaftsrechtlichen Aspekt eingegangen ist, es sei die Pflicht aller Gerichte, dem Gemeinschaftsrecht zur vollen Wirkung zu verhelfen, ist ebenfalls unbegründet. Denn der Senat hat festgestellt, die Auffassung des Berufungsgerichts, die Rechtssache werfe keine ungeklärten gemeinschaftsrechtlichen Fragen auf, sei nicht offensichtlich unhaltbar. Damit hat der Senat zum Ausdruck gebracht, selbst keinerlei gemeinschaftsrechtlichen Klärungsbedarf zu sehen.

6 Mit dem sonstigen Vorbringen der Klägerin ist eine Gehörsverletzung durch den beschließenden Senat bereits nicht dargelegt. Vielmehr betrifft es das Verfahren des Berufungsgerichts oder zielt darauf ab, dass der auf Zulassung der Revision gerichtete Vortrag in diesem Verfahren der Anhörungsrüge nochmals in vollem Umfang geprüft wird. Hierauf kann eine Anhörungsrüge gemäß § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht gestützt werden.

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da sich die Gerichtsgebühr unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum GKG ergibt.