Beschluss vom 13.08.2002 -
BVerwG 8 B 77.02ECLI:DE:BVerwG:2002:130802B8B77.02.0

Leitsatz:

Der Anspruch auf Zahlung des Verkehrswertes nach § 16 Abs. 1 Satz 3 InVorG besteht auch dann, wenn der Verfügungsberechtigte aufgrund des Investitionsvorrangbescheides über den Vermögenswert unentgeltlich verfügt hat.

  • Rechtsquellen
    InVorG § 16 Abs. 1 Satz 3

  • VG Cottbus - 05.12.2001 - AZ: VG 1 K 611/97

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.08.2002 - 8 B 77.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:130802B8B77.02.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 77.02

  • VG Cottbus - 05.12.2001 - AZ: VG 1 K 611/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. August 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
G o l z e und P o s t i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen zu 3 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 5. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladene zu 3 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist unbegründet. Weder liegt der gerügte Verfahrensmangel vor (1.) noch kommt der Streitsache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (2.).
1. Das Verwaltungsgericht hat mit der Verpflichtung des Beklagten, die vermögensrechtliche Berechtigung der Klägerin hinsichtlich des streitigen Grundstücks festzustellen und ihr einen Zahlungsanspruch gegenüber der Beigeladenen zu 3 dem Grunde nach zuzusprechen, nicht gegen § 88 VwGO verstoßen. Vielmehr ist der Anspruch auf Erlösauskehr bzw. Zahlung des Verkehrswertes nach § 16 Abs. 1 InVorG ebenso wie die Feststellung der Berechtigung als Minus in dem von der Klägerin gestellten Restitutionsantrag enthalten. Dies folgt daraus, dass der Anspruch auf Erlösauskehr das Bestehen eines Restitutionsantrages voraussetzt und lediglich an dessen Stelle tritt, weil die Rückübertragung durch die investive Maßnahme rechtlich unmöglich geworden ist (vgl. Urteil vom 11. April 2002 - BVerwG 7 C 20.01 - <zur Veröffentlichung vorgesehen> und Beschluss vom 13. Mai 1996 - BVerwG 7 B 125.96 - Buchholz 428.1 § 16 InVorG Nr. 2). Insoweit gilt nichts anderes als in den Fällen des § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG, in denen sich ebenfalls der Restitutionsanspruch in einen Anspruch auf Auskehr des Erlöses umwandelt.
Ist demnach der Anspruch nach § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG vom Verfahrensgegenstand eines Restitutionsantrages umfasst, bedarf es entgegen der Ansicht der Beschwerde jedenfalls dann keines gesonderten Antrages nach § 16 Abs. 1 Satz 2 InVorG, wenn über den Restitutionsantrag noch nicht bestandskräftig entschieden ist.
2. Der Streitsache kommt entgegen der Ansicht der Beschwerde auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu.
a) Die Beschwerde bezeichnet die Frage als grundsätzlich bedeutsam,
ob eine Täuschung im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG dann zu verneinen ist, wenn es dem Getäuschten nach den Rechtsvorschriften der ehemaligen DDR möglich gewesen wäre, die Täuschung mit den Mitteln des ZGB anzufechten und die auf Grundlage der Täuschung veranlasste Vermögensverfügung rückgängig zu machen.
Die Frage würde sich in dieser Form in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Verwaltungsgericht hat hier eine unlautere Machenschaft einerseits in einer Drohung des Ministeriums für Staatssicherheit und andererseits in einer auf den Spätfolgen dieser Drohung aufbauenden Täuschung des Alteigentümers gesehen und weiter ausgeführt, dass im Hinblick auf die hinter der Täuschung stehenden staatlichen Stellen eine zivilrechtliche Anfechtung der Veräußerung "wohl praktisch nicht zu beseitigen gewesen wäre". Zu Recht hat das Verwaltungsgericht im Übrigen darauf hingewiesen, dass jeweils die Gesamtumstände des Falles zu würdigen sind (vgl. auch Urteil vom 3. September 1998 - BVerwG 7 C 26.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 160) und dass im Übrigen eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG gerade ein manipulatives Vorgehen unter Verstoß gegen DDR-Vorschriften voraussetzt und dem deswegen die theoretische Möglichkeit einer zivilrechtlichen Anfechtung der Willenserklärung nicht entgegengehalten werden kann.
b) Die weiter von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, ob auch eine Schenkung eine Veräußerung im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG darstellt, kann mit dem Verwaltungsgericht bejaht werden, ohne dass es dazu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Wie die Regelungen des § 16 Abs. 1 Sätze 1 und 3 InVorG zeigen, ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass dem Berechtigten als Ausgleich für die investive Veräußerung des Grundstücks ein Anspruch gegenüber dem Verfügungsberechtigten in Höhe des Verkehrswertes des Grundstücks zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Investitionsvorrangbescheides, mindestens aber in Höhe des tatsächlich erzielten Erlöses zusteht. In welcher Höhe der Erlös hinter dem Verkehrswert zurückbleibt, ist dabei ohne Bedeutung. Auch eine unentgeltliche Veräußerung führt daher zu dem Anspruch auf Zahlung des Verkehrswertes nach § 16 Abs. 1 Satz 3 InVorG. Anderenfalls könnte der Verfügungsberechtigte durch Verschenkung des Vermögenswertes den Berechtigten um seine Ansprüche bringen, während er bei auch nur geringstem Entgelt den vollen Verkehrswert erstatten müsste. Das Investitionsvorranggesetz will aber gerade die Verfügungssperre des § 3 Abs. 3 VermG nur im Interesse der beabsichtigten Investition und nur gegen einen Ausgleich für den Berechtigten (§ 1 Satz 2 InVorG), nicht aber im Interesse des Verfügungsberechtigten aufheben.
Wenn - wie die Beschwerde vorträgt - gerade im kommunalen Bereich Grundstücke an Dritte, insbesondere an gemeinnützige Organisationen, schenkungsweise weitergegeben worden sind, die Gemeinden daher durch Ansprüche auf Zahlung des Verkehrswertes belastet werden, ohne dass sich in ihrem Vermögen ein entsprechender Gegenwert befindet, so ist das allein der Großzügigkeit des gemeindlichen Verhaltens zuzurechnen, das nicht zu Lasten der Berechtigten gehen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf den §§ 13, 14 GKG.